„Die meisten hab‘ ich halt ausgeknockt“

Acht Kämpfe, acht Siege, sechs davon durch K.O. Wenn man Christina Hammer fragt, wie sie das angestellt hat, sagt sie: „Die meisten hab‘ ich halt ausgeknockt.“ So einfach geht das also. Eine Knock-Out wäre ihr auch heute Abend in Ljubljana ganz recht. Einen Monat vor dem Kampf hat unser Reporter Fabian Karl die Boxerin beim Training besucht.

Direkt unter der Südtribüne befindet sich die Boxhalle, in der Christina Hammer trainiert. Foto: Matthis Dierkes

Die Poster an den Wänden zeugen von erfolgreichen Tagen. Die jetzigen sind noch erfolgreicher. Foto: Matthis Dierkes

Dortmund Mitte Januar ist schockgefrostet. Kein Schnee. Dafür Kälte, die einem beim Atmen in der Nase schmerzt. Es ist kurz nach vier Uhr und der kleine schwarze Wagen mit den Sponsorenaufklebern an der Seite, der auf dem Parkplatz an der Südtribüne hält, kann eigentlich gar nicht Christinas sein. Doch er ist es. Sie ist fünfzehn Minuten zu früh und hat das Klischee vom Trainingsfleißigsten, der zuerst kommt und zuletzt geht, zumindest schon mal zur Hälfte erfüllt. Auf dem Weg zur Trainingshalle, die sich in den Katakomben direkt unter der Südtribüne befindet, frage ich sie, zu welcher Musik sie denn einlaufe. „Du bist Hammer von Culcha Candela“, sagt sie. Keine Wortspiele mit diesen Namen denke ich und muss an die Schlagzeile in der Zeitung mit den vier Großbuchstaben denken. Die titelte vor ihrem Weltmeisterschaftskampf im Oktober: „Sexy Christina holt den Hammer raus.“ Das hat sie dann auch gemacht. Seitdem ist sie WBO-Weltmeisterin. Neben dem WBO-Titel (World Boxin Organization) gibt es noch vier weitere Weltmeistertitel. Irgendwann einmal „Super-Champion“ zu sein, also alle fünf Titel zu gewinnen, das ist Christinas Traum.

„Sie hat den Willen, will kämpfen und hat keine Angst“

Dimitri Kirnos (75) ist seit zwei Jahren Christinas Trainer. Foto: Matthis Dierkes

Dimitri Kirnos (75) ist seit zwei Jahren Christinas Trainer. Foto: Matthis Dierkes

Während Christina sich „boxfein“ macht, gehe ich schon mal in die Halle. Zwölf Boxsäcke hängen an der Decke, ganz hinten ist ein kleiner Ring. Die Wände sind tapeziert mit Postern aus vergangenen Tagen. Unter den milchschnittenerweichenden Blicken von Vitali und Wladimir, die natürlich auch ihren Platz an den Wänden der Halle haben, sitzt Dimitri Kirnos. Er ist seit zwei Jahren Christinas Trainer und ein Boxurgestein. Seit 60 Jahren sei er jetzt im Boxgeschäft, erzählt er. Angefangen habe er als Jugendlicher in der Ukraine, später habe er dann sein Sportdiplom in Kiew gemacht und in den Neunzigern sei er nach Deutschland gegangen. Ich frage ihn nach Christinas Erfolgsrezept und der Mann, der sonst immer lächelt, wird auf einmal ganz ernst: „Sie hat den Willen, will kämpfen und hat keine Angst“, sagt er. Und sie hat ihn.
Gekreuzt haben sich die Wege von Dimitri Kirnos und Christina in Eschwege in der Nähe von Kassel. Hier fing Christina als 15-jährigen mit dem Boxen an und hier trainierte auch Dimitri Kirnos. Während er 1998 nach Dortmund wechselte, gewann Christina Kampf für Kampf. Ihre Bilanz: Deutsche Meisterin, 20 Kämpfe ungeschlagen. Vor zwei Jahren dann die Entscheidung Profi werden zu wollen. Der passende Trainer war schnell gefunden: Dimitri Kirnos. Bei einem Treffen mit Christinas Eltern hat Kirnos dann sein Wort gegeben: „In zwei Jahren machen ich sie zum Profi.“ Das hat er.
2009 zog Christina nach Dortmund. Freunde und Familie hat sie in Eschwege zurückgelassen. Wenn man sie fragt, ob ihr das nicht schwergefallen sei, das alles zurückzulassen, sagt sie nur: „Ich bin da nicht so der Typ“, und fügt hinzu: „Für mich war immer klar: Ich will Profiboxerin und Weltmeisterin werden.“

„Boxen hat keine Grenzen. Jeder muss trainieren, um besser zu werden.“

Sechs- bis siebenmal die Woche trainiert Christina. Foto: Matthis Dierkes

Sechs- bis siebenmal die Woche trainiert Christina. Foto: Matthis Dierkes

Profixboxen. Das bedeutet für Christina sechs- bis siebenmal die Woche Training. Morgens zwei Stunden Kondition, abends zwei Stunden Technik. Nebenbei macht sie ihr Abitur am Westfalen-Kolleg. Heute hat sie extra eine Sparringspartnerin eingeladen. Schon nach dem ersten Schlag tut sie mir leid.
„Angriff ist die beste Verteidigung.“ So lautet Christinas Motto und so boxt sie auch: aggressiv und enorm schlagkräftig. Eine gute Physis habe sie, sagt Kirnos, nur manchmal sei sie noch etwas zu behäbig. Ob es noch weitere Schwächen gebe, frage ich. „Nein, das ist keine Schwäche“, sagt Kirnos. „Boxen hat keine Grenzen. Jeder muss trainiere, um besser zu werden“, erklärt er.
Während Christina mit ihrer Sparringspartnerin Katz und Maus im Ring spielt, üben die anderen zwölf Jungs und zwei Mädchen in der Boxhalle Schlagtechniken. Während Kirnos Christinas Sparring begutachtet, hat ein älterer Junge das Training übernommen. „Arbeite, steh‘ nicht rum wie ein Mädchen“, sagt er zu einem kleinen Jungen und faltet dessen Ego damit auf Briefmarkengröße. Auf die Frage, ob es nicht manchmal anstrengend sei, so erfolgreich in einer Männerdomäne zu sein, antwortet Christina diplomatisch: „Neid spielt immer eine Rolle im Boxen. Das gehört dazu. Aber ich denke, alle gönnen es mir.“

„Ich denke immer, dass ich gewinne. Wenn nicht ich, wer dann?“

"Ich denke immer, dass ich gewinne", sagt Christina einen Monat vor dem Titelkampf. Foto: Matthis Dierkes

Am 18. Februar bestreitet Christina ihren neunten Profikampf: Die Titelverteidigung gegen Diana Kiss. Foto: Matthis Dierkes

Nach dem Training bleibt noch Zeit für ein paar Fragen in der Kabine. Jetzt, knapp einem Monat vor dem Kampf, werde sie immer gieriger auf den Fight, sagt Christina. Gierig in den Ring zu steigen und zu zeigen, dass auch ein Mädchen hart zuschlagen kann.
Ob sie sich siegessicher fühle, will ich wissen. „Ich denke immer, dass ich gewinne“, sagt sie. „Wenn nicht ich an mich glaube, wer macht es dann?“ Wie zum Beweis für ihr Selbstbewusstsein zeigt sie ihre Tätowierung am linken Unterarm. Sie hat sich das Tattoo direkt nach dem Weltmeistertitel stechen lassen. Es steht für ihren Traum: Super-Champion werden.
Den Traum – wie manch andere Boxer – bei Olympia 2012 in London dabei zu sein, hat sie nicht. Das müsse jeder für sich entscheiden und sie habe sich eben dagegen entschieden. „Im Profiboxen verdient man ja auch deutlich mehr“, sage ich. „Das war auch der entscheidende Punkt“, sagt sie lachend. Wie viel sie genau mit dem Boxen verdient, verrät sie nicht.
Nach drei Stunden geht das Tor des Signal-Iduna-Parks auf. Christina fährt nach Hause und hat damit das Klischee vom Trainingsfleißigsten voll erfüllt. Sie ist die Letzte die geht.

Update: Am 18. Februar hat Christina ihren WBO-Weltmeistertitel im Mittelgewicht (bis 72,5 Kilo) erfolgreich verteidigt. Mehr noch. Durch technischen KO-Sieg in der achten Runde gegen Diana Kiss ist sie nun auch noch die amtierende WBF-Weltmeisterin.

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