Duell am Donnerstag: Tanz den Gaucho!

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Kaum in Deutschland gelandet, sorgen die Kicker der Nationalelf für einen Skandal. Zumindest meinen das einige Zeitungskommentatoren. Die Mannschaft gehe respektlos mit den unterlegenen Argentiniern um, sagt die taz. Dieser Meinung ist auch pflichtlektüre-Reporter Johannes Hülstrung. Die Aufregung ist völlig übertrieben, meint dagegen pflichtlektüre-Reporter Axel Schürgels. Im Duell am Donnerstag geht es um die Frage: Ist die Kritik am Gaucho-Dance gerechtfertigt?

Ja!

Was waren das für tolle Bilder bei dieser WM: Während die Nationalelf von Sieg zu Sieg eilte und dabei große Fußball-Nationen wie Portugal oder Brasilien regelrecht auseinander nahm, präsentierten sich die Spieler gleichzeitig als charakterlich gereift und äußerst fair. Bastian Schweinsteiger tröstete den weinenden David Luiz. Manuel Neuer reichte dem gerade zum besten Spieler des Turniers gekürten, todtraurigen Lionel Messi die Hand. Und dann das: Miroslav Klose und fünf weitere Nationalspieler veralberten auf dem Fanfest am Brandenburger Tor die im Finale knapp besiegten Argentinier.

Eine große Mannschaft, die keine Größe zeigt

Damit warfen die frisch gebackenen Weltmeister den gerade gewonnenen Ruf als nicht nur sportlich, sondern auch moralisch große Mannschaft einfach so über Bord. Und der Anführer dieser Truppe war noch nicht einmal ein „Rabauke“ wie Döner-Werfer Kevin Großkreutz oder ein Spaßvogel wie Lukas Podolski. Nein, es war der 36 Jahre alte WM-Rekordtorschütze Miroslav Klose, der es auf seine alten Tage noch einmal richtig krachen ließ. Und gleich noch ein paar weitere Spieler mit ins Boot holte, die außerhalb des Platzes sonst ebenfalls als eher unauffällig gelten, wie Shkodran Mustafi oder Toni Kroos.

Moralischer Anspruch

Nach dem „Gaucho-Tanz“ kam im Internet schnell Unmut auf. Laut FAZ schossen Klose & Co. ein „gigantisches Eigentor“, der Tagesspiegel nannte die tanzenden Nationalspieler „Riesentrottel“ und die taz sprach von einer „kriegergleichen Überhöhung des eigenen Selbst“. Fast genauso schnell aber wurden auch die Kritiker kritisiert – als Spaßbremsen, Dauernörgler und Vaterlandsverräter. Das ist natürlich Quatsch. Es geht nicht darum, jemandem das Feiern zu vermiesen, sondern einen moralischen Anspruch zu bewahren.

Weltmeister mit Vorbild-Funktion

Gerne wird darauf hingewiesen, dass der Tanz des Anstoßes ja schon seit längerem in den deutschen Bundesligastadien praktiziert werde. Und auch nach der EM 2008 sei das Lied gesungen worden, damals initiiert von Blödelbarde Oliver Pocher. Aber letztlich ist das Argument doch nichts anderes als: „Die anderen machen das doch auch, warum dürfen wir dann nicht?“ Außerdem macht es schon einen Unterschied, ob ein solches Lied von betrunkenen Ultras oder von – wahrscheinlich ebenfalls betrunkenen – Weltmeistern mit Vorbild-Funktion gesungen wird. Zumal auch die weltweite mediale Aufmerksamkeit bei der WM-Party wesentlich größer war.

Entschuldigung dringend nötig

In Argentinien kam das Tänzchen logischerweise gar nicht gut an. Dass dort gleich die Nazi-Keule geschwungen wurde, ist zwar ohne Frage eine völlig übertriebene Reaktion, aber trotzdem sollten sich die Deutschen besser in Beschwichtigung üben. Stattdessen verteidigte DFB-Präsident Wolfgang Niersbach die Spieler, die Aktion sei „in keinster Weise despektierlich“ gemeint gewesen. Immerhin kündigte er einen Entschuldigungsbrief an Argentiniens Verbandschef Julio Grondona an. Der ist auch dringend nötig, damit sich die deutschen Nationalspieler als das zeigen können, was sie doch eigentlich auch sind: nicht nur Weltklasse-Spieler, sondern auch Weltklasse-Gewinner.

Nein!

Endlich. Wir haben den nächsten Skandal. Und was für einen. Deutschland diskutiert über „Gauchogate“. Was ist passiert? Die Weltmeister, die gerade aus Brasilien zurückgekommen sind, werden euphorisch empfangen. Auf der Bühne in Berlin werden die Spieler in kleinen Gruppen aufgerufen. Jede Gruppe hat einen „besonderen“ Auftritt vorbereitet. Eine Gruppe sorgt jetzt für diese absurde Diskussion. Gebückt betreten sie die Bühne und singen mit deutlich verkaterten Stimmen: „So geh’n die Gauchos, die Gauchos die geh’n so.“ Danach richten sie sich auf und jubeln mit breiter Brust: „So geh’n die Deutschen, die Deutschen die geh’n so.“ Die Masse jubelt, im Überschwang der Gefühle springen die Spieler über die Bühne. Doch diese Szenen nehmen manche Kommentatoren jetzt zum Anlass, der deutschen Mannschaft Toleranz und Respekt abzusprechen. So ein Quatsch.

Schein-Thema wird zum Skandal stilisiert

„Mit einer üblen Persiflage auf ihren Finalgegner verspielen die deutschen Weltmeister das Image der weltoffenen, toleranten Nation“, kommentiert die FAZ diese Szene. Die taz meint: „Die Würdigung einer sportlich besonderen Leistung gerät da im Siegesrausch zu einer kriegergleichen Überhöhung des eigenen Selbst, in der man auch dem „Gaucho-Verlierer“ keinen Respekt mehr zollen muss“.

Da ist er wieder, der moralische Zeigefinger, diesmal größer als die Christusstatue in Rio. Und die Diskussion, die entbrannt ist, ist typisch Deutsch und total lächerlich.

Deutsches Team immer respektvoll

Jeder Fußball-Fan, der in den vergangenen Jahren mal ein Stadion von innen gesehen hat, weiß genau, dass genau solche Lieder schon seit Längerem gesungen werden, ohne dass sich jemand prompt eschauffiert. Selbst Kindergarten-Kinder kennen das Lied (im Original, versteht sich) und tanzen dazu. Es ist schon regelrecht absurd, dass genau im Feierrausch der Weltmeister so eine Nicht-Debatte hervorgerufen wird.

Es ist keine Respektlosigkeit, wenn im Taumel junge Männer, übermüdet und mit Restalkohol, mal feiern und auch etwas über den Gegner sagen. Gerade die deutsche Mannschaft hat sich in Brasilien als fairer, respektvoller Gegner präsentiert. Siehe nur die Gesten nach dem Brasilien-Spiel. Aber dem Team jetzt vorzuwerfen, respektlos oder hämisch gegenüber dem Gegner, im dem Fall Argentinien, zu sein, entbehrt jeder Grundlage.

Größter sportlicher Triumph

Über Sinn oder Unsinn der stundenlangen Übertragungen im Fernsehen oder über Interviews mit offensichtlich angeheiterten Spielern lässt sich gewiss streiten. Doch halten wir mal fest: Diese jungen Menschen haben den größten sportlichen Triumph errungen, den es im Weltfußball gibt. Über vier Wochen lang haben sie Deutschland in der Welt vertreten. Die Medien in der Welt feierten das DFB-Team. Diese Trunkenheit an Freude und Euphorie, die über das Land zieht, muss auch mal sein. Und sie darf auch sein. Wir Deutsche dürfen uns auch freuen. Wir Deutsche dürfen auch mal ausgiebig feiern. Wir Deutsche dürfen auch mal humorvoll mit Themen umgehen. Gibt es nichts Wichtigeres, worüber man sich aufregen kann?

 

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Foto: stockxchng/bizior, Teaserfoto: S. Hofschlaeger / pixelio.de, Montage: Steinborn/Schweigmann 

Teaserfoto: Ich-und-Du /pixelio.de

1 Comment

  • Marolle Serge sagt:

    Absolut korrekt Axel, bin voll deiner Meinung. Diese Männer haben ihren Siegesrausch ausgelebt und sind wir doch ehrlich, hätten die Argentinier gewonnen, hätten die sich auch was einfallen lassen, im Gegenteil dort wäre die Presse mit uns ins Gericht gegangen.

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