Duell am Donnerstag: Schottland sagt „NO“

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Es bleibt bei der Vernunftehe – die Schotten haben sich dafür ausgesprochen, dass sie weiter im Vereinigten Königreich von Großbritannien und Nordirland bleiben möchten. Unsere Autoren Nico Hornig und Nora Wanzke waren in dieser Frage ebenfalls geteilter Meinung.

Seid mal ehrlich. Wer hat nicht schon mal England gesagt, wenn er eigentlich Großbritannien gemeint hat? Klar, „Vereinigtes Königreich von Großbritannien und Nordirland“ geht schwer von der Zunge und der Gedanke, dass England und UK eigentlich dasselbe sind, liegt nah.

England dominiert Großbritannien unübersehbar. Dort leben gut 80 Prozent der Briten und London ist das unangefochtene Zentrum des Landes. Zwar haben die Schotten seit 1999 ein eigenes Parlament in Edinburgh, bei Fragen, die in London entschieden werden, haben die Stimmen der gut fünf Millionen Schotten aber kaum Gewicht. Die Abspaltung vom Vereinigten Königreich wäre nur der letzte und konsequente Schritt im schottischen Streben nach Selbstverwaltung.

Dadurch könnten sie endlich die Einnahmen aus den Ölreserven, die heute noch zum Großteil gen Süden fließen, nach eigenen Vorstellungen einsetzen. Die schottische Regierung plant das Geld nach norwegischem Vorbild in einem Pensionsfond anzulegen. Damit würde die Regierung vor allem der schottischen Mentalität Rechnung tragen, die sich eher am kontinentaleuropäischen Sozialstaat orientiert.

Die Schotten wählen traditionell eher links, werden in London aber von Konservativen regiert, die bei der letzten Unterhauswahl nur in einem der 59 schottischen Wahlkreise ein Mandat holen konnten. 
Auch in der Außenpolitik würde sich ein unabhängiges Schottland wohl stark von Rest-Britannien unterscheiden. Die schottischen Sezessionisten waren von Beginn gegen eine britische Beteiligung am Irakkrieg. Außerdem streben sie ein atomwaffenfreies Schottland an. Das würde mit einem Abzug der britischen Atom-U-Boote aus Schottland einhergehen.

Durch eine Abspaltung könnten die Schotten auch ihr Gewicht in Brüssel erhöhen. Zur Zeit schickt der britische Landesteil sechs Abgeordnete ins Europaparlament, genauso viel wie das mit gut 400.000 Einwohnern deutlich kleinere Malta. Als souveräner Staat könnte Schottland deutlich mehr Abgeordnete ins Europarlament entsenden. Dass die Schotten traditionell EU-freundlicher als ihre südlichen Nachbarn sind, würde dabei allen Europäern zugute kommen. 


Zwar birgt die Abspaltung auch einige Risiken, besonders bei Fragen nach der zukünftigen Währung und der EU-Mitgliedschaft eines unabhängigen Schottlands, aber gerade das eröffnet dem Chef der Scottish National Party, Alex Salmond, auch einen großen Verhandlungsspielraum. Denn ob London und Brüssel in ihren Positionen immer noch so stur sind, wenn es hart auf hart kommt, steht keinesfalls fest. Dass Salmond die Interessen Schottlands durchzusetzen weiß, hat er bereits bewiesen. Als er 2012 David Cameron dazu brachte, dem Referendum zuzustimmen.



Liebe Schotten, bitte setzt euer Kreuzchen vor dem „NO“! Ihr würdet euch mit der Abspaltung von Großbritannien nur ein Eigentor schießen und ganz Europa mit reinziehen. „Free Scotland“. Schön und gut. „Soziale Einstellungen“. Super. Aber was sind all die idealen Werte gegen eine wirtschaftliche Katastrophe?

Es sind so viele Fragen ungeklärt: Wie wird die Währung geregelt, wer übernimmt das Staatsoberhaupt und was passiert mit Schottlands Rolle in Europa und der NATO? Klar, der Kopf der Scottish National Party (SNP), Alex Salmond, verspricht eine Währungsunion mit England, Oma Lisbeth soll weiterhin die Königin bleiben und auch die Mitgliedschaft in der EU ist sicher. Wäre da nicht die Kränkung der Engländer. Der britische Notenbankchef Mark Carney hat schon eine Währungsunion verneint. Und da fängt es an: Konzerne haben angekündigt ihre Standorte nach England zu verlegen. Auch Vorstandschef des Ölkonzerns BP Bob Dudley will in einem eigenständigen Schottland keine weiteren Investitionen tätigen.

Jeder sechste Schotte arbeitet in England und der größte Warenabnehmer der schottischen Unternehmer sind die Bewohner des Südens der Insel. Auch die Banken wie Lloyds und Royal Bank of Scotland wollen ihre Hauptsitze nach London verlegen. Aus einem ganz einfachen Grund: 90 Prozent der Kunden sind Engländer.

Übernimmt Schottland das Britische Pfund, könnte die Regierung keine eigene Währungspolitik fahren. Und das ist ein Grund, warum sich die Schotten abgrenzen wollen. Aber der Euro ist unter dem keltischen Volk auch verpönt. Was soll die Lösung sein?

In London und Brüssel sträuben sich derweil die Nackenhaare. Schottland ist ein Präzedenzfall der EU. So etwas hat es noch nicht gegeben. Nach Artikel 49 des EU-Vertrages müsste sich das unabhängige Schottland ganz normal bewerben. Eine Aufnahme muss einstimmig von allen Mitgliedstaaten bewilligt werden. Als würden Camerons Vertreter in Brüssel nach solch einer Schmach dies befürworten. Die Konsequenz für Schottland: Ein wirtschaftlicher Nachteil auf dem Markt.

Einige Juristen finden, dass Schottland jetzt schon zur EU gehöre und über eine Neuaufnahme nicht zu diskutieren sei. Sezessionen sieht Junkers Parlament aber gar nicht gerne. Würde man einmal ein Auge zudrücken, müsse man dies in Zukunft auch machen. Im November steht schon das zweite Referendum an: Katalonien will sich von Spanien lösen. Am besten folgen dann auch noch Bayern und Südtirol.

Und da lauert noch die Gefahr im restlichen Großbritannien: Schon seit Jahren fordern die Bürger den Austritt aus der EU. Die europafreundlichen Schotten haben Premierminister David Cameron jahrelang bei den Abstimmungen gerettet. Würde das eintreten, stehen knapp 500 Millionen Europäer wegen fünf Millionen Schotten vor einer neuen Krise. Wohin die führt, bleibt wie immer open end.

 

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Foto: stockxchng/bizior, Teaserfoto: Andreas Roß  / pixelio.de, Montage: Steinborn/Schweigmann 

2 Comments

  • Alfonso sagt:

    Es ist eine sehr schwierige Situation – beide Seiten haben nachvollziehbare Argument, von daher sehe ich keinen eindeutigen „Gewinner“. Käme beim Referéndum dasselbe Ergebnis heraus, bliebe Schottland Teil des UK. Und ich glaube, aller eventuellen Vorteilen zum Trotz, dass das das Beste sowohl in wirtschaftlicher Hinsicht für Schottland als auch in gemeinschaftlicher Sicht für Europa ist.

  • Barbara Kraus sagt:

    Bin genau Deiner Meinung

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