Sterben für die Wissenschaft

Von Janna Cornelissen und Thomas Borgböhmer

Ein Studium der Biologie oder Medizin ist spannend ─ keine Frage. Die Studenten lernen die Anatomie und die Funktion von Lebewesen kennen. Doch für diese Erkenntnis muss man oftmals auch Leben nehmen und zwar das der Versuchstiere. Die meisten Studenten werden dann mit einer Situation konfrontiert, über die sie sich vorher wahrscheinlich nicht unbedingt den Kopf zerbrochen haben.

Erst vor einigen Wochen hat die Bundesregierung den aktuellen Tierschutzbericht veröffentlicht. Zwischen dem Jahr 2005 und 2009 stieg die Zahl der Versuchstiere bundesweit von 2,4 Millionen auf 2,8 Millionen. Dabei geht rund ein Drittel auf das Konto der biologischen Grundlagenforschung.

Corina Gericke kämpft seit Jahren gegen Tierversuche. Bereits im Studium hat sie sich geweigert Frösche zu sezieren. Foto: privat.

Corina Gericke kämpft seit Jahren gegen Tierversuche. Bereits im Studium hat sie sich geweigert Frösche zu sezieren. Foto: Privat. Teaserbild: Stephanie Hofschläger/ pixelio

Debatten um den Sinn der Tierversuche gibt es schon lange. So muss zwar jeder Tierversuch dem Gesetz nach genehmigt werden, aber der Verbrauch von Tieren in der Lehre, folgt den Gesetzen der „Freiheit“. Denn die Forschungsfreiheit ist im Grundgesetz verankert und somit ist Grundlagenforschung legitimiert. Konkret heißt es, dass Professoren, die das Lernen an Tieren für unerlässlich halten, dies als Grund angeben können. Eine weitere Genehmigung ist dann nicht mehr nötig.

Großes Streitthema

„Ein Biologiestudent wird schon in den ersten Semestern auf den Verbrauch von Tieren getrimmt“, so Corina Gericke, Tierärztin und zweite Vorsitzende von „Ärzte gegen Tierversuche“ e.V. Gericke sieht in der gängigen Benutzung von Tieren ein altertümliches Verfahren, das sich zukünftig auch nicht mehr durchsetzen kann. „Der Grund warum viele Universitäten sich gegen die alternativen Methoden wie Computersimulationen und Tiermodelle entscheiden, ist die frühzeitige Heranführung an den Tierversuch.“ Die Forschung wolle sich die Nachwuchswissenschaftler nicht nehmen lassen und je eher man den Studenten an den Tierversuch heranführe, desto mehr stumpfe er ab.

Dabei wird dieses scheinbar unumstößliche Dogma des Tierverbrauchs, das an den Universitäten herrscht mehr und mehr überdacht. Zum Beispiel an der Uni Duisburg-Essen (UDE): Professor Gero Hilken, Dozent für Biologie an der UDE und Leiter des Zentralen Tierlabors, sieht die UDE auf einem guten Weg. „Im Medizinstudium werden einmal pro Jahr Ratten präpariert, das sind dann pro Jahr 80 Tiere“, so Hilken. Diese Ratten seien alte Zuchttiere, die sowieso getötet würden. Die Studierenden verwenden diese dann ohnehin für den Anatomieunterricht.

„Die Studenten an der UDE wurden zum Thema Tierverbrauch im Studium in einem Fragebogen interviewt“, sagt Hilken. Dabei sei herausgekommen, dass sehr viele den Tag des Präparierens am interessantesten fanden. Dennoch wird unter den Studierenden viel über den Nutzen der Tierversuche diskutiert. Auch an der Ruhr-Universität Bochum (RUB). Dort wird Ende November eine Podiumsdiskussion zu diesem Thema stattfinden ─ mit dabei Gegner und Befürworter des Tierverbrauchs.  Jan Keitsch, Vorsitzender der Tierrechtsorganisation „Animal Academy“, organisiert die Diskussion.

Jan Keitsch ist selbst Veganer und studiert Philosophie und Theologie. Seit einigen Jahren setzt er sich stark für den Tierschutz ein. Foto:privat

Jan Keitsch ist selbst Veganer und studiert Philosophie und Theologie. Seit einigen Jahren setzt er sich stark für den Tierschutz ein. Foto: Privat

Wissenschaftlicher Alltag

„Also am Anfang des Studium scheinen noch einige Studenten dabei zu sein, die gegen den Tierverbrauch sind“, erklärt Keitsch. „Im Laufe des Studiums stellt sich dann eine gewisse Gleichgültigkeit ein.“ Für viele Studenten gebe es gar keine andere Möglichkeit als mit Tieren zu arbeiten, weil ansonsten eine wissenschaftliche Karriere in diesem Bereich unmöglich sei, so Keitsch.

Einer der Befürworter bei der Podiumsdiskussion wird Ulf Eysel sein. Eysel ist Professor für Humanmedizin an der RUB, der sich offen für einen Dialog ausspricht. „Es ist ein Dilemma für jeden der in diesem Bereich arbeitet“, sagt Eysel. „Denn einerseits möchte man die eigenen Fähigkeiten nutzen, um menschliches und tierisches Leid zu mindern. Andererseits möchte man unnötiges Leid vermeiden“, sagt Eysel. Und gerade deswegen sei es auch wichtig die Debatte nicht totzuschweigen, sondern offen zu diskutieren.

Die Zukunft ohne Tierverbrauch?

Das Ziel der Tierverbrauchsgegner ist klar: Ein Biologiestudium, das gänzlich mit Computersimulationen, Tiermodellen und Probandenversuchen auskommt. „Es machen ja schon viele Unis vor. Dort kann man ein Biologiestudium bereits ohne Tierversuche durchziehen“, sagt Keitsch. Und es scheint auch so, dass in Zukunft die Universitäten nicht mehr auf die Alternativen verzichten können. Schließlich werden diese immer besser und relevanter, sagen die Verfechter der Alternativen. Ähnlicher Meinung ist auch Ulf Eysel: „Die Alternativen sind höchtsrelevant für die Universitäten. Und an den Unis wird damit ja auch schon gearbeitet.“

Aber ganz ohne Tierverbrauch wird es zukünftig wohl nicht gehen. Das liegt zu einem an den Anschaffungskosten. Denn der Tierverbrauch ist im Vergleich zu den Alternativen günstig, da die Versuchstierhändler bei einer hohen Anzahl von Tieren gute Preise anbieten. Zum anderen an den Arbeitsabläufen in der Wissenschaft. „Man kann die Forschung zum Beispiel durch Computersimulationen unterstützen, also damit viel einsparen und voraussagen. Aber die Idee alles mit Computersimulationen zu machen ist unrealistisch“, sagt Eysel. Schließlich müsse man organismische Daten haben, die man letztlich in den Computer eingeben könne.

Große Unterschiede zwischen den Unis

So wechseln Studierende sogar die Unis, um ohne Tierversuche studieren zu können. Beispielsweise auch die Tierärztin Corina Gericke, die  es nicht mit ihren Wertvorstellungen vereinbaren konnte, dass Tiere für die Lehre umgebracht werden. Um den Studenten schon vorab, also bei der Wahl der Uni und des Studiengangs zu helfen, hat „SATIS“ ein bundesweites Uni-Ranking erstellt. SATIS wurde 1988 als Bundesverband von Tierschützern und Studierenden gegründet. Seitdem setzt sich SATIS  für die Lehre ohne Tiere ein.

SATIS ermittelte das Ranking im Jahr 2010 durch eine Befragung der Kursverantwortlichen aller biologischen, human- und veterinärmedizinischen Fakultäten in Deutschland. Das Ranking zeigt, dass immer mehr Unis das Medizinstudium ganz ohne Tierverbrauch anbieten oder zumindest Ersatzkurse anbieten. Im Biologiestudium wird es dann schon schwieriger, hier werden an den meisten Unis noch immer Versuchstiere benutzt.

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