Und der Gewinner ist… die FIFA

England mag das Mutterland des Fußballs sein, doch Brasilien ist seine Wiege. Im Land des fünfmaligen Weltmeisters wird der Fußball gelebt. Die Erwartungen sind also riesig, wenn WM und Brasilien endlich wieder vereint werden. Doch schon vor dem Start ist Ernüchterung eingekehrt. Umfragen zufolge ist knapp die Hälfte der Brasilianer gegen die WM. Während das Geld für Krankenhäuser und Schulen fehlt, kostet die WM das Land Milliarden. Auszahlen werden sich die Investitionen nicht. Dafür sorgt der eigentliche Gewinner der WM: die FIFA.

Foto: Fernando Stankuns/flickr.com

Brasiliens Probleme bündeln sich in den Favelas. Foto: Fernando Stankuns/flickr.com

Umgerechnet elf Milliarden Euro hat Brasilien für die WM in Infrastruktur und Stadien investiert – verbunden mit der trügerischen Hoffnung, die WM werde entscheidende Impulse für die weitere wirtschaftliche Entwicklung liefern. Unterfüttert wurde diese Hoffnung durch Studien wie die der brasilianischen Beratungsgesellschaft Ernst & Young Terco. Die berechnete, Brasilien werde schon im Vorfeld durch die  WM umgerechnet rund 63 Milliarden Euro einnehmen, 3,6 Millionen Jobs sollten geschaffen werden. Der wirtschaftliche Nutzen sollte die Investitionen um das sechs- oder siebenfache übertreffen. Eine traumhafte Rendite.

Vorhergesagter Gewinn wird ein Traum bleiben

Doch diese Rendite wird ein Traum bleiben – das ist jetzt schon klar.  So prognostiziert die Ratingagentur Moody’s, dass das 32-Tage-Event nur für kurze Zeit die Verkaufszahlen steigere. „Es ist aber unwahrscheinlich, dass dies die Einnahmen erheblich beeinflusst, und die Störungen durch Verkehr und verlorene Arbeitstage werden ihren Tribut bei der Wirtschaft fordern“, schätzt Moody’s-Vizepräsidentin Barbara Mattos. Zu einem ähnlichen Schluss kommt der Ökonom Henning Vöpel in seiner Studie für das Hamburgische Weltwirtschaftsinstitut (HWWI). „Die im Vorfeld erstellten Kosten-Nutzen-Analysen überzeichnen regelmäßig die positiven Effekte“, erklärt Vöpel gegenüber der pflichtlektüre. „Aus wirtschaftlicher Sicht lohnt sich eine WM nicht. Damit bekommt man gerade mal die Kosten rein.“

Hoffnungsschimmer: Weiche Faktoren
Der wirtschaftliche Nutzen einer Fußball-Weltmeisterschaft lässt sich nicht alleine durch das Wirtschaftswachstum messen. Auch weiche Faktoren müssen berücksichtigt werden. Beispielsweise Image- und Bekanntheitseffekte, die sich positiv auf die Entscheidung von Touristen, Fachkräften und Investoren auswirken sollen. Diese Effekte sind allerdings schwierig zu messen, da man sich nicht isolieren kann und sie nur langfristig auftreten. Allerdings sind genau diese Effekte ein Hoffnungsschimmer für Brasilien, wie der Ökonom Henning Vöpel vom Hamburgischen Weltwirtschaftsinstitut erklärt: „In Südafrika hat die Ausrichtung der WM beispielweise zum Nation Building und Nation Branding Südafrikas beigetragen.“

Ein Blick in die Vergangenheit bestätigt Vöpels Einschätzung. Zwar gab es in den vergangenen zehn Jahren durchaus Ausrichterländer, deren Wirtschaft im Anschluss an ein Sport-Großereignis in Gang kam. Aber: Mit dem Sportevent stand das in keinem Zusammenhang. So profitierten Griechenland (Olympiade 2004) und Portugal (Fußball-Europameisterschaft 2004) von den damals günstigen wirtschaftlichen Rahmenbedingungen in der Eurozone. Mittlerweile hat die europäische Schuldenkrise aber beide Länder zu Sanierungsfällen gemacht. Auch Deutschlands wirtschaftlicher Aufschwung steht nicht im Zusammenhang mit der WM 2006, sondern vielmehr mit den positiven Auswirkungen der Agenda-Politik.

Südafrika, das Gastgeberland der WM 2010, hatte keine ähnlichen Rahmenbedingungen. Dort wuchs die Wirtschaft nach der WM auch prompt nicht. Nach einem Bericht des britischen „Telegraph“ konnte Südafrika sogar nur ein Zehntel der Ausrichtungskosten wieder reinholen. 3,6 Milliarden Euro habe der Bau von Stadien und Infrastruktur gekostet, aber nur 385 Millionen Euro wurden durch zusätzlichen Tourismus eingenommen.

Teure Stadien sind Millionengräber

Ein alarmierendes Missverhältnis, das auch Brasilien droht. „Ich kann die Proteste verstehen“, erklärt deshalb Henning Vöpel vom HWWI. „Für Schwellenländer wie Brasilien ist der entgangene Nutzen, der durch eine alternative Verwendung enstanden wäre, sehr hoch. Das Geld könnte stattdessen in Schulen und Bildung fließen.“

Alex Lanz/flickr.com

Im WM-Stadion in Manaus werde in Zukunft leere Ränge an der Tagesordnung sein. Foto: Alex Lanz/flickr.com

Gerade die teuren Stadien sehen die Brasilianer kritisch. Denn schon jetzt ist absehbar, dass die Arenen zu Millionengräbern werden. In gerade einmal sieben der zwölf WM-Arenen spielen Erstligisten, in Brasilia und Manaus gibt es gar keinen Profiverein. Ein Blick zurück zeigt, dass die Stadien in Zukunft eher weitere Kosten verursachen werden, als dass sie Gewinne einbrächten. Jens Alm und Henrik H. Brandt vom Dänischen Institut für Sportstudien untersuchten, was aus für Großveranstaltungen gebauten Stadien wurde. Sie betrachteten 75 Austragungsstätten in 20 Ländern. Das Ergebnis: Mangels Nutzung ist der Großteil der Bauten ein Minusgeschäft; unabhängig davon, ob sie nun in Griechenland, Polen, Portugal, Südafrika oder der Ukraine stehen.

Seite 2: Die Gewinner sind handverlesen

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