Duell am Donnerstag: Sind nachgelagerte Studiengebühren sinnvoll?

Die FDP will sie unbedingt, in der Union ist man sich uneinig und Rot-Grün hatte sie einst abgeschafft: die Studiengebühren in NRW. Doch vom Tisch ist die „Campus-Maut“ damit noch lange nicht. Aktuell werden nachgelagerte Studiengebühren von der FDP gefordert und im wohl nächsten Ministerpräsidenten Armin Laschet haben die Liberalen dabei einen prominenten Unterstützer, der in dieser Frage seine Parteibasis aber nicht hinter sich geeint hat. Sollte Schwarz-Gelb wie erwartet das kommende NRW-Kabinett bilden, müssen wir vielleicht doch wieder mit Studiengebühren rechnen. Nicht nur die Parteien sind sich uneinig, ob das Sinn macht – sondern auch unsere Autoren Julian Olk und Thorben Lippert.

Zur Einordnung: Die FDP fordert in ihrem Wahlprogramm zur Landtagswahl, den Hochschulen die Möglichkeit zu geben, sogenannte nachgelagerte Studiengebühren einzufordern. Diese sind, wie der Begriff vermuten lässt, erst nach Abschluss des Studiums fällig. Sie sollen als prozentualer Anteil des Einkommens erhoben und bei 500 Euro gedeckelt werden. Die Einnahmen seien „zweckgebunden für Qualitätsverbesserungen der Studienbedingungen wie etwa zusätzliche Tutorien zu verwenden“, heißt es in dem Papier.

„Nicht nur notwendig, sondern fair“,

meint Julian Olk.

Auch wenn Union und FDP sie 2006 erstmals eingeführt hatten – mittlerweile ist wohl auch in der letzten Ecke des CDU-Wirtschaftsflügels und beim letzten Jünger von Christian Lindner angekommen, dass allgemein erhobene Studiengebühren in absehbarer Zeit nicht mehr mehrheitsfähig werden. Hinter das neue Konzept der nachgelagerten „Campus-Maut“ lohnt sich aber ein genauerer Blick.

Soziale Ader auf Abwegen

Studieren bliebe mit nachgelagerten Gebühren anfangs kostenfrei. Erst bei einem erfolgreichen Abschluss und einem angemessen entlohnten Job würde die „Uni-Taxe“ greifen. Studienabbrecher oder solche, die trotz eines akademischen Grades in prekären Umständen leben, wären von der Zusatzbelastung nicht betroffen. Nachgelagerte Studiengebühren würden wie staatliche Transferleistungen wirken: Man nimmt denen etwas, die es sich leisten können und reinvestiert es ohne Umwege in die Bildung nachfolgender Generationen.

Vielleicht ist es Zufall, wohl eher aber Fügung, dass SPD und Grüne im NRW-Wahlkampf ausgerechnet mit der strikten Ablehnung dieser klassisch linken Position derart krachend gescheitert sind.

Finanzierung dringend benötigter Investitionen

Dass Nordrhein-Westfalen zwingend Mehreinnahmen generieren muss, um die Attraktivität des Landes als Bildungsstandort zu erhalten, ist ein alter Hut. Das Land weist mit über 11.000 Euro pro Kopf die dritthöchste Verschuldung aller Flächenländer (also ohne Bremen, Hamburg und Berlin, die Sonderfälle darstellen) der Bundesrepublik auf. Es kursieren Schätzungen, dass die drei Milliarden Euro, die die Landesregierung bis 2020 in die Hochschulen investieren will, bei weitem nicht reichen. An der Technischen Universität Dortmund stammen die meisten Bauten aus den 1960er-Jahren. Allein die fällige Sanierung der TU würde demnach bereits die veranschlagten drei Milliarden Euro verschlingen.

Das ewige Argument, dass Bildung zwingend kostenlos sein muss, greift weiter nicht. Bildung ist zwar ein Menschenrecht – so steht es in Artikel 13 des Internationalen Pakts über wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte. Doch auch das Recht auf Nahrung ist darin verankert. Den BRD-Aldi, der seine Ware verschenkt, gibt es trotzdem nicht.

Fairness zwischen Arzt und Pfleger

Gleichzeitig würden die Gebühren weitreichend Gerechtigkeit zwischen diversen Bildungsklassen herstellen. Wer Arzt werden will, braucht dafür erst einmal nur gute Abschlussnoten. Ausbildungen für Pflegeberufe hingegen können Belastungen von mehreren Hundert Euro monatlich mit sich bringen. Dass sich das einmal in der Vergütung dieser beiden Berufsgruppen ebenso widerspiegelt, ist schier realitätsfremd. Kurios, dass sich die Sozialdemokraten dagegen sperren, wo doch in den Reden ihres Kanzlerkandidaten Martin Schulz selten Phrasen zu finden sind, in denen der Begriff „Gerechtigkeit“ nicht Platz in jedem zweiten Satz findet.

Die abgedroschene Phrase der „Win-Win-Situation“ findet wohl selten so passende Anwendung wie beim Prinzip der nachgelagerten Gebühren: Sie sind ökonomisch von Notwendigkeit und sozial angebracht. In der Oppositionsrolle haben SPD und Grüne die nächsten fünf Jahre genügend Zeit, sich dem klar zu werden.

„Noch mehr Schulden für’s Studium“,

findet Thorben Lippert.

16 Bundesländer gibt es bekanntlich in Deutschland – keins davon erhebt zur Zeit Studiengebühren. Vor gar nicht allzu langer Zeit schaffte Niedersachsen sie als letztes Bundesland ab, nachdem sich Bürger jahrelang vehement gegen die Gebühren aussprachen. Inzwischen mogelt sich im Nachbarland Nordrhein-Westfalen die FDP aber mit einem neuen Konzept wieder an die Gebühren-Front. Und nachgelagerte Beiträge klingen im ersten Moment sogar fair.

Nachgelagerte Studiengebühren – klingt doch fair?

Denn was spricht schon dagegen, als gutverdienender Arzt oder als Ingenieurin einen kleinen Obolus an Papa Staat zu bezahlen? Ein paar Schulden nach dem Studium sollten da nicht jucken. Schließlich ist so eine Hochschule ja für die Regierungen eine teure Sache. Aber: Problematisch bei den Studiengebühren ist nicht die Zeit nach dem Abschluss, sondern vielmehr die Entscheidung zu einem Studium. Denn dabei spielen viele Aspekte eine Rolle. Natürlich auch finanzielle. Und falls Mama und Papa eben nicht Arzt und Ingenieurin sind, ist ein Studium schon jetzt für manche eine Belastung. Schließlich gibt es Semesterbeiträge, eventuell braucht es eine eigene Wohnung oder ein WG-Zimmer.

„Halt!“, werden jetzt einige schreien, „Dafür haben wir doch BAföG!“ Und in der Tat, BAföG soll auch Studienanfängern aus finanziell schwierigeren Verhältnissen einen Abschluss ermöglichen. Zurückzahlen muss man trotzdem ein bisschen. Und das ist manchmal schon ein Grund dafür, kein Studium aufzunehmen.

Schulden schrecken Studierende ab

Als 2008 der Krieg um die Studiengebühren noch tobte, brachte das Hochschul-Informations-System (HIS) eine Erhebung über Studiengebühren aus der Sicht von Studienberechtigten heraus. Der Inhalt war schon damals für Gebühren-Befürworter brisant. CDU-Bundesbildungsministerin Annette Schavan etwa hielt offenbar die Veröffentlichung der Ergebnisse zurück.

Und die besagen Folgendes: Von den Studienberechtigten, die kein Studium aufgenommen hatten, führten mehr als ein Fünftel die Schulden für BAföG als Grund auf. Und die damals aktuellen Studiengebühren waren gar für ein Viertel ein ausschlaggebender Grund für den Studienverzicht. Wenn also schon BAföG abschreckend wirkt, werden auch nachgelagerte Studiengebühren in den Köpfen von finanziell benachteiligten Studienanfängern herumspuken. Denn die Beiträge sind – einfach betrachtet – auch nicht viel mehr als Schulden.

Druck auf Studierende wächst

Und noch etwas macht die Gebühren gefährlich. Muss ein Studierender während seines Studiums Arbeitsmarktverschlechterungen in seiner zukünftigen Branche wahrnehmen, ist ein Fachwechsel eine teure Angelegenheit. Schließlich muss man später dann für etwas zahlen, was im neuen Beruf gar nicht mehr relevant ist.

So fair können die nachgelagerten Studiengebühren also doch nicht sein. Zwar ist eine Beteiligung gutverdienender Studierter ein Gewinn, Chancengleichheit darf dabei aber nicht der Wetteinsatz sein. Denn selbstbestimmtes und lebenslanges Lernen sollte für Alle möglich sein.

das-duell-feederFoto: stockxchng/bizior, S. Hofschlaeger/pixelio.de, Montage: Brinkmann/Schweigmann

 
Teaserbild: flickr.com/photos unter Verwendung der CreativeCommons-Lizenz

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