Das Unperfekthaus – Ein Werkzeugkasten

Von Außen sieht das „Unperfekthaus“ in Essen nicht besonders aufregend aus – und vor allem nicht wie ein ehemaliges Franziskanerkloster, das vor gut fünf Jahren zu einem riesengroßen Künstlerhaus umgestaltet wurde. Von Innen ist es dafür aber umso ungewöhnlicher. Unter seiner großen Dachterrasse beherbergt das „Unperfekthaus“ nämlich auf sechs Etagen Ateliers, Seminarräume, ein Restaurant, weite Flure, stille Ecken und viele Menschen: Künstler, Kaffeetrinker, Restaurantbesucher, Internetjunkies, Bildergucker und durch’s-Haus-Läufer. Alles ist bunt, zusammengewürfelt und künstlerisch.

„In einer unperfekten Umgebung ist mehr Raum für Kreativität“ – das ist der Grundgedanke des Künstlerhauses. Und deshalb ist dieser rund 4500 Quadratmeter große Kreativitäts-Tiegel auch unperfekt. „Unperfekt ist alles, was nicht vordefiniert ist. Ein Einkaufszentrum zum Beispiel ist vordefiniert. Es ist durchgestylt. Von der Musik, über die Wandfarbe bis hin zur Klimaanlage passt alles zusammen. Und das tut es bei uns nicht“, erklärt Pressesprecher Markus Urselmann.

Das „Unperfekthaus“ ist offen, vielseitig und anders. Kreativität jeder Art hat Platz an diesem Ort, der laut Urselmann ein „öffentlicher Werkzeugkasten“ ist. „Du fragst dich: Was brauche ich davon? Und dann nimmst du es dir.“ Hört sich einfach an – und das ist es auch. Denn jeder, der in irgendeiner Form kreativ und interessant für die Besucher ist, kann sich hier ausprobieren.

Ein Forum für Künstler

Das Treppenhaus im Unperfekthaus sieht auf jeder Etage anders aus. Foto: Linda Klimmek

Das Treppenhaus im Unperfekthaus sieht auf jeder Etage anders aus. Foto: Linda Klimmek

Reinhard Wiesemann, Gründer und Finanzier des Hauses, wollte mit dem „Unperfekthaus“ einen Ort schaffen, der Kreativen ein Forum bietet, vielleicht sogar ein Sprungbrett. Vor allem aber kann man hier Erfahrungswerte sammeln und herausfinden, was bei den Leuten gut ankommt. „Wir wollen Chancen geben, aber wir sind auch ein Ort des Scheiterns – allerdings im positiven Sinne. Stell dir vor, du hast zehn Ideen, sieben scheitern, aber drei klappen – das ist doch toll! Und das kann man hier ohne finanziellen Druck ausprobieren“, so Urselmann.

Kreative können für 45 Euro pro Quartal ein Atelier im „Unperfekthaus“ bekommen, kann dort arbeiten und ausstellen, egal, was er macht. Deshalb arbeitet hier die Goldschmiedin nach fünf Jahren Berufspause, neben dem selbständigen Berufsmaler und der wiederum neben dem Rentner, der mit Schaffnermütze seine heiß geliebte Modelleisenbahn ausstellt. Solange das Tun der Künstler legal ist und sie sich beim Arbeiten über die Schulter schauen lassen, ist alles erlaubt.

Die Türen stehen immer offen

Eben dieses Über-die-Schulter-Schauen ist im „Unperfekthaus“ Gang und Gäbe. Tagesgäste, die sich für 5,50 Euro den ganzen Tag im Haus aufhalten dürfen, können kostenlos trinken, das Internet nutzen, lernen, Unterhaltungen führen, an Veranstaltungen teilnehmen oder einen Seminarraum mieten und einen Vortrag halten. Die Besucher können aber eben auch jederzeit durch das ganze Haus laufen, Bilder und Skulpturen betrachten, in Ateliers hineinschauen, mit Künstlern sprechen oder auch einfach das bunt gestaltete Treppenhaus bewundern.

Eine Sitzecke der besonderen Art. Foto: Linda Klimmek

Eine Sitzecke der besonderen Art. Foto: Linda Klimmek

Die Tagesgäste gehören laut Urselmann sozusagen zur perfekten Seite des „Unperfekthauses“ – sie sind eines der drei Standbeine, durch die sich das Haus finanziert. „Wir sind ein privatwirtschaftliches Unternehmen, das alles wieder erwirtschaften muss, was es an Künstler abgibt“, erklärt Urselmann. Die beiden anderen Standbeine seien der Restaurantbetrieb und Events wie Seminare, Hochzeiten und ähnliches.

Und was erwartet Besucher des Künstlerhauses? Die haben hier viele Freiheiten und können sich in einer offenen, kreativen Umgebung aufhalten. „Das Haus ist eine tolle Mischung aus öffentlich und privat – man findet schnell jemanden zum Unterhalten, aber man kann auch seine Ruhe haben, wenn man will. Ich bin ja schließlich nicht jeden Tag und jede Minute gleich drauf, da passt das gut“, findet Besucherin Nicole Justen. Auch Mischa Bach ist gerne im „Unperfekthaus“. „Hier ist alles so weit und offen, da kann man einfach durchatmen“, erzählt sie begeistert.

Künstler mögen die Atmosphäre des Hauses

Ariyadasa Kandege arbeitet gerne in seinem Atelier im Unperfekthaus. Foto: Linda Klimmek

Ariyadasa Kandege arbeitet gerne in seinem Atelier im Unperfekthaus. Foto: Linda Klimmek

Aber nicht nur die Besucher, sondern auch die Kreativen und Künstler fühlen sich wohl in dem vielseitigen Haus. Ariyadasa Kandege aus Sri Lanka ist schon von Anfang an mit dabei. „Das Unperfekthaus ist das Beste, das mir als Künstler passieren konnte. Ich bin jetzt bestimmt zehn Mal bekannter als vorher und es ist ein schönes Arbeiten hier. Manchmal ist es ruhig, aber am Wochenende kommen oft viele Leute zum Zugucken und dann hat man Unterhaltung – das macht Spaß“, erzählt der selbständige Künstler. Bei Events verkaufe er auch schon mal das ein oder andere Werk – ob nun in Postkartenformat oder als große Reproduktion. Am schönsten findet Kandege aber die nette und offene Atmosphäre des Hauses.

Diese warme und besondere Ausstrahlung ist für jeden Besucher zu spüren und lockt zurück an diesen Ort. Auch Studenten finden immer wieder den Weg ins „Unperfekthaus“. „Wenn Klausurzeit ist, dann merken wir das richtig. Dann kommen viele Studenten hierhin, suchen sich eine stille Ecke zum Lernen und bleiben oft den ganzen Tag“, erzählt Urselmann.

Aber egal ob zum Power-Learning in einer kreativen Umgebung, für einen netten Plausch mit der besten Freundin oder für Kunstbegeisterte, die sich gerne Bilder und Skulpturen anschauen wollen, ist das „Unperfekthaus“ in Essen genau das Richtige.

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