Pionier Bochum? – Erstes öffentliches W-LAN im Ruhrgebiet

W-LAN über Bochums Dächern. Foto: Lars Frensch

Viele europäische Metropolen aber auch kleinere Städte wie Pforzheim haben es bereits vorgemacht. Bochum zieht jetzt als erste Stadt im Ruhrgebiet nach. Das W-LAN-Netz mit dem Namen „Bochum Marketing“ in der Innenstadt soll die Attraktivität steigern und die Besucher dazu animieren, mehr Zeit dort zu verbringen. Ein Anziehungspunkt für alle, die nicht ständig auf ihr Datenvolumen zurückgreifen wollen.

Einen „kostenlosen Service für Passanten, Besucher und Touristen“ nennt das Christian Gerlig. Er ist Leiter der Kommunikation in der Bochum Marketing GmbH, welche sich für das Projekt einsetzt und die Umsetzung zusammen mit der SIB Systeme GmbH organisiert. Diese Kooperation ist nicht nur aus technischer, sondern auch aus rechtlicher Sicht unumgänglich.

„Das Netz ist sicher!“

Immer wieder hört man, dass insbesondere öffentliche W-LAN-Netze eine Angriffsfläche für alle eingewählten Geräte darstellen. Sind sie nicht mit einem Passwort und einer Firewall geschützt, können sie leicht ausspioniert, mit einem Virus infiziert oder komplett funktionsunfähig gemacht werden. Gesetzeswidrige Inhalte aufzurufen, zu veröffentlichen oder illegale Downloads auszuführen ist anders als im heimischen Netz relativ anonym möglich. Sicher klingt das nicht.

Es gibt verschiedene Systeme um Zugang zu öffentlichen W-LAN-Netzwerken zu erhalten: In der Gastronomie ist es häufig üblich, sich über einen individuell vom Servicepersonal generierten Code einzuwählen. In größeren Institutionen bekommt man einen eigenständigen, registrierten Account. Über beide Möglichkeiten ist man eindeutig identifizierbar. Im W-LAN, wie es die Stadt Bochum anbietet, ist man nur umständlich über die IP-Adresse (eine für jedes Gerät individuelle Kombination aus Ziffern) erkennbar. Über den Menschen hinter dem Gerät sagt die aber nichts aus.

Die Gesetzeslage in Deutschland sieht vor, dass alle, die einen Internetzugang anbieten auch dafür verantwortlich sind, was über diesen passiert. Das heißt, wenn jemand ohne mein Wissen in meinem Netzwerk etwas herunterlädt, trage ich die Schuld, obwohl ich möglicherweise nicht mal etwas davon wusste. Diese von vielen Seiten kritisierte Regelung nennt sich „Störerhaftung“. Theoretisch wäre die Stadt Bochum also für alle Nutzer des W-LANs verantwortlich.

Zugleich gibt es in Deutschland aber auch das so genannte „Providerprivileg“, welches sich auch die Stadt Bochum zu Nutze macht. SIB Systeme, die bereits genannte Firma, die den Internetzugang anbietet, ist ein Provider. Das heißt, sie bieten nicht nur einfach W-LAN an, sondern sind auch in technischer und wirtschaftlicher Hinsicht der „Zwischenhändler“, der Zugänge ermöglicht. Provider sind von der Störerhaftung befreit – SIB kann also rechtlich nicht für den Missbrauch des Internets durch Nutzer belangt werden. Doch die Bundesregierung sieht ein Gesetz vor, das Provider dazu verpflichtet, Nutzer zu identifizieren, die auf gesetzeswidrige Inhalte zugreifen oder verbreiten.

W-LAN gegen leere Einkaufsstraßen? (Foto:  photobeppus /flickr.com)

W-LAN gegen leere Einkaufsstraßen? (Foto:
photobeppus /flickr.com)

An alle Eventualitäten gedacht

Zu Hackerangriffen oder illegalen Nutzungen soll es aber gar nicht erst kommen. Die eingewählten Geräte sind „unsichtbar“, können sich also gar nicht gegenseitig im Netzwerk sehen. Generell seien „die Router gegen solche Angriffe geschützt“, so Gerlig. Die Möglichkeit auf andere Geräte zuzugreifen wird damit erschwert. Die Router sind untereinander intelligent verknüpft und wissen, was im jeweils anderen Router passiert. Sie können bei Bedarf einschreiten, indem sie die Verbindung unterbrechen oder drosseln, also die Geschwindigkeit für ein betroffenes Gerät herunterregeln. Das ist insbesondere von Belang, wenn jemand das Netz mit zu großen Datenmengen belastet, beispielsweise einen Film über das Internet schaut. Damit soll die Geschwindigkeit auch für Gelegenheitssurfer gesichert bleiben. Gerlig nennt dieses Prinzip „Quality of Service“. Ob das in der Praxis genauso funktioniert, muss allerdings abgewartet werden.

Oder will Bochum nur wissen, wer wann wo ist?

Ein W-LAN-Netz aus vielen Routern, so wie das in Bochum, ermöglicht theoretisch auch zu wissen, wer sich wann und wo befindet, zumindest während der Nutzung des Dienstes. Gerlig sagt aber, dass es sich um Gesamtsignale handelt, man könne also im Bochumer System gar keine einzelnen Geräte bzw. Personen orten. Wie viele Leute sich allerdings zu einer bestimmten Zeit an einem bestimmten Ort aufhalten, sei dennoch zu erfassen. Das ist sicherlich auch ein positiver Nebeneffekt für die Stadt, schließlich könnten dann beispielsweise zu Großveranstaltungen Fluchtwege oder Strömungen erkannt werden. Es handele sich um eine „statistische Sache, als ob man da jemanden hinstellt und der die Leute zählt“, sagt Gerlig. Insofern ist eine digitale Erfassung der Ortsdaten bloß eine Vereinfachung. Weiterhin sagt Gerlig: „Google und Facebook wissen ohnehin noch viel mehr.“ Wie lange die Daten gespeichert werden, bleibt offen.

Wer finanziert das alles?

Die Router, die den Zugang zum mobilen Netz ermöglichen, sind nicht ganz billig, erst recht nicht, wenn sie von tausenden Besuchern zugleich genutzt werden sollen: Die Installation des Netzwerks beläuft sich auf Kosten in Höhe eines „niedrigen fünfstelligen Bereichs“, die Betriebs- und Wartungskosten liegen im „hohen vierstelligen Bereich“.

Diese Summen sollen durch Werbung ausgeglichen werden. Nach Anwählen des Netzwerks auf Smartphone, Tablet oder Laptop soll eine Website erscheinen „auf denen der Handel Angebote platzieren kann, zum Beispiel ‚auf Socken 20%’“, sagt Christian Gerlig.

Bisher besteht die W-LAN-Zone nur auf Huestraße, Kortumstraße, Husemannplatz, Dr.-Ruer-Platz und Kurt-Schumacher-Platz, sowie im Café Picollo der Musikschule und im Tierpark. In Zukunft sollen auch andere Teile der Bochums mit W-LAN abgedeckt sein, beispielsweise das stark frequentierte Bermuda3Eck und die Zentren der Stadtteile. Abhängig ist dies jedoch vom Erfolg des Pilotprojekts in der Innenstadt und der Finanzierung.

Bochumer W-Lan

Beitragsbild: Lars Frensch

Kartendaten: © 2015 GeoBasis-DE/BKG (©2009), Google

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