Zeitdruck für Lehrämtler: Studienordnung läuft aus

Keine Frage, Jascha Stümmler ist ein engagierter Student – und genau das wird ihm jetzt wohl zum Verhängnis. In seiner Freizeit kämpft er für die SPD im Wahlkampf, organisiert für den AstA das Referat Semesterticket oder trainiert Nachwuchs-Footballer bei den Bochum Miners. Ehrenamtliches Engagement für das er viel Zeit opfert. Zeit, die er auch in sein Studium investieren könnte. Eigentlich sollte das aber kein Problem sein, denn nirgendwo war ein Studier-Tempo vorgeschrieben – bis jetzt.

Jascha studiert Mathe und Informatik auf Lehramt an der TU Dortmund. Die Regelstudienzeit für den Bachelor beträgt drei Jahre. Wegen seines gesellschaftlichen Engagements dauert es bei Jascha etwas länger. Er ist jetzt seit neun Semestern dabei – aber ganz plötzlich steht er unter Druck. Vor wenigen Wochen flatterte ihm und seinen Kommilitonen eine überraschende E-Mail ins Postfach. Bis zum Wintersemester 2014/2015 soll er fertig sein mit dem Bachelorstudiengang. Danach werde sein Studienmodell nicht mehr angeboten, heißt es darin.

Jascha Stümmler bei der Stupa-Wahlwerbung

Jascha Stümmler bei der Stupa-Wahlwerbung (Foto:Tobias Dammers)

Grund dafür ist, dass Jaschas „alte“ Studienordnung mittlerweile nur noch ein Auslaufmodell darstellt. Derzeit studieren Lehrämtler mit zwei unterschiedlichen Studienordnungen an der TU: Die einen, wie Jascha, mit dem Modellstudiengang von 2005/2006 und die andere seit dem Wintersemester 2011/2012 mit einer neuen Ausbildungsstruktur (LABG 2009). Schon bald aber wird es Jaschas Modellstudiengang von 2005/2006 nicht mehr geben. Dieser wird dann komplett von der neueren Studienordnung abgelöst.

Was das genau für den Modellstudiengang heißt, kann aber keiner genau sagen. Bei der zuständigen Beratungsstelle „DoKoll“der TU Dortmund (Dortmunder Kompetenzzentrum für Lehrerbildung und Lehr-/Lernforschung) war heute niemand für eine offizielle Stellungnahme bereit. Die Informationspolitik sei noch nicht abgestimmt, heißt es. Nur so viel: es bestehe ein „erhöhter Beratungsbedarf“.

Mehr Informationen wünscht sich auch der AstA-Referent Jascha Stümmler: „Wir stehen wie der Ochs vorm Berge. Die Kommunikation hätte viel eher stattfinden müssen, mindestens drei Semster Vorlaufzeit wären nötig“, sagt er. Denn obwohl beide Studienordnungen ungefähr gleich lang dauern und beide sogar in weiten Teilen gleiche Inhalte vermitteln, sind sie nur bedingt kompatibel.

Ein Wechsel von Modellstudiengang zu neuer Studienordnung ist theoretisch nicht schwierig. Aber in der Praxis gestaltet sich der Wechsel komplizierter, denn die LABG-Studienordnung stellt andere Anforderungen an den Bachelorabschluss als der alte Modellstudiengang. So ist Jaschas Studienordnung aufgeteilt in Haupt- und Komplementärfach. Im LABG 2009 sieht das anders aus – beide Fächer gleich bedeutsam. Würde Jascha jetzt wechseln, hätte er in Mathematik für den Bachelor bereits zu viel studiert, in Informatik und Bildungswissenschaften würden ihm aber noch Scheine fehlen. Scheine, die in seiner Modellstruktur erst im Master erwerbar sind. Ohne diese würde er aber nicht für den „anderen“ Master zugelassen werden. Die Konsequenz: Er müsste sie zuerst nachholen, sein Studium würde noch länger dauern und die Hörsäle würden womöglich noch voller werden.

Aber nicht nur für engagierte Studenten wie Jascha Stümmler ist der Studienordnungswechsel ein Problem. Viele der Lehramtsstudenten, die für ihren Modell-Bachelor länger brauchen als in der Regelstudienzeit vorgesehen, stehen jetzt unter Zeitdruck. Betroffen sind beispielsweise auch Studierende mit Kind, Studenten mit ausgedehnten Auslands- oder Urlaubssemestern oder diejenigen, die neben dem Studium einem Beruf nachgehen.

In Panik verfällt Jascha Stümmler trotzdem nicht. Noch ist nichts endgültig beschlossen, glaubt er und setzt Hoffnungen in die Bemühungen von AstA und Fachschaften. Sein Engagement will der Footballer nicht zurückfahren. Auch heute verbringt er wieder mehr Zeit auf dem Campus als im Seminar. Um auf die Stupa-Wahlen aufmerksam zu machen, steht er vor dem Kulturwissenschaftsgebäude und verteilt Glühwein. Ehrenamtlich.

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