Soll ich mit dem Strom schwimmen?

Dusche „Go with the Flow“ klingt eigentlich harmlos. Irgendwie nach dem phrasenhaften Schlachtruf einer Mainstreambewegung. Aber dahinter verbirgt sich eine brisante Forderung: „Macht mehr Pipi unter der Dusche!“

Die Kampagne haben die britischen Studenten Debs Torr und Chris Dobson Ins Leben gerufen.  Warum? Ganz einfach: Wer in der Dusche pinkelt, spart einen Gang aufs Klo und damit rund 9 Liter Wasser, die so eine Klospülung im Schnitt verbraucht. Nach den Berechnungen von Torr und Dobson könnten allein die Studenten ihrer Uni auf diese Weise pro Jahr etwa die Wassermenge von 26 Olympiaschwimmbecken sparen. 26 Großschwimmbecken nur durch Pipi – das ist absolut großartig!

Endlich mal jemand, der den Kampf gegen die Missstände dieser Welt revolutioniert. Vergessen sind alle anderen Tipps zur Verlangsamung des Klimawandels. Ab jetzt trinke ich wieder aus Einwegflaschen, fahre mit dem Auto zum Kiosk um die Ecke und schmeiße für eine Unterhose die Waschmaschine an – oder die Unterhose direkt weg, sind ja schließlich nicht teuer. Ich pinkle morgens einfach in die Dusche und mein schlechtes Gewissen fließt gleich mit ab. 

3 in 1 Deluxe-Dusch-Toilette

Wenn ich genau drüber nachdenke, passt mir das sogar echt gut, denn da ich mir meine Zähne sowieso immer beim Duschen putze, verkleinert sich die Nutzfläche meines Bades durch den Verzicht auf den Toilettengang auf den Quadratmeter der Duschkabine. Sie wird quasi zu einer 3 in 1 Deluxe-Dusch-Toilette. Ja, ich weiß, zwei Minuten länger zu duschen nur um beim Zähneputzen im heißen Duschstrahl statt auf den kalten Badezimmerfliesen zu stehen, ist auch nicht so cool. Aber hey! Pro Minute verbraucht man unter der Dusche doch nur 15 Liter Wasser. Wenn ich ein Jahr lang die Zähne unterm Wasserstrahl putze, dann sind das 10.000 Liter – maximal.

Zugegeben: Ich habe Abitur und kluge Eltern und fühle mich deshalb schon manchmal wie der Uli Hoeneß des Klimaschutzes: Ich hintergehe auf skrupellose Art und Weise all die Leute, die so sorgsam darauf achten, nicht länger als unbedingt nötig unter ihrer Wassersparbrause zu stehen und hinterher trotzdem die Konsequenzen meines ignoranten Bedürfnisses nach Wärme am Morgen ausbaden müssen. Aber wenn ich einmal am Tag die Dusche auch noch zum pinkeln benutze, kann ja immerhin wieder 3024 Liter von den 10.000 abziehen. 

Erreiche ich beim Pipi machen meine Multitaskinggrenze?

Doof wäre nur, wenn ich beim Pipi machen unter der Dusche meine unsichtbare Multitaskinggrenze erreichen würde. Wenn ich mich entscheiden müsste, zwischen Wasserlassen und Haare einseifen. Denn dann läuft in der Zeit ja auch wieder unnötig die Dusche. Über 7 Liter werden verschwendet, wenn ich etwa eine halbe Minute für mein kleines Geschäft brauche. Dann kann ich auch eigentlich schon fast wieder aufs Klo. Aber auch das Problem lässt sich lösen: Ich baue mir einfach einenen kleinen Tank in den Abfluss ein. Der sammelt dann das ganze Duschwasser und zweitverwertet es dann als Toilettenspülung. Wobei: Der Tank würde sicher schnell anfangen zu stinken, weil er ja voller Pipi ist.

Und überhaupt: Mir ist eigentlich nicht hundertprozentig klar, wieso wir in Deutschland Wasser sparen sollten. Würde ich alleine in der Wüste Gobi leben und müsste für jeden Dusch- und Spülvorgang das Wasser von einer 10 Kilometer entfernten Oase zu meiner mongolischen Jurte tragen, wären drastische Sparmaßnahmen absolut einleuchtend und bestimmt würde ich in so einer Situation auch ohne zu zögern in meine Zeltdusche zu pinkeln. Aber dann wiederum hätte ich auch sicherlich andere Sorgen, die mit Wasser zu tun hätten.

Fotos | Mona Ameziane

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert