Das Leben nach der Haft

Über 50.000 Häftlinge in Deutschland sitzen ihre Strafe in einem Gefängnis ab. Die Freude auf den Tag der Entlassung ist groß – doch bei vielen Ex-Häftlingen beginnen dann die Probleme. Sie werden wieder straffällig.

Knapp 50 Prozent der Haftentlassenen landen erneut im Gefängnis, das zeigt eine Statistik des Bundesinnenministeriums für Justiz und Verbraucherschutz. „Jeder Dritte im Beobachtungszeitraum von drei Jahren wird erneut straffällig. Binnen neun Jahren liegt die Rückfallquote bei 48 Prozent“, sagt Bundesjustizminister Heiko Maas.

Vor allem diejenigen, die wegen schweren Diebstahls oder Raubdelikten gesessen haben, begehen erneut eine Straftat. Mehr als 50 Prozent von ihnen werden wieder verurteilt.

Rückfallquote nach Straftat
 

Quelle:„Legalbewährung nach strafrechtlichen Sanktionen – eine bundesweite Rückfalluntersuchung 2010 bis 2013 und 2004 bis 2013“

Unterstützung beim Weg zurück in die Gesellschaft

„Die Entlassenen stehen vor großen Problemen und Aufgaben“, sagt Martin Czarnojan. Er ist Mitarbeiter der Straffälligen Hilfe in Aachen und arbeitet mit Ex-Häftlingen zusammen. Die entlassenen Straftäter hätten häufig keinen Wohnraum, keine Arbeit und keine oder wenige soziale Kontakte. Hinzu kämen Schulden oder Suchtkrankheiten. Diese Probleme zu bekämpfen stehe an erster Stelle, um die Resozialisierung voranzutreiben. Deshalb versuchen Straffälligen Hilfen in ganz Deutschland die Entlassenen bei ihrem Weg zurück in die Gesellschaft zu unterstützen.

In vielen Städten stehen Wohnungen zur Verfügung, in denen die Sträflinge für eine Zeit unterkommen können. Dort werden sie drei bis vier Stunden am Tag betreut und beim Einkaufen und dem Erstellen von Putzplänen unterstützt. Die Helfer begleiten die Ex-Häftlinge außerdem zum Jobcenter, erstellen mit ihnen Bewerbungsmappen und unterstützen sie bei der Suche nach einer eigenen Wohnung. Weiterbildungs- und Freizeitangebote gibt es ebenfalls zahlreiche, wie Spielegruppen und Alphabetisierungskurse.

Vier von zehn Ex-Häftlingen begehen erneut Straftaten

Trotz der Hilfsangebote: Viele Entlassene finden keinen Arbeitsplatz. „Einige haben noch nie gearbeitet oder nur in der Haft. Andere überschätzen sich selbst“, sagt Martin Czarnojan. Grundqualifikationen, wie Pünktlichkeit oder gewaltfreie Konfliktbewältigung, müssten die meisten Ex-Häftlinge erst erlernen. Und nur wer in der Lage ist vier Stunden am Tag zu arbeiten, ist bereit für den Arbeitsmarkt. Das sei vor allem bei Suchterkrankten ein großes Problem, und so verlängere sich ihre Zeit ohne Job immer weiter.

Die Rückfallquote der Häftlinge, die die Aachener Straffälligen Hilfe unterstützt, liegt ähnlich dem bundesweiten Durchschnitt bei ca. 40 Prozent. „Das ist relativ hoch. Probleme sind insbesondere die Defizite der Strafentlassenen und die zu geringe Akzeptanz in der Gesellschaft“, sagt Martin Czarnojan. Er hofft, dass das sogenannte Übergangsmanagement, also die Vorbereitung auf die Entlassung, verbessert wird. Das Problem vieler Straffälliger sei es vor allem von einem Tag auf den anderen in die Freiheit zu kommen ohne einen Plan für die Zukunft. Deshalb erhofft sich Czarnojan mehr Hafturlaube, Ausgänge und eine Entlassung auf Probe. So hätten die Gefangenen die Möglichkeit, sich besser auf ihr neues Leben vorzubereiten.

So sieht das Zimmer eines Häftlings in einer Justizvollzugsanstalt aus. Foto: flickr.com/Michael Panse mit CC-Lizenz

Wiedereingliederung ist Sache des Landes

Die Resozialisierung funktioniert also nur in Maßen. Allerdings wurde sie 1977 im Bundesgesetz als oberstes Ziel des Strafvollzugs festgelegt. Das Gesetz besagt, dass der Gefangene fähig werden soll, künftig in sozialer Verantwortung ein Leben ohne Straftaten zu führen. Seit 2006 hat sich der Strafvollzug allerdings verändert. Die Föderalismusreform führte dazu, dass die Bundesländer nun ihre eigenen Regelungen haben. Wie ein Gefangener auf seine Entlassung vorbereitet wird, hängt seitdem vom jeweiligen Bundesland ab. 

In NRW möchte die Politik die Resozialisierung von Straftätern stärker unterstützen, vor allem finanziell. Bei der vergangenen Landtagswahl setzten sich dafür die etablierten Parteien in ihren Wahlprogrammen ein. Die CDU will mehr Ausbildungs- und Arbeitsangebote in den Gefängnissen anbieten, die SPD hingegen fordert eine Modernisierung der Anstalten und mehr Personal. Die Grünen setzen einen anderen Schwerpunkt. Sie möchten die Arbeit der Freien Straffälligen Hilfe unterstützen und ausbauen.

Davon würden Beratungs- und Hilfestellen, wie die Straffälligen Hilfe in Aachen, profitieren. Dort können die Ex-Gefangenen beispielsweise an einem Arbeitsprojekt, dem sogenannten „Hausmeisterservice“ teilnehmen. Sie helfen bei Umzügen und Haushaltsentrümpelungen und lernen so wieder in den Arbeitsalltag zurückzufinden. „Die Straffälligen gewöhnen sich an eine geregelte Arbeitszeit und das frühe Aufstehen und finden anschließend einfacher einen Job“, sagt Martin Czarnojan. Auch in anderen Städten werden ähnliche Projekte angeboten. Solche Projekte können für die Ex-Häftlinge ein erster Schritt in die Freiheit und gegen den Rückfall sein.

 

Beitrags- und Teaserbild: flickr.com/Marcus Pink unter der Verwendung der Creativ Commons-Lizenz

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