Wikipedia: Von Amöbe bis Zentralasien

Wikipedia-Gründer Jimmy Wales hat eine ehrgeizige Vision: „Stell dir eine Welt vor, in der das gesamte Wissen der Menschheit jedem frei zugänglich ist. Das ist unser Ziel!“ Zehn Jahre, nachdem der erste Artikel auf Wikipedia erschienen ist, sind Wales und seine Mitstreiter ihrem Ziel schon sehr nahe gekommen. Mehr als 1.300.000 Artikel gibt es inzwischen allein im deutschsprachigen Wikipedia. Und täglich kommen neue hinzu.

Von der Amöbe bis zur Zebrarennschnecke – gefühlt gibt es nichts, was auf Wikipedia nicht erklärt wird. Die Autoren arbeiten dabei freiwillig, ehrenamtlich und absolut unentgeltlich. Das Buch „Alles über Wikipedia“ beschreibt diese menschliche Seite hinter Wikipedia. Es ist zum zehnjährigen Wikipedia-Jubiläum unter freier Lizenz beim Traditionsverlag Hoffmann und Campe erschienen.

Wikipedia-Autoren stellen einen Querschnitt durch die Gesellschaft dar

Ziko van Dijk ist Öffentlichkeitsbeauftragter von Wikipedia. Foto: Jonas StrohscheinZiko van Dijk ist Öffentlichkeitsbeauftragter von Wikipedia. Foto: Jonas Strohschein

Ziko van Dijk ist Öffentlichkeitsbeauftragter von Wikipedia. Foto: Jonas Strohschein

Am Donnerstag haben aktive Wikipedianer das Buch bei einer Lesung in der Dortmunder Stadt- und Landesbibliothek vorgestellt. Einer von ihnen ist der Historiker Ziko van Dijk, der seit 2003 regelmäßig Wikipedia-Artikel in Esperanto, Englisch und Deutsch verfasst. Zum Leidwesen seiner Ehefrau. Wenn van Dijk wieder einmal Artikel für das Online-Lexikon verfasst, beruhigt er sie inzwischen augenzwinkernd mit den Worten: „Keine Sorge Schatz, ich bin nicht bei Wikipedia. Ich schaue mir nur Pornoseiten an und mache Cybersex.“ Ist van Dijk der Prototyp eines Wikipedianers? Nein, denn den gibt es nicht. Rund 15 Autoren sind an diesem Abend gekommen – die Mischung könnte nicht bunter sein: Männer, Frauen, Schüler, Professoren – es ist ein Querschnitt durch die Gesellschaft, der sich bei Wikipedia engagiert.

Wikipedia-Administrator Gereon Kalkuhl kann Artikel in die "Löschhölle" verbennen. Foto: Jonas Strohschein

Wikipedia-Administrator Gereon Kalkuhl kann Artikel in die "Löschhölle" verbannen. Foto: Jonas Strohschein

Es sind auch Menschen wie der Musiker und Übersetzer Gereon Kalkuhl aus Ennepetal. Sein Themenschwerpunkt sind Biografien von Schachspielern, aber sein Wissen über die zweiflüglige Kammschnake und ihren Lebenszyklus hat er auch schon mit der Menschheit geteilt. Kalkuhl hat bereits über 500 Artikel verfasst und ist außerdem Administrator bei Wikipedia. Das heißt, er kann Artikel löschen, die den hohen Ansprüchen des Online-Lexikons nicht gerecht werden. Die Entscheidung darüber trifft er aber nicht alleine. Die Autoren-Gemeinschaft diskutiert in Foren ausgiebig und basisdemokratisch darüber, welche Artikel in der „Löschhölle“ landen, und welche das Prädikat exzellent tragen dürfen. Kalkuhl setzt diese Beschlüsse dann in die Tat um. „Viele Autoren haben Probleme mit Autoritäten, da muss man schon manchmal ein dickes Fell haben“, sagt er.

Kaum Zuhörer bei der Lesung

Wikipedianer unter sich - kaum externe Zuhörer waren bei der Lesung. Foto: Jonas Strohschein

Wikipedianer unter sich - kaum externe Zuhörer waren bei der Lesung. Foto: Jonas Strohschein

Ein dickes Fell mussten die Wikipedianer teilweise auch bei ihrer Lesung am Donnerstag haben. Noch nicht mal eine handvollinteressierte „Normalbürger“ kam in die Bibliothek. So machten die Autoren aus der Not eine Tugend, und erklärten sich zwischen den Lesepassagen einfach gegenseitig das Konzept von Wikipedia. Ein bisschen fühlte es sich an, wie auf einem Parteitag der Piratenpartei: Alles wurde durchdiskutiert, Insiderwitze über Creative Commons und Online-Signaturen sorgten für beste Stimmung bei der Wikipedia-Gemeinde. Es war ein Erklären um die Wette und der meistgenannte Satz des Abends war wohl: „Um das ganze noch ein bisschen mehr zu verwirren.“

Trotzdem haben die Auszüge aus dem Buch Lust auf mehr gemacht. Neben handfesten Informationen für den Gebrauch der Online-Enzyklopädie und einem Schnellkurs in Wikipedianisch bietet das Buch vor allem Blicke auf die Menschen und Geschichten hinter Wikipedia. Es ist ein Buch über eine ganz eigene Parallelwelt, in der sich das „reale Leben“ wiederspiegelt – in allen Facetten.

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