Rugby im Aquarium

Foto: Christiane Reinert

Jan Fuss, Trainer der Unterwasserrugby-Mannschaft und sein Team. Alle Fotos: Christiane Reinert

Selbst einfaches Rugby ist in Deutschland eine Nischensportart, aber das Ganze dann auch noch  unter Wasser? Ich habe  den SV Westfalen bei seinem Training begleitet und auch selbst an einer der  sowohl exotischsten, als auch fordernsten Sportarten in Dortmund teilgenommen.

Die Badehauben dienen nicht nur dazu, die Spieler farblich voneinander zu unterscheiden, sondern auch dazu, die ohren zu schützen. Foto: Christiane Reinert

Die Badehauben dienen nicht nur dazu, die Teams farblich voneinander zu unterscheiden, sie schützen auch die Ohren.

Beinahe menschenleer ist das Nordbad, als ich um 21 Uhr auf die Unterwasserrugby-Spieler des SV Westfalen treffe. Sie sind zwischen 20 und 60 Jahre alt und alle breit gebaut. Wir ziehen uns unsere Ausrüstung an. Zusätzlich zu Taucherflossen, Maske und Schnorchel setze ich mir auch eine spezielle Badekappe auf, die eines der Mitglieder mir geliehen hat. Diese hat Plastikverstärkungen an den Ohren, um sie unter Wasser  zu schützen. Die Spieler sehen mit den Kappen ein wenig wie altertümliche Piloten aus. Die Hauben dienen mit ihren unterschiedlichen Farben zudem dazu, die Spieler unter Wasser auseinanderzuhalten.

Schon das Aufwärmen ist nichts für schwache Nerven

Bevor es allerdings ans Spielen geht, stehen erst einmal ein paar Übungen auf dem Programm, die sich alle um das Tauchen in verschiedenen Körperlagen, etwa auf dem Rücken oder der Seite, drehen.  Da lauert aber bereits die erste Hürde: Der normale Kraul-Beinschlag vom Schnorcheltauchen ist beim Unterwasserrugby nicht gerne gesehen. Stattdessen soll ich den Delfin-Beinschlag benutzen. „Das ist auf kurzen Strecken viel schneller“, erklärt ein älterer Mitspieler, der schon Unterwasserrugby-Veteran ist und sogar in der Bundesliga – die es tatsächlich auch beim Unterwasserrugby gibt – spielt. Schneller bin ich damit nicht wirklich, nur Luft verbrauche ich mehr. „Übungssache“, denke ich mir – und leere am Beckenrand meine Schwimmmaske aus. Durch die Badekappe ist sie voll Wasser gelaufen.

Wirklich herausfordernd für untrainierte Lungen wie meine wird aber erst die nächste Übung. Ein Partner wartet auf der anderen Beckenseite auf dem Grund darauf, dass ich ihn ablöse; ist das geschehen, muss ich dort warten, bis er aufgetaucht, auf die andere Seite geschwommen und wieder zu mir zurück getaucht ist.

Foto: Christinane Reinert

Schon das Aufwärmen erfordert Teamarbeit – und gut konditionierte Lungen.

Die Luft wird mit jeder Ablösung knapper, nach drei Durchgängen geht mir endgültig die Puste aus und ich kapituliere. Als mein Partner zu mir zurück kommt, um mich abzuschlagen, bin ich schon wieder an der Oberfläche und schnaufe nach Luft. Dann fangen wir auch schon an richtig zu spielen, ich freue mich darauf den Sport endlich wirklich auszuprobieren.

So einfach die Regeln, so schwierig das Spiel

Die Regeln sind dabei nur in ihren Grundzügen die gleichen wie bei den Rugby-Sportarten an Land: Zwei Mannschaften versuchen den Ball im gegnerischen Feld abzulegen. Der wesentlichste Unterschied: Der Korb, in den der Ball befördert werden muss, befindet sich auf dem Boden eines Schwimmbeckens. In dem Bad, in dem ich bin, sind das immerhin vier Meter Tiefe. Damit der Ball auch untergeht, ist er mit Salzwasser gefüllt.

Da das Unterwasserrugby ohne Sauerstoffflaschen auskommt, ist es natürlich erlaubt, während des Spiels aufzutauchen. Der Ball darf aber nicht die Wasseroberfläche erreichen. Deswegen spielt sich das meiste Geschehen in etwa zweieinhalb bis dreieinhalb Metern Tiefe ab. Auch das Abnehmen des Balls funktioniert anders als normal; jemanden unter Wasser zu tackeln, wie beim  herkömmlichen Rugby, ist nur schwer möglich. „Du musst versuchen, den Gegner irgendwo zu fassen kriegen, und dich dann zum Ball hinzuziehen“, erklärt mir der ältere Spieler. „Du darfst an allem ziehen bis auf die Ausrüstung“. Falls das nicht klappt, weil der Gegner den Ball zu gut verteidigt, kann man aber auch zu einer profaneren Methode greifen: ihn einfach solange festhalten, bis er keine Luft mehr hat. Spätestens dann ist er gezwungen, den Ball abzugeben. Das Spiel beginnt, Trainer Jan Fuss gibt noch letzte Anweisungen für die Mannschaftsaufstellung und dann geht’s abwärts.

Foto: Christiane Reinert

Im Eifer des Gefechts kann man den Ball schnell aus den Augen verlieren.

Wildes Durcheinander unter Wasser

Unter Wasser herrscht auf den ersten Blick heilloses Chaos. Es ist nicht leicht zu beurteilen, wo sich der Ball gerade befindet. Knapp ein Dutzend Spieler schlängeln, rollen und schrauben sich in allen Richtungen durch das Wasser, tauchen auf, um Luft zu holen, oder wieder ab, um weiterzuspielen. Oft kommt es zu Zweikämpfen um den Ball. Kurzzeitig bin ich in Ballbesitz, aber vor mir sehe ich schon drei der weißen Badekappen des gegnerischen Teams. Schnell spiele ich den Ball zurück zu meinen Teamkollegen und tauche auf, um Luft zu holen. Ich richte den Blick wieder nach unten, den Ball habe ich aber schon längst wieder aus den Augen verloren.

Die Versuchung ist groß, einfach eine Weile an der Wasseroberfläche herumzudümpeln, zu verschnaufen und auf eine günstige Gelegenheit zu warten, um an den Ball zu kommen. Aber drei Meter unter mir geht auch meinen Teamkameraden langsam die Puste aus. Also tauche ich schnell wieder unter und biete mich für einen Pass an, denn nach oben wird nur selten abgespielt; die Übersicht vorne, hinten, rechts und links zu behalten ist schwierig genug. Tatsächlich komme ich erneut in Ballbesitz. Ich schaue mich um, diesmal ist vor mir alles frei. Bis zum gegnerischen Korb sind es vielleicht noch fünf Meter. Ich schmeiße den Versuch, mit dem Delfin-Beinschlag vorwärts zu kommen, kurzerhand über Bord und setze alles daran, irgendwie den Ball in den Korb zu kriegen. Anderthalb Meter fehlen mir noch, da pflückt mir ein Gegner den Ball von oben anstandslos aus der Hand. Mich wurmt es, dass der Sport mit seiner ungewohnten vertikalen Komponente so ein leichtes Opfer in mir gefunden hat.

Dabei bin ich aber noch relativ glimpflich davon gekommen. Denn in der Nähe der beiden Körbe kommt es regelmäßig zu heftigen Rangeleien. Von weitem sehen die Spieler dabei so aus wie ein Schwarm Fische, der sich in einem Aquarium um ein Stück Futter zankt. Bei der Verteidigung des eigenen Tors scheint es nämlich durchaus legitim, sich einfach auf den Korb zu setzen, damit der Ball nicht mehr hineingespielt werden kann.

Foto: Christiane Reinert

So kommt es, dass sich die Teams manchmal fast minutenlange Auseinandersetzungen vor den Toren liefern, nur um irgendwie den Ball in den Korb zu quetschen. Da kann ich nur schwer mithalten. Zu knapp ist die Luft, die mir nach dem Abtauchen bleibt, zu gerissen die Gegner, die den Ball mit den Ellbogen abschirmen. Trotzdem ist es ein befriedigendes Gefühl nach den Atempausen seinem Team immer wieder zur Hilfe zur eilen und langsam weicht das chaotische Durcheinander einer schnellen Dynamik, mit der sich die Teams die Bälle gegenseitig zu spielen, den Gegner angreifen oder ihre Verteidigung dicht machen.

Erstmal tief durchatmen

Als das Spiel nach anderthalb Stunden Training endet, hieve ich mich erschöpft aus dem Wasser. Ich ziehe mir die Maske vom Kopf und atme erst einmal tief durch. Viele der Spieler, die schon länger dabei sind, steigen mit langen roten Striemen auf dem Rücken aus dem Wasser, Stellen, an denen sie von den oft etwas scharfkantigen Schwimmflossen gestreift wurden. „Daran gewöhnt man sich“, sagt einer der Spieler schmunzelnd, als ich ihn ansehe.

FAZIT

Unterwasserrugby ist gewiss nicht Jedermanns Sache. Man muss gut schwimmen können, sehr geschicklich sein, braucht eine gute Kondition und noch mehr Willenskraft, um sich unter Wasser behaupten zu können. Wem beim gelegentlichen Schnorcheln im Sommerurlaub aber noch die wirkliche Herausforderung fehlt, wer Ausdauer und Kampfgeist hat und keine Angst davor hat, auch einmal einstecken zu müssen, für den ist Unterwasserrugby auf jeden Fall einen Versuch wert. Alle anderen sollten erst mal vom Beckenrand aus zusehen.

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