Duell am Donnerstag: Der Thermomix – Rettung für Koch-Dummies oder überteuerte Küchenhilfe?

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Kaum ein anderes Kultprodukt spaltet die (Konsum-)Gesellschaft so wie dieses: Um den Thermomix – die multifunktionale Küchenhilfe aus dem Hause Vorwerk – ist ein Hype ausgebrochen. Wer einen Thermomix sein Eigen nennt, kann in der Küche eine Niete sein und trotzdem im Handumdrehen ein anständiges Drei-Gänge-Menü kreieren. Das erleichtert nicht nur Hausfrauen den Alltag, sondern auch dem ein oder anderen Studenten, sofern er genügend Kleingeld übrig hat. Aber nicht alle lassen sich vom Charme des klobigen Alleskönners einnehmen.

„Ein herbeigesehnter Mitbewohner,

findet Sophia Averesch.

Schlicht und unauffällig sieht er aus. Nicht besonders groß, nicht besonders breit. Auf den ersten Blick wirkt er wie jede andere Küchenmaschine. Und trotzdem ist er so heiß begehrt wie kein anderer. Der Thermomix – ein Alleskönner, ein Multitalent.

Er kann das, was sonst nur Rührstab, Pürierstab, Kochplatte und Mixer mit vereinten Kräften schaffen: zerkleinern, wiegen, dampfgaren, emulgieren, kneten, kochen, erhitzen, mahlen, mixen, schlagen und rühren. Stolze zwölf Funktionen in nur einer Maschine.

Eine Bedienungsanleitung fürs Kochen

Ganz zu Anfang wird entschieden, welches Gericht mithilfe des Thermomix gekocht werden soll. Der Trick ist ein „Rezept-Chip“ im Thermomix, auf dem die Anleitungen zu den verschiedenen Gerichten gespeichert sind. Über das Display kann das Wunschgericht im Inhaltsverzeichnis ausgewählt werden – es werden außerdem Angaben zu Nährwerten, Zeitaufwand oder mögliche Variationen des Gerichtes angezeigt.

“Guided Cooking Funktion“ heißt das Zauberwort.  Mit dieser Funktion wird Kochen und Backen zum Kinderspiel – Schritt für Schritt führt der Thermomix durch das Rezept. Er wiegt die Menge der Zutaten ab, stellt automatisch die Zeitdauer und die passende Temperatur ein und empfiehlt die passende Drehzahl. Fast so, als würde Mutti daneben stehen, einem helfen und Anweisungen geben. Wird alles beachtet, dann kann selbst der größte Kochmuffel ein Drei-Sterne-Menü zaubern.

Für die erfahrenen Köche gibt es zusätzlich noch den manuellen Modus – da kann der Kochlöffel ganz nach der eigenen Nase geschwungen werden.

Ein Babysitter fürs Essen

Die Suppe kocht gerade auf dem Herd, da klingelt es plötzlich an der Haustür.  Die Tür öffnen und die Suppe unbeaufsichtigt köcheln lassen? Riskant. Kochen ist stressig. 

Der Thermomix spart Zeit. Während die Suppe kontrolliert unter einer konstanten Temperatur im Thermomix kocht, kann man ganz entspannt die Küche verlassen. Die Zeit, die sonst am Herd verbracht wird, kann anders genutzt werden. Effizienter. Der Thermomix passt schon auf – wie ein Babysitter fürs Essen.

Ein Küchengerät, ein Kochbuch und ein Einkaufszettel

Der Thermomix ist nicht nur auf den stressigen Alltag eingestellt, er ist auch digital und modern. Ein Kind unserer Zeit eben.

Über das Online-Rezept-Portal lassen sich Rezepte einfach speichern, ganze Mahlzeiten organisieren und Einkaufszettel schreiben. Und wenn beim Einkaufen im Supermarkt gerade nach einem bestimmten Rezept aus der eigenen Seite gesucht wird, dann lässt sich darauf auch mobil über die App zugreifen.

Der Thermomix hat einen Hype im Netz ausgelöst: Etliche Hobby-Köche bloggen über ihre eigenen Thermomix-Erfahrungen oder laden auf YouTube eigene Kochshows mit dem Wundergerät hoch. Der Star der Kochshow ist nicht der Koch, sondern der Thermomix.

Auf dem Wunschzettel: Thermomix

Für die Hausfrau ist er der Retter in der Not, wenn man gerade von der Arbeit kommt und in 30 Minuten ein Mittagessen auf dem Tisch stehen muss.

Für Studenten ist er der lang ersehnte Mitbewohner, der endlich kochen kann. Und zwar nicht nur Tütensuppen oder Nudeln mit Ketchup. Es muss als Student ja nicht das neueste Gerät sein: egal ob von der Großtante geerbt oder auf dem Flohmarkt ergattert.

Nie wieder Tiefkühlpizza

Für einen Koch-Legastheniker wie mich ist es eine Investition fürs Leben. Für die eigenen Geschmacksnerven und die Gesundheit. Nie wieder Tiefkühlpizza und „Aufbackbrötchen“.

Eine Investition, die ich mir jetzt allerdings noch nicht leisten kann. Und sollte ich nicht das richtige Schnäppchen auf dem Trödelmarkt finden – ich bin mir sicher: In gut zehn Jahren wird das Gerät auch bei mir in der Küche stehen. Schlichter und unauffälliger als jetzt schon. Und wahrscheinlich noch talentierter.

 

 

„Ein überteuertes Statussymbol“

findet Judith Wiesrecker.

Es ist ein exklusiver Klub und die Mitgliedschaft kostet 1109 Euro. Wer einen Thermomix sein Eigen nennen möchte, muss erst einmal tief in die Tasche greifen. Doch dafür kann das gute Stück auch zaubern und das ist ja wohl unbezahlbar. Vor allem aber zaubert es dem Besitzer ein seliges Lächeln ins Gesicht. Denn denken muss man beim Kochen mit dem Thermomix nicht mehr viel. 

Der besondere Zauber, den der Thermomix versprüht, fängt schon beim Vertrieb des Produkts an. Denn man kann ihn nicht einfach im nächsten Laden kaufen und auch nicht im übernächsten. Dort ist die sagenumwobene Küchenhilfe nicht zu finden. Das wäre auch zu einfach, zu normal, zu Durchschnitt. Weder im Einzelhandel noch per Online- noch über Tele-Shopping sind diese Geräte erhältlich. 

Repräsentantinnen gestalten „Erlebniskochen“

Nein, beim Thermomix läuft das ähnlich wie bei den fröhlichen Tupper-Partys: Auf privaten Vorführungen bei potentiellen Kunden zeigen ausgebildete „Repräsentantinnen“ – typischerweise Hausfrauen, die den Thermomix bereits selbst ausgiebig getestet haben – was die Geräte drauf haben. Von Schneiden über Mixen bis Dampfgaren. „Erlebniskochen“ nennt das der Hersteller.

Rund 9.000 Repräsentantinnen ziehen laut Vorwerk mittlerweile in Deutschland von Haushalt zu Haushalt und machen im Freundeskreis authentische Werbung für das Zauberprodukt. Sie verdienen durch Provisionen. Ein raffiniertes Marketing-System, das offenbar funktioniert.

Wo bleibt der Lerneffekt?

So hat sich in den vergangenen Jahre ein regelrechter Thermomix-Boom entwickelt: 2014 hat das Wuppertaler Unternehmen Vorwerk laut dem Handelsblatt so viele seiner smarten Küchenhilfen verkauft wie noch nie zuvor. 1961 kam das erste Gerät auf den Markt. Heute müssen Interessenten teilweise mit Wartezeiten von drei Monaten rechnen.

Im Internet gibt es Facebook-Gruppen zum gegenseitigen Austausch und jede Menge Koch-Videos auf Youtube – 152.000 Suchergebnisse mit dem Stichwort „Thermomix“, um genau zu sein. Wieso dieser Hype um ein überteuertes Statussymbol? Haben diese Leute alle keine Lust mehr auf vernünftiges, altmodisches, bodenständiges Kochen?

Der Thermomix übernimmt nicht nur wesentliche Aufgaben beim Kochen, sondern auch das Denken und die Verantwortung für das Gelingen des Gerichts. Das klingt im ersten Moment toll und entspannt. Aber wo bleibt da der Lerneffekt?

Man lernt doch fürs Leben

Ich bin selbst kein großes Koch-Genie, doch bin ich lernfähig und lernwillig. Denn, je öfter man (auf klassische Weise) kocht, desto besser werden die eigenen Koch-Skills. Das ist manchmal mühselig, aber irgendwie lernt man doch fürs Leben.

Beim Thermomix gibt es keinen Fortschritt, keine Veränderung, nur Stillstand. Der Thermomix sagt, wo es lang geht. Und macht dabei noch ordentlich Lärm. Es gibt nur eine Öffnung, da kann man nicht viel falsch machen. Der Display zeigt an, was wann rein muss. Sogar eine umfangreiche Rezeptesammlung ist bereits einprogrammiert. Neues probiert man da wohl eher nicht aus.

Der Thermomix sackt die Lorbeeren ein

Wo bleibt der Erfolgsmoment, wenn die Maschine am Ende alles selbst gemacht hat? Der Thermomix sackt die Lorbeeren ein, nicht der Koch. 

Wo bleibt die Gemeinschaft? Kochen ist auch soziale Interaktion – denn zu zweit ist’s nochmal viel schöner. Mit dem Thermomix hat schon eine Person wenig zu tun. 

Kochen ist mal anstrengend, mal niederschmetternd, mal überraschend; Erfolgserlebnis, Katastrophe oder Abenteuer – eine Leidenschaft, die (meistens) Spaß macht.

das-duell-feederFoto: stockxchng/bizior, S. Hofschlaeger/pixelio.de, Montage: Brinkmann/Schweigmann 
Teaserfoto: flickr.com/Eva San

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