Duell: Public Viewing oder zu Freunden?

das-duell-lena-alex Für viele ist es in diesen Tagen eine Glaugensfrage: Zum Public-Viewing oder vor dem heimischen Fernseher Fußball gucken? Unsere pflichtlektüre-Autoren Lena Beneke und Alexander Koch diskutieren mit.

Public Viewing
zu Freunden
Fußballgucken? Wenn, dann richtig! Das sogenannte Public Viewing lässt sich seit der WM 2006 aus der Fußballwelt nicht mehr wegdenken – und das zu Recht. Denn wer will schon in einem muffig-kahlen Wohnzimmer mit einem Bier und einer Tüte Chips vor der Mattscheibe kleben, wenn man ebenso gut auf dem Dortmunder Friedensplatz mitjubeln könnte? Couch-Potatoes, verkleidet mit Deutschlandschal und Bierfahne, sind entweder keine wirklichen Fans, oder aber waren noch nie bei einem Public Viewing und wissen daher nicht, was sie versäumen.In Dortmund haben die BVB-Siege zu einer ausgeprägten Public Viewing Kultur geführt. Die Stadt bietet zur Fußball Europameisterschaft an mehreren Orten das „Rudel-Gucken“ an: Auf dem Friedensplatz, „Herr Walter“ im Hafen und im Westpark gibt es alle EM-Partien zu sehen. Die Großmarktschänke, das FZW und das View im Dortmunder U zeigen die deutschen Spiele. Auch die Westfalenhalle zeigt die Spiele der deutschen Elf. Vor der größten Leinwand in Dortmund (7 x 13 Meter Fläche) sollen etwa 13.000 Fans Platz finden. Ausgelassene Stimmung? Vorprogrammiert!


Stimmung Zuhause? Fehlanzeige!

Ein ach so „chilliger“ Abend auf der Couch mag hin und wieder ganz nett sein, aber aus Gemütlichkeit die unglaubliche Atmosphäre zu verpassen – die nun einmal das Public Viewing ausmacht – wäre schlichtweg eine Verschwendung von Lebenszeit.

Wie wirkliche Freude und Fußballbegeisterung aussehen, hat schließlich das Double der Borussia gezeigt. Fan-Gesänge und Vereinsfarben dominierten das Stadtbild, wohin das Auge blickte.

Klar ist: Zusammen feiert es sich besser. Doch das Fußball-Schauen im XXL-Format bringt noch andere Seiten mit sich. Ein Gefühl der Zusammengehörigkeit hat sich bei Fans gebildet. Public Viewing und das neue, gemeinschaftliche Fan-Sein ist seit der WM 2006 nicht mehr wegzudenken. Das Land ist stolz. Stolz auf die Leistungen seiner Mannschaft.

Fußball vereint die Menschen

Stolz sein auf sein Land und auf seine Elf. Dafür ist zwar eine gewisse Abgrenzung zum anderen Team nötig, aber beim Spielen begegnen sich Fans gegenseitig. Der Fußball führt Menschen zusammen. Er überwindet Hindernisse. Er baut Brücken zwischen den Fans und zwischen ganzen Nationen. Kurz: Fußball verbindet und schafft neues Verständnis der Menschen füreinander und für ihr Land.

Doch dieser Austausch geschieht nicht im heimischen Wohnzimmer zwischen Couch, Kühlschrank und Badezimmer. Ausgelassene Stimmung und wirklichen Austausch findet der Fußball-Fan nur beim Public Viewing.

„Tooooor für Deutschland“. Jubel – Trubel – Heiterkeit! Alles tanzt und freut sich. Jetzt ein schönes kühles Bier aus dem Kühlschrank, und dieser Moment ist perfekt. Kühlschrank? Welcher Kühlschrank? Inmitten eines riesigen schwarz-rot-goldenen Menschen-Pulks vor einer großen Leinwand steht kein Kühlschrank! Public Viewing ist angesagt. Um an das ersehnte Bier zu gelangen, muss man sich erst einmal den langen Weg durch die Massen zum Rand, zu den „Trink- und Fressständen“ bahnen. Dann fällt der Blick auf die Preisliste: 3,50 Euro für ein 0,3 Liter? Ist das deren Ernst? Der Gedanke ist unvermeidbar: „Hättest du mal nur…“

My home is my castle

Genau, hättest du mal nur zuhause auf der Terrasse ein eigenes Rudelgucken gestartet. So einfach kann es sein, ohne auf Spaß und Gesellschaft verzichten zu müssen: 
Schnell den heimischen Grill aufgebaut, Stühle oder Sofa samt Fernseher rausgestellt, die besten Freunde eingeladen und schon kann das Spiel der eigenen Mannschaft angepfiffen werden. Zusätzlich ist man auch noch wetterunabhängig. Regen? Dann macht man es sich eben drinnen auf dem Sofa oder mit Kissen und Decken auf dem Boden vor dem Fernseher gemütlich. Draußen wie drinnen: Immer in erster Reihe und wohlwissend, der Kühlschrank ist in der Nähe.

Rudelgucken für „arme“ Studenten

Den Freundeskreis komplett regelmäßig zu sehen ist nicht einfach: Das Studium, der Nebenjob und überhaupt der alltägliche Wahnsinn. Umso schöner, wenn man anlässlich eines Fußballspiels seine besten Freunde vereint. Da ist die gute Stimmung doch schon fast ein Selbstläufer. Die Versorgung genauso. Hier gilt die Devise: Jeder steuert zum Abend etwas bei und bringt auf dem Hinweg einfach etwas vom Supermarkt mit. So wird der Kauf von Fleisch, Getränken und Knabberzeug fair aufgeteilt.
Für das Geld, das jeder Einzelne ausgibt, erhält man bei dem Public Viewing maximal drei kleine Getränke. Hier gibt es dagegen das komplette Programm, und zwar ohne lange Unterbrechungen und ohne die Angst, etwas vom Spiel zu verpassen.

Mit Freuden und Freunden das Spiel genießen

Apropos Unterbrechungen! Der Wert der eigenen – sauberen! – Toilette ohne Warteschlange ist sicher nicht zu unterschätzen. Aber nicht nur den heimtückischen Fallen wie mangelndem Bier- und Getränkenachschub und den immer zu weit entfernten Toiletten ist man entgangen, betrunkene und pöbelnde Fans hat man sich auch erspart. Die Voraussetzungen für einen schönen Fußballabend sind also geschaffen. Fehlt nur noch? Genau! „Tooooor für Deutschland“. Jubel – Trubel – Heiterkeit! Alles tanzt und freut sich. Jetzt ein kühles Bier aus dem Kühlschrank, und dieser Moment ist perfekt. Prost!

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Foto: stockxchng/bizior, Montage: Steinborn/Schweigmann

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