Mit Aufmerksamkeit die Bahn bezahlen

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In Düsseldorf gibt es Straßenbahn- und Bustickets jetzt kostenlos. Einzige Bedingung: Wer Bus oder Bahn fahren will, muss vorher Werbung auf seinem Handy schauen. Aufmerksamkeit als Währung der Zukunft?

Kleingeld brauchen Fahrgäste an Düsseldorfer Straßenbahn- und Bushaltestellen nicht mehr unbedingt. Das Ticket können sie stattdessen auch mit Zeit bezahlen. Dahinter steckt die App WelectGo: Nachdem sich die Nutzer drei bis vier Werbespots angeschaut haben, bekommen sie ein digitales Ticket für eine Kurzstrecke oder den Normaltarif (bis 2,70 Euro) aufs Handy. Für das Ticket zahlen die Werbetreibenden.

Die App hat eingeschlagen. Über 20.000 Menschen haben sich WelectGo seit Anfang November heruntergeladen. „Es ist der Wahnsinn ausgebrochen. Wir hätten damit echt nicht gerechnet“, sagt Olaf Peters, der die App zusammen mit Philipp Dommers auf den Markt gebracht hat. Die beiden Düsseldorfer arbeiten in der Werbebranche und betreiben WelectGo nebenbei. Eigentlich sollten die kostenlosen Tickets für sechs Wochen reichen, bevor neue Werbepartner gefunden werden müssten. Aber der Ansturm war so groß, dass das Budget für die Tickets schon innerhalb einer Woche verbraucht war. Die Macher der App müssen daher immer neue Werbekunden gewinnen. So kann es passieren, dass zwischenzeitlich keine Tickets mehr verfügbar sind und Fahrgäste doch wieder ganz normal am Automaten zahlen müssen.

Werbung selbst aussuchen

Aber was ist neu an dem Modell von WelectGo? Die Idee, mithilfe von Werbung kostenlos Produkte anzubieten, jedenfalls nicht. Fernseh- und Radiosender finanzieren sich schon lange zu einem Teil durch Werbeclips. Auch Spotify hat ein ähnliches Konzept. „Der große Twist bei uns ist die freie Auswahl“, erklärt Olaf Peters. Aus einer Liste von verschiedenen Werbeanbietern können die Nutzer selbst aussuchen, welche vier Clips sie sich anschauen möchten. „Dadurch entsteht eine ganz andere Aufmerksamkeit für die Werbung“, glaubt Peters. Die Sponsoren kommen zum Beispiel aus den Bereichen Bekleidung, Drogerie und Elektronik. Die einzelnen Werbefilme sind etwa 20 Sekunden lang.

Das Projekt geht zunächst jedoch nur bis Ende des Jahres. Es ist noch in der Testphase. „Von unserer Seite aus kann es aber gerne weiterlaufen“, erklärt Heike Schuster, die Pressesprecherin der Düsseldorfer Rheinbahn. Die Rheinbahn hat als erste Verkehrsgesellschaft gewagt, das Modell auszuprobieren. Die Gründer von WelectGo könnten sich aber auch vorstellen, die App in anderen Städten einzusetzen. Die Verkehrsunternehmen in Bochum (Bogestra) und Dortmund (DSW21) beobachten die Entwicklungen in Düsseldorf schon aufmerksam. „Interessant ist das auf jeden Fall“, so Britta Heydenbluth, Pressesprecherin der DSW21. Aber zunächst würden die Ergebnisse der Testphase abgewartet. Die Duisburger Verkehrsgesellschaft AG (DVG) hat sich nach eigenen Angaben noch nicht mit der App beschäftigt.

Demnächst den Kaffee mit Aufmerksamkeit bezahlen?

Peters und Dommers planen, ihr Werbe-Modell auch auf andere Bereiche zu übertragen. Wird es also in Zukunft möglich sein, seinen Kaffee mit Aufmerksamkeit zu bezahlen? In Japan gab es bereits vor einigen Jahren Planungen, kostenlosen Kaffee durch Werbespots am Automaten anzubieten. Olaf Peters meint jedoch: „Ich glaube, in den nächsten zwei Jahren ist es realistischer, das Modell im Micro-Payment-Bereich umgesetzt zu bekommen, wo es nur um Centbeträge geht. Die Rheinbahn ist da eine Ausnahme“. Er denkt besonders an Medienunternehmen, die auf diese Weise im Internet mit einzelnen Artikeln Geld verdienen könnten. Vorab müssten die Leser entweder dafür bezahlen oder sich eigens ausgewählte Werbung anschauen.

Beitragsbild: Rheinbahn

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