Reizvolle Körperwelten im Wuppertaler Museum

Reizvolle Körperwelten gibt es zurzeit im Wuppertaler Von-der-Heydt-Museum zu bestaunen. Plastinations-Schocker braucht der Besucher hier jedoch nicht zu fürchten. Die berüchtigte Körperwelten-Ausstellung Gunter von Hagens ist nicht gemeint. Nude Visions präsentiert die Geschichte der Aktfotografie.

Gerhard Riebicke, Paar beim Ausdruckstanz, um 1930 © Bodo Niemann und Münchner Stadtmuseum

Gerhard Riebicke, Paar beim Ausdruckstanz, um 1930 © Bodo Niemann und Münchner Stadtmuseum

Und diese bietet 150 Jahre nach Erfindung der Fotografie genügend Belege, warum sie sich einen Platz im Museum durchaus verdient hat. Denn die hier ausgestellten 250 Fotos, Aktbände und Texte sind nicht nur für sich genommen interessant anzuschauen. Sie bieten auch einen ungeahnten Einblick in die Gesellschaft und Zeit, in der sie entstanden sind. Ein veränderter Begriff der Intimsphäre ist dabei nur ein Aspekt, der sich den Besuchern beim Begehen der in sieben Bereiche aufgeteilten Galerie erschließt.

Für Künstler und Ärzte

Jan Mutsu, Tätowierter Mann, um 1955 © Münchner Stadtmuseum

Jan Mutsu, Tätowierter Mann, um 1955 © Münchner Stadtmuseum

Aus den Kindertagen der Fotografie stammende Atelieraufnahmen von Männern beim Ringen oder tanzenden Frauen verraten, dass Aktfotografie zur Jahrhundertwende vor allem als „akademische Studienvorlage“ diente. Erschienen in Bänden wie „Nackte Schönheit: Ein Buch für Künstler und Ärzte“ (Gustav Fritsch, 1907) fanden sich auch Aufnahmen exotischer Einheimischer aus kolonisierten Gebieten.

Männerakte versteckten sich silhouettenhaft hinter Symbolen griechischer Antike. Nur so ließ sich umgehen, als womöglich homosexuell, strafrechtlich verfolgt zu werden. Zu Beginn des 20. Jahrhunderts emanzipierten Künstler, wie Frank-Eugene, die Aktfotografie schließlich, indem sie mit Papier- und Druckmethoden experimentierten. Aktfotografie wurde als Kunstform anerkannt.

Bodybuilder, Starlets und Nudisten

Guido Mangold, Uschi Obermaier in Kamerun, 1968 © Guido Mangold und Münchner Stadtmuseum

Guido Mangold, Uschi Obermaier in Kamerun, 1968 © Guido Mangold und Münchner Stadtmuseum

Neben Glamouraufnahmen von Hollywood-Starlets jüngerer und längst vergangener Tage erfahren auch Körperfetischisten und Anhänger der Freien Körperkultur Anerkennung. Die Monroe fehlt daher genau so wenig wie der dreifach gekrönte „Mr. Universum“ Arnold Schwarzenegger.
In den enthemmten 60er und 70er Jahren fallen dann nicht nur in den immer beliebter werdenden öffentlichen Nacktbereichen die Hüllen.
Auch Künstler wie Charles Gatewood provozieren hemmungslos. Bilder wie „Girl masturbating in public“ aus dem Jahr 1970 verleiteten den Übersoziologen Michel Foucault schon 1974 zu der Aussage, der Sex sei „an die Grenzen“ getrieben worden.
Gut, dass Foucault die sexuellen Aufreger des Internet nicht miterleben musste. Diese spart auch die Ausstellung aus.

Dafür gibt es Videoinstallationen, unter anderen von einem Playboy-Fotoshooting, eine Collage, die auf die Blütezeit des Porno in den 70er Jahren verweist und, und, und.
Kulturgeschichte, Fotokunst und ein paar Altherrenfantasien – „Nude Visions“ gelingt der Spagat zwischen Aufklärung, Anregung und Schaulust.

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