Wenn die Krankheit aus der Klinik kommt

Bakterien

Thomas* sollten eigentlich nur gelenkstützende Metalle aus dem Fußgelenk entfernt werden. Ein Routineeingriff, der sich zu einer lebensbedrohlichen Situation entwickelte. Der 35-jährige Personalsachbearbeiter infizierte sich mit einem Krankenhauskeim, der ihn fast drei Monate arbeitsunfähig machte. Auch durch Fehler des Krankenhauses?

Nachdem der Bruch in seinem Fußgelenk verheilt war, wollte Thomas in einem Bochumer Krankenhaus nur noch die restlichen Metallplatten herausnehmen lassen. Der ambulante Eingriff begann für ihn ungewöhnlich: „Ich habe vom Krankenhaus ein Op-Hemd bekommen, das ich überziehen sollte, durfte aber komischerweise meine eigene Unterwäsche anbehalten“, erzählt er.

Zu diesem Zeitpunkt habe er noch versucht sich die negativen Gedanken auszureden, Sorgen mache sich schließlich jeder vor einer Operation. „Als ich dann aber selbst zum Op-Tisch laufen sollte, wusste ich, dass etwas nicht stimmt“, erinnert sich Thomas. „Der Raum war mal ein septischer Op, wurde aber eigentlich nicht mehr benutzt. Das habe ich natürlich erst später erfahren.“

Eine Frage der Hygiene?

Laut Peter-Johann May, Referatsleiter des Fachbereiches Medizin der Krankenhausgesellschaft Nordrhein-Westfalen, sind aber nicht alle dieser Vorgehensweisen ungewöhnlich. Dass Thomas aber selbst zum Op-Tisch laufen musste, habe die Vorschriften der Asepsis verletzt und sei deutlich ein hygienischer Fehler des Krankenhauses. 

Nur eine Woche nach der Operation war Thomas‘ Fuß so stark angeschwollen, dass er sich von seiner Freundin ins Krankenhaus bringen ließ. Die Ärzte diagnostizierten eine starke Entzündung, er musste bleiben und wurde noch in der selben Nacht notoperiert. Die Diagnose: Krankenhauskeim. Für Thomas stellte sich sofort die Frage, ob die mangelnde Hygiene vor der Operation der Auslöser gewesen sei.

Ganz natürliche Bakterien

Steffen Hering, Ärztlicher Direktor am Krankenhaus Bietigheim, ist ausgebildet im Fachbereich Infektiologie. Er sieht die mangelnde Hygiene in Gesundheitseinrichtungen als größte Gefährdung für eine Infektion, aber die Keime selber kommen natürlicherweise entweder auf der Haut oder im Darm vor. „Wenn diese resistent, also unempfindlich, auf Antibiotika reagieren, macht das die Behandlung besonders kompliziert.“ Verstärkt würde ihr Auftreten wahrscheinlich durch unser enges Zusammenleben in der Stadt, ebenso wie durch die unsachgemäße Verwendung von Antibiotika in der Tierhaltung und der Medizin. Aber auch eine erfolgreiche und schnelle Behandlung hänge mit dem Einsatz von Antibiotika zusammen.

„Egal wie häufig ich operiert wurde, die Wunde wuchs einfach nicht zusammen und wurde ständig neu gespült“, sagt Thomas, „dann sollte ich ein Gespräch mit dem Oberarzt führen. Das hat mir echt Angst gemacht.“ Dieser habe ihm seine Lage dann nochmal besonders deutlich aufgezeigt, erklärte ihm, dass wohlmöglich sein Bein bis zum nächsten unentzündeten Knochen amputiert werden müsse. „Ich hatte großes Glück, die Entzündung war noch nicht in den Knochen übergegangen. Wirklich besser machte es die Situation aber nicht.“

Laut Steffen Hering besteht die Behandlung einerseits aus einer gezielten und ausreichend langen Behandlung der Erkrankung, die durch die resistenten Keime entsteht. Das wird, je nach Diagnose, zum Beispiel mit Antibiotika probiert. Andererseits versuchen die Ärzte, die Krankheit durch die vollständige Beseitigung ihrer Erreger zu bekämpfen, also die Keime zu entfernen. „Das kann bei beispielsweise multiresistenten Keimen auf der Haut durch desinfizierende Waschungen geschehen.“ Besonders wichtig sei es aber auch, betroffene Patienten sofort zu isolieren. 

Sechs Operationen

Die Bakterien in Thomas’ Fußgelenk konnten zwar durch mehrfache Spülungen und eine Vielzahl von Medikamenten eingedämmt werden, in der Wunde wuchs aber trotzdem kein Gewebe nach. „Man hat mir da dann einen Schwamm eingesetzt und eine Pumpe darauf befestigt. So konnte das Gewebe dann endlich von unten nach oben nachwachsen“, erklärt er. „Aus dem Oberschenkel haben sie mir dann ein Stück Haut entnommen und mit einem merkwürdigen Waffelmuster versehen wieder eingesetzt. Das sah aus, als hätten die Ärzte es einmal durch den Fleischwolf gedreht.“ Die transplantierte Haut ist bei Thomas schließlich vollständig verwachsen, sodass er das Krankenhaus nach insgesamt zweieinhalb Monaten gesund wieder verlassen konnte. 

Laut der Deutschen Gesellschaft für Krankenhaushygiene infiziert sich jeder zehnte Krankenhauspatient in Europa in der Klinik. Etwa drei Millionen Menschen seien es jährlich, die sich mit diesen „Superbakterien“ infizieren, rund 50.000 sterben sogar daran. Die Infektionszahlen in Deutschland bewegen sich jedes Jahr zwischen 500.000 und einer Million Patienten. 

Nordeuropa als Vorbild 

Steffen Hering sieht besonders die zunehmende Massentierhaltung und der dort betriebene undifferenzierte Gebrauch von Antibiotika als Problem. Aktuelle Studien zeigten eine zunehmende Resistenzentwicklung, auch gegen die bisher wirksamen Antibiotika. Grundsätzlich sei die Eindämmung dieser resistenten Keime aber möglich: „Krankenhäuser in den Niederlanden oder Nordeuropa zeigen, dass eine konsequente Einhaltung von Hygienevorschriften eine Ausbreitung verhindert.“ 

Obwohl ein Keim aus der Klinik selbst die Infektion auslöste, spricht Thomas nicht nur negativ über seinen langen Aufenthalt: „Für die Behandlung kann ich dem Krankenhaus keinen Vorwurf machen. Ich habe mich dort gut aufgehoben gefühlt und wurde genau über Erkrankung und Behandlung informiert“, erzählt er.

Ein hundertprozentiger Schutz gegen Krankenhauskeime ist nicht möglich. Doch die Verbesserung hygienischer Standards kann ihre Ausbreitung verhindern und die Behandlung vereinfachen. 

*Name von der Redaktion geändert

 

Titel- und Teaserbild: flickr.com/niaid

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