Antibiotika-Apokalypse now?

Sie könnten der Menschheit laut Weltgesundheitsorganisation im Laufe des 21. Jahrhunderts zum Verhängnis werden: Antibiotika-Resistenzen. Was anlässlich des Europäischen Antibiotikatags so banal und apokalyptisch klingt, ist laut WHO ein ernst zu nehmendes Problem.

Die Macher dieses Videos gehören zu NPS Medicinewise, einer Non-Profit-Organisation, die vom australischen Gesundheitsministerium unterstützt wird. Sie wollen auf die Folgen von antibiotikaresistenten Bakterien aufmerksam machen: Selbst harmlose, aber lebensnotwendige Operationen, wie zum Beispiel eine Blinddarm-OP, könnten nicht mehr durchgeführt werden. Denn ohne wirksame Antibiotika wäre das Infektionsrisiko der Wunde zu groß.

Effektiv – aber auch gefährlich

Ein Grund für die häufigen Resistenzen ist eine übermäßige Anwendung von antibiotischen Mitteln. Bakterien, die vorher wirksam durch ein spezielles Medikament unschädlich gemacht werden konnten, sind auf einmal immun dagegen, weil sie sich an den Wirkstoff „gewöhnen“. Und bakteriell ausgelöste Krankheiten können nicht mehr behandelt werden. 

Doch nicht nur eine übermäßige, auch eine falsche Behandlung kann zu Resistenzen führen. Bei bakteriellen Infektionen sind Antibiotika zwar sehr effektiv, bei Virusinfektionen hingegen nicht wirksam. Geht ein Patient mit einer starken Erkältung zum Arzt und bekommt ein Antibiotikum verschrieben, hat er quasi eine 50:50-Chance, richtig behandelt zu werden.

Bei einer oberflächlichen Untersuchung ohne Bluttests kann der Mediziner nicht herausfinden, ob der Patient an einer viralen oder bakteriellen Infektion leidet. Eine vorbeugende Verschreibung von Antibiotika ist dann im Zweifelsfall nicht nur ineffektiv, sondern auch schädlich. Laut einer Studie der gesetzlichen Krankenkasse DAK-Gesundheit waren bis zu 30 Prozent der verschriebenen Antibiotika im letzten Jahr nicht eindeutig notwendig.

Antibiotika schon bei ein wenig Schnupfen: Genau das sei gefährlich, sagt die WHO. Foto: Andrea Damm / pixelio.de

Antibiotika schon bei ein wenig Schnupfen: Genau das sei gefährlich, sagt die WHO. Foto: Andrea Damm / pixelio.de

Warnung vor dem „Worst Case“

Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) warnt in einem globalen Report von April 2014 vor der „post-antibiotischen Ära“. Damit beschreibt die WHO ein Worst-Case-Szenario: Antibiotika haben aufgrund der gestiegenen Anzahl von resistenten Bakterien ihre Wirkung verloren, bakterielle Infektionen sind schwer bis gar nicht zu behandeln. Und eine eigentlich leicht zu kurierende Harnwegsinfektion kann den Tod bedeuten. 

Um für dieses Risiko zu sensibilisieren, veranstaltet das Europäische Zentrum für die Prävention und die Kontrolle von Krankheiten alljährlich den „Europäischen Antibiotikatag“. Wir von der pflichtlektüre schließen uns dem an und beantworten euch die wichtigsten Fragen rund um das Thema „Antibiotika“.

Kleine Geschichte des Antibiotikums

Seit knapp einem Jahrhundert werden bakterielle Infektionskrankheiten mit Antibiotika behandelt. Der Forscher Alexander Fleming entdeckte Anfang des 20. Jahrhunderts die antibiotische Wirkung eines Schimmelpilzes mit dem Namen Penicillium notatum, aus dem sich das Antibiotikum Penicillin herstellen lässt. Für diesen medizinischen Meilenstein erhielt Fleming 1945 den Medizin-Nobelpreis – und die Menschheit ein wirksames Mittel gegen Krankheiten wie zum Beispiel Lungenentzündungen. Heute sind etwa 8000 antibiotische Wirkstoffe bekannt, aber nur ein Bruchteil davon wird tatsächlich zur Behandlung am Menschen verwendet. 

Wie wirken Antibiotika?
Antibiotika sind nur bei Krankheiten wirksam, die durch Bakterien verursacht werden. Der Begriff „Antibiotikum“ stammt aus dem Griechischen: anti heißt „gegen“ und bios „Leben“, also ein Mittel gegen das Leben – von Bakterien. Die speziellen Wirkstoffe verhindern die Vermehrung von Bakterien oder töten sie ganz ab. Dabei können sie aber nicht zwischen „bösen“ und „guten“ Bakterien unterscheiden. So leiden auch die nützlichen Darmbakterien unter der Antibiotikagabe und es kann zu Nebenwirkungen wie Übelkeit oder Erbrechen kommen. 
Welche Krankheiten werden durch Antibiotika behandelt?
Antibiotika sind nur bei bakteriell bedingten Infekten wirksam. Sie werden häufig eingesetzt bei Mittelohrentzündungen, Harnwegsinfekten und Blasenentzündungen sowie bakteriellen Infektionen der Haut oder Wunden. Auch bei Entzündungen, die eigentlich von Viren ausgelöst werden, können Antibiotika zum Einsatz kommen. Zum Beispiel, wenn sich auf entzündeten Schleimhäuten Bakterien einnisten (zum Beispiel bei einer Mandel- oder Nasennebenhöhlenentzündung).
Was sind die häufigsten Nebenwirkungen?
Als häufigste Nebenwirkungen von Antibiotika treten Allergien, eine Störung der Darmflora und Pilzinfektionen auf. Da von den antibiotischen Mitteln auch für den Körper nützliche Bakterien angegriffen werden, können sich Viren oder Pilze leicht in den empfindlichen Schleimhäuten einnisten.
Was muss ich im Alltag beachten, wenn ich Antibiotika nehme?
Am besten nimmt man die Antibiotika zusammen mit einem Schluck Leitungswasser –  Milch und Mineralwasser können die Wirksamkeit beeinflussen. Wer nicht auf Milchprodukte verzichten will, sollte nach Einnahme des Medikaments mindestens zwei Stunden warten, bis er wieder Joghurt, Käse oder Quark isst. 
An Kaffee und Cola sollte man besser sparen: Einige Antibiotika verstärken die Wirkung des Koffeins und verursachen Herzrasen oder Schlaflosigkeit. Alkohol ist ebenfalls weniger zu empfehlen: In Verbindung mit Antibiotika kann es zu heftigen körperlichen Reaktionen kommen, von Übelkeit und Kopfschmerzen bis hin zu Durchfall und Herzrhythmusstörungen.
Prinzipiell sollten körperliche Anstrengungen wie Sport oder exzessive Partynächte besser vermieden werden, damit sich der Körper vollständig erholen kann.

Sind nur bestimmte Menschen gefährdet, Resistenzen zu entwickeln?

Zum Antibiotikatag 2014 hat das Europäische Zentrum für die Prävention und die Kontrolle von Krankheiten einen Live-Chat bei Twitter angeboten. Unter dem Hashtag #EAAD (European Antibiotic Awareness Day) konnte man @EAAD_EU Fragen stellen zum Thema Antibiotika und bekam diese von Experten des Zentrums beantwortet.

Die Auswirkungen von Antibiotikaresistenzen betreffen laut Experten also alle  Menschen. Sie empfehlen Ärzten und Patienten, den Leitsatz „So oft wie notwendig, so selten wie möglich“ im Umgang mit Antibiotika zu beherzigen. Nur so könne die Ausbreitung der Resistenzen gestoppt werden.

Ein weiterer Aspekt, auf den jedoch weder die Experten, Ärzte oder Patienten einen Einfluss haben, ist die Verwendung von Antibiotika in der Tierzucht. Denn antibiotikaresistente Keime können beim Verzehr von tierischen Produkten auf den Menschen übertragen werden. Grund genug, die eigene Gesundheit im Auge zu behalten – auch abseits des Antibiotikatags.

(Teaserbild: Verena Münch / pixelio.de)

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