Dortmund ist spätestens seit Anfang dieses Monats zu einer deutschen Drehscheibe der Flüchtlingsbewegung nach Europa geworden. Tausende Menschen, die meisten davon aus Syrien, erreichten in den vergangenen zwei Wochen die Stadt. Alleine in den vergangenen Tagen waren es rund 2500. Was mit den Menschen passiert, wie die Integration in der Stadt gelingen soll und wie die TU sich beteiligt – wir haben die Antworten.
Von Johanna Mack und Feyza Bicakci
Dortmund ist gemeinsam mit Düsseldorf eine zentrale Drehscheibe, von der aus Flüchtlinge in die Einrichtungen anderer Landkreise verteilt werden.
Zusätzlich wird laut Meinders derzeit geplant, eine weitere Erstaufnahmeeinrichtung in Dortmund zu eröffnen. Diese soll in Dortmund-Buschmühle auf dem Parkplatz neben dem Westfalenpark ihren Sitz haben. Damit Dortmund sich auf die Erweiterung der Erstaufnahmekapazitäten kümmern kann, soll nun die Stadt Köln als Drehscheibe bei der Aufnahme von Flüchtlingen dienen. Wie auch vorher schon Dortmund wird sich Köln diese Aufgabe mit Düsseldorf teilen, wie es in einer Presseinformation der Stadt Dortmund heißt.
Vor allem unter den syrischen Flüchtlingen sind viele junge, qualifizierte Menschen. Einige von ihnen könnten den Zugang zu deutschen Hochschulen suchen.
Heißt: Auch Asylbewerber vor Beendigung des Verfahrens oder Inhaber einer Duldung sollen sich für Studienplätze einschreiben können. Im Internet stellt das Ministerium alle notwendigen Informationen für die Flüchtlinge zusammen – auf Deutsch, Englisch, Französisch und Arabisch. Demnach darf gemeinsam mit der Hochschule auch nach Ausnahmelösungen gesucht werden, wenn zum Beispiel Dokumente bezüglich des Schulabschlusses oder eines früheren Studiums im Ausland auf der Flucht verloren gegangen sind.
In einem Interview mit der Wochenzeitung ZEIT kündigte Bildungsministerin Johanna Wanka am Mittwoch, 2400 neue Plätze für Flüchtlinge an Studienkollegs zu schaffen. An Studienkollegs werden Menschen mit ausländischen Abschlüssen auf ein Studium an einer deutschen Hochschule vorbereitet. „Es ist schwer zu sagen, wie viele Flüchtlinge tatsächlich studieren werden. 2400 zusätzliche Plätze sind kein schlechter Anfang“, erklärte die Ministerin.
Fünf Prozent aller Studienplätze sind gemäß des Hochschulzulassungsgesetzes NRW ausschließlich für nicht-deutsche Studierende reserviert. Generell gilt, dass für ein Studium eine gültige Hochschulzugangsberechtigung notwendig ist. Dies kann zu Schwierigkeiten führen, da nicht alle Abschlüsse in Deutschland anerkannt werden. Stimmen sie nicht mit den deutschen Regelungen überein, werden ausländische Abschlüsse in die Kategorien „entspricht“, „gleichwertig“ und „bedingt vergleichbar“ eingeordnet. Die Kultusministerkonferenz bietet auf ihrer Website einen Suchdienst an, mit dem Studieninteressierte herausfinden könne, zu welcher Kategorie ihr Abschluss gehört.
Eine weitere Hürde: Wer ein Studium auf Deutsch beginnen will, muss in aller Regel schon seine Sprachkenntnisse nachweisen, beispielsweise das Goethe-Zertifikat. Das International Office bietet Sprachkurse und -tests an, mit denen die nötige sprachliche Qualifizierung erreicht werden kann. An der TU Dortmund gibt es bisher nur einen rein englischsprachigen Studiengang: den Master „Automation and Robotics“.
Wer zur Finanzierung des Studiums Stipendien und Studienförderungen benötigt, ist beim Deutschen Akademischen Austauschdienst (DAAD) an der richtigen Stelle. Der DAAD vermittelt auch „Young Ambassadorships“, bei denen internationale Studierende den Kontakt zwischen Deutschland und ihrem Heimatland fördern sollen. Förderungen speziell für junge Zuwanderinnen und Zuwanderer bietet auch die Otto-Benecke-Stiftung.
Flüchtlinge, die in ein „echtes“ Studium hinein schnuppern möchten, können sich kostenlos für eine Gasthörerschaft anmelden, normalerweise kostet sie 100€. Als Gasthörer können die Geflüchteten Kurse aus einem oder mehreren Studiengängen besuchen, aber keine Prüfungen ablegen oder Abschlüsse erwerben. Auch ein Semesterticket bekommen Gasthörer nicht, außerdem wirkt sich die Gasthörerschaft nicht auf ihr Asylverfahren aus. Alle Formalia gibt es auf der Webseite des International Office nachzulesen.
„Eine Gasthörerschaft kann jederzeit begonnen werden, nicht nur zu Semesterbeginn“, fügt Eva Prost hinzu. An der TU Dortmund läuft das Projekt erst noch an. Wie groß das Interesse der Flüchtlinge an den Angeboten ist, zeigen Zahlen der Ruhr-Universität Bochum. Dort ist das Projekt „Offener Hörsaal“ für kostenlose Gasthörer schon gestartet. Laut der Bochumer Studierendenzeitung bsz haben sich bereits 300 Flüchtlinge für das Projekt gemeldet.
Außerdem richtet sich die TU Dortmund in diesem Semester mit ihren „Open Courses“ – das sind einzelne Vorlesungen und kulturelle Angebote für externe Interessierte – verstärkt an Flüchtlinge. Info-Flyer und Plakate wurden ins Englische übersetzt und werden nun in Flüchtlingsunterkünften und bei Hilfsorganisationen verteilt. Zu den Open Courses zählen unter anderem die Reihe „Zwischen Brötchen und Borussia“, bei der TU-Professoren jeden Samstag wissenschaftliche Phänomene aus dem Alltag erklären, und die Reihe „Bild und Klang“, die sich in der Reinoldikirche mit Musik-, Kunst- und Stadtgeschichte auseinandersetzt. Auch die Kinder-Uni beteiligt sich an dem Projekt, ebenso wie der Uni-Filmclub. „In den ‚Open Courses‘ können sich Menschen treffen, Interessantes erfahren und Deutsch lernen. Das Angebot richtet sich insbesondere auch an Familien mit Kindern“, erklärt Eva Prost.
Außerdem können Flüchtlinge ab dem kommenden Semester kostenlos Medien aus der Uni-Bibliothek ausleihen und an Bibliotheksführungen teilnehmen, die nun auch auf Englisch angeboten werden. Zudem hat die Bibliothek neue Medien zum Deutschlernen angeschafft.
Nicht nur die Universität als Institution, sondern auch einzelne Studierendengruppen engagieren sich. Am Mittwoch ist das erste Hilfsprojekt der Interkulturellen Hochschulgruppe (IHG) angelaufen: ein Sprachkurs, der Grundlagen des Deutschen vermitteln soll. Zum ersten Treffen kamen 15 Flüchtlinge, in Zukunft werden mehr erwartet. Unterstützt vom AStA, der Juso-Hochschulgruppe und der Hochschulliste „Aktiv“ soll es bald auch Kinderbetreuung und Freizeitangebote geben. Unter anderem kooperiert der Hochschulsport mit der IHG. „Wir möchten den Flüchtlingen den Alltag ein bisschen schöner und leichter machen“, sagt Kamar Aden Omar vom AStA.
Im Rahmen eines Seminars bieten Lehramtsstudierende in den Herbstferien Deutschunterricht für Kinder an. In einer Gesamtschule in Witten organisieren sie unter der Leitung von Germanistikdozent Dr. Erkan Özdil einen „Feriensprachkurs für Flüchtlingskinder“, der den Neuankömmlingen den Schulalltag erleichtern soll. „Selbstverständlich sind darüber hinaus zahlreiche Studierende und Mitarbeiter der TU privat für Flüchtlinge im Einsatz“, vermutet Eva Prost.
Beitragsbild: eigene Collage mit Bildern von Mathias Bige/wikipedia und der TU Dortmund