U-Turm: Geldverschwendung oder Wahrzeichen?

Der U-Turm in Dortmund: Seine Renovierung in ein Zentrum für Kunst und Kreativität war das wichtigste Kulturprojekt der letzten Jahre. Aber ist das „U“ nun ein wichtiges Wahrzeichen Dortmunds oder eher eine Geldvernichtungsmaschine und eine Verblendung des Steuerzahlers? Wir stellen euch die wichtigsten Aspekte und Positionen vor.

Fährt man mit dem Zug in den Dortmunder Bahnhof ein, so ist der U-Turm vor allem wegen dem neun Meter hohen „U“ nicht zu übersehen. Steigt man aber aus und läuft der Masse in die Innenstadt hinterher, so fällt das „U“ aus unserem Blickfeld.

Andrea Defeld kritisiert den Umgang mit Steuergeldern beim Dortmunder U.

Andrea Defeld kritisiert den Umgang mit Steuergeldern beim Dortmunder U. Foto: Bund der Steuerzahler.

Für Andrea Defeld, Pressereferentin vom Bund der Steuerzahler, liegt das „U“ jedoch stets im Blickfeld, denn sie beschäftigt sich schon lange und intensiv mit der Finanzierung der Renovierungsarbeiten rund um das Gebäude und sieht den Einsatz der Steuergelder kritisch. Für das Magazin der Bund der Steuerzahler verfasste sie mehrere Artikel zu den Geschehnissen rund um das Dortmunder Vorzeigeprojekt und bezeichnete es bereits als „finanziell unberechenbares Abenteuer für die Steuerzahler“. Ihre Kritik fand großes Echo in den Ruhrgebiets-Medien und brachte noch einmal Unruhe in die ohnehin schon unübersichtliche und emotional geführte Diskussion um die Renovierung eines der traditionsreichsten Gebäude Dortmunds.

30 Millionen Euro Mehrkosten

52,8 Millionen Euro sollte die Renovierung des Dortmunder Us eigentlich kosten. Dieses Budget hatte das Stadtparlament beim Baubeschluss im März 2008 bewilligt. 83 Millionen Euro hat sie aber bereits bislang gekostet. Und gebaut wird noch immer. So muss zum Beispiel die Dachterrasse noch repariert werden. Andrea Defeld kritisiert: „Die Ratspolitiker wussten von den Mehrkosten und haben den Überschuss von 30 Millionen billigend in Kauf genommen. Das ist ein verantwortungsloser Umgang mit Steuergeldern.“

Dortmunds Kulturdezernent Jörg Stüdemann (SPD) versteht die große mediale Aufregung um die Mehrkosten nicht. Er erklärt: „Ein Großteil dieser Mehrkosten mussten in die Baustatik und das Dach investiert werden. Das sind Kosten, die wir vor dem Umbau nicht einplanen konnten. Aber diese Arbeiten mussten gemacht werden.“ Auch Andrea Defeld zeigt in dem Punkt etwas Verständnis. „Gerade bei historischen Gebäuden kann man den Umfang der Renovierungsarbeiten nicht immer genau abschätzen.“

Planungszeit war belastet durch Termindruck

Die Baupläne zur Renovierung sollen unter Zeitdruck entstanden sein. Foto: Stephanie Hofschläger/Pixelio.de

Das Konzept der Renovierung und der Bau sollen unter Zeitdruck entstanden sein, sagt Defeld. Foto: Stephanie Hofschläger/Pixelio.de

Ein weiterer Kritikpunkt von Defeld ist, dass bei der Planung der Renovierungen das Konzept noch unfertig gewesen sei. Lediglich der Umzug des Museums am Ostwall sei beschlossen gewesen. Es war zum Beispiel gar nicht geplant, dass das Dortmunder U einmal ein „Zentrum für Kunst und Kreativität“ mit unterschiedlichen Nutzungsmöglichkeiten werden soll. Auch Jörg Stüdemann bestätigt, dass das Gebäude ursprünglich als reiner Museumsstandort geplant war. Erst später, nämlich 2008 entschied sich der Rat für das heutige Nutzungskonzept.

Zudem sei die Planungszeit und der Bau von Termindruck belastet gewesen, sagt Andrea Defeld, da man 2008 noch mit einer Fertigstellung der Renovierung bis zum Kulturhauptstadtjahr 2010 rechnete. Denn die Industrieruine sollte eines der Leuchtturmprojekte der Kulturhauptstadt werden. Deshalb wurden von der EU und dem Land Nordrhein-Westfalen Fördermittel von 32 Millionen Euro für den Umbau bewilligt.

Alleine hätte die Stadt Dortmund das Projekt „U“ wohl gar nicht stemmen können. „Das Haushaltsloch der Stadt beträgt 66 Millionen Euro. Da kann sich eine Stadt so ein Großprojekt nicht leisten“, meint Defeld.

Finanzkrise hätte Umbau vermutlich verhindert

Auch Friedrich Fuß (Bündnis ’90/Grüne), der Bezirksbürgermeister der Innenstadt-West, sagt: „Wenn man den gesamten Umfang der Kosten vorher gewusst hätte, hätte man der Renovierung nicht zugestimmt.“ Jörg Stüdemann gab in einem Interview mit den Ruhr Nachrichten zu, dass die Entscheidung für die Umwandlung des Geländes in ein Kulturzentrum vielleicht nie gefallen wäre, hätte man die Finanz- und Wirtschaftskrise 2009 mit ihren Folgen für die städtischen Haushalte ahnen können.

"Wir konnten einen Großteil der Mehrkosten nicht abschätzen", sagt Kulturdezernent Jörg Stüdemann (SPD). Foto: Stadt Dortmund

"Wir konnten einen Großteil der Mehrkosten nicht abschätzen", sagt Kulturdezernent Jörg Stüdemann (SPD). Foto: Stadt Dortmund

Doch eigentlich hatte die Stadt Dortmund extra für den Umbau Rücklagen gebildet. Man plante, die Renovierung des U-Turms vorerst aus dem städtischen Sondervermögen, also Geld, das außerhalb des eigentlichen Haushalts geführt wird, mit 50 Millionen Euro zu finanzieren und das „U“ nach der Fertigstellung aus den Rücklagen zurückkaufen zu wollen. Doch dann änderte die Finanz- und Wirtschaftskrise 2009 diese Kostenplanung maßgeblich. „Wir brauchten das Geld an anderer Stelle“, sagt Jörg Stüdemann im Interview. „Deshalb zahlt die Stadt dem städtischen Sondervermögen nun Miete“. Und das solange bis die 50 Millionen Euro abbezahlt sind. 3,8 Millionen Euro beträgt diese Miete für das Jahr 2012 und ist damit der Hauptgrund für die Steigerung der Betriebskosten. Jörg Stüdemann relativiert: „Diese finanzielle Belastung war bei der Planung nicht absehbar. Zudem sind wir nicht Schuld an den Mehrkosten sondern die Banken, die die Finanzkrise ausgelöst haben.“

Auch Winkelmanns Licht-Projektionen treiben Energiekosten in die Höhe

Inklusive der Miete liegen die Betriebskosten für das Jahr 2012 insgesamt bei 9,6 Millionen Euro, wie im Protokoll der Ratssitzung vom 28.11.2011 zu lesen ist. Im Zeitraum von 2013 bis 2015 gibt die Stadt voraussichtlich 10,2 Millionen Euro pro Jahr für die Betriebskosten am U-Gebäude aus. Im ersten offiziellen Betriebsjahr 2011, lagen die Betriebskosten noch bei 6,1 Millionen Euro.

Für die hohen Betriebskosten sind, neben der Miete und den Bauinstandhaltungskosten, vor allem die Stromkosten verantwortlich. Besonders die Licht-Projektionen von Adolf Winkelmann verursachen hohe Kosten und sind auch in der Instandhaltung aufwendig. In den Originalplanungen waren die Installationen gar nicht vorgesehen. Friedrich Fuß sagt aber: „Die Projektionen sind das Highlight des U-Turms und tragen einen großen Teil zu dem Leuchtturmfaktor des U-Gebäudes bei.“ So sieht das auch Jörg Stüdemann. Zudem seien diese Mehrkosten auch dadurch zu erklären, dass die Strompreise in den letzten Jahren gestiegen sind.

Leerstandsquote auf drei Prozent gesenkt

Trotz der ganzen Kritik hat der Umbau des Geländes mehr Leben rund um das „U“ gebracht. So ist die ehemals hohe Leerstandsquote, also die Quote ungenutzter Gebäude, im Gebiet um die Rhenische Straße gefallen. Bis 2008 lag sie noch bei acht Prozent und ist mittlerweile auf drei Prozent gesunken. Zudem ist das U-Gebäude „zu einem Wahrzeichen Dortmunds geworden, einem notwendigen Wahrzeichen“, wie Friedrich Fuß sagt.

Bezirksbürgermeister Friedrich Fuß (B'90/Grüne) rät, über neue Raumnutzungskonzepte nachzudenken. Foto: privat

Bezirksbürgermeister Friedrich Fuß (B'90/Grüne) rät, über neue Raumnutzungskonzepte nachzudenken. Foto: privat

Und auch wenn die Fertigstellung des Geländes noch immer andauert, sind zumindest schon Fortschritte zu sehen. Der Vorplatz des U-Turm ist mittlerweile fast fertig. Die Absperrzäune, die den Platz noch umringen, sollen in etwa zwei Wochen verschwinden. Nur an der Nordseite des Geländes wird noch gebaut, wo in circa vier Jahren zwei Berufskollege entstehen sollen.

Wahrnehmung des „U“ soll verbessert werden

Aber was helfen gute Ideen und teure Renovierungen, wenn die Besucher ausbleiben. Die Besucherzahlen sind zwar nicht schlecht (die Besucherzahlen des ehemaligen Museums am Ostwall sind konstant geblieben), doch kalkuliert wurde mit mehr Resonanz. Gerade bei der TU Dortmund und der FH Dortmund sieht Fuß Probleme. „Die Zielgruppe der Uni und der FH ist sehr speziell“, deshalb könnten sie kaum Besucher ins „U“ locken.

Aufgrund dessen müsse man auch über neue Raumnutzungskonzepte nachdenken, sagt Friedrich Fuß. So hält er zum Beispiel ein Museum für Kinder und Jugendliche, beispielsweise ein Naturkundemuseum, sinnvoller, damit auch Schulklassen aus dem Ruhrgebiet eher das Gebäude besuchen. Außerdem gibt es bereits Pläne, den Platz vor dem U für Konzerte oder andere Veranstaltungen zu nutzen, damit verstärkt Menschen den Weg von der Innenstadt zum „U“ finden. Denn, so sagt Fuß „wenn die Wahrnehmung nach außen besser wird, dann wird das auch nach innen überschwappen und mehr Leute werden in das tatsächliche Gebäude hineingehen.“

Konzerthaus und Phoenix-See sind gute Beispiele

Ob die Renovierung des U-Gebäudes nun eine Geldverschwendung war oder das Gebäude doch zu einem wichtigen Wahrzeichen Dortmunds geworden ist, ist schwer zu entscheiden. Zurzeit überwiegt wohl noch der finanzielle Aspekt, da gerade in Zeiten klammer Kommunalkassen solch ein teures Großprojekt hinterfragt werden muss. „Man sollte dem jungen Projekt auch Zeit geben, sich zu entwickeln“, fordert Jörg Stüdemann. Denn alleine in Dortmund gibt es mit dem Konzerthaus und dem Phoenix-See schon zwei Beispiele, bei denen nach großer Kritik über mögliche Geldverschwendung mittlerweile auch die Akzeptanz und Wertschätzung der Medien und vorallem der Menschen überwiegt.

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