Gibt es den Heimvorteil wirklich?

Fußball ist eine Wissenschaft. Nicht nur am Stammtisch oder bei der taktischen Neusortierung in der Halbzeitpause: Viele wissenschaftliche Studien beschäftigen sich mit Fußballspielen. Etwa mit dem Heimvorteil. Auf den ersten Blick scheint es nur logisch, dass FußballerInnen vor eigenem Publikum relativ zum Gegner besser spielen. Aber lässt sich dies auch wissenschaftlich nachweisen?

Thomas Dohmen, Rheinische Friedrich-Wilhelms-Universität Bonn: Ja, aber…

Trennt eine Tartanbahn die Zuschauer vom Spielfeld, ist der Heimvorteil weniger stark ausgeprägt. Foto: Elke Handke / pixelio.de

Trennt eine Tartanbahn die Zuschauer vom Spielfeld, ist der Heimvorteil weniger stark ausgeprägt. Foto: Elke Handke / pixelio.de

Ob ein Heimvorteil existiert, lässt sich statistisch nicht nur anhand der Zahl der Heim- und Auswärtssiege nachvollziehen, sondern auch an anderen, den Spielverlauf bestimmenden Ereignissen.

Dr. Thomas Dohmen, Wirtschaftswissenschaftler am Institut zur Zukunft der Arbeit, hat sich etwa mit dem Zusammenhang zwischen der Länge der Nachspielzeit und der Tatsache, dass die Heimmannschaft zurückliegt, beschäftigt und herausgefunden: Schiedsrichter gewähren den Hausherren tatsächlich mehr Zeit, um einen möglichen Rückstand aufzuholen. Allerdings gilt dies nur, wenn in einem reinen Fußballstadion gespielt wird und die Zuschauer nicht durch eine Tartanbahn vom Spielfeld getrennt werden. Dann wirkten nämlich die Emotionen der Zuschauer direkter auf den Schiedsrichter – er fühle sich unterbewusst eher unter Druck gesetzt.

Der Effekt werde allerdings in dem Falle abgeschwächt, wenn Heim- und Auswärtsteam geographisch in derselben Region lägen – dann kämen nämlich mehr Auswärtsfans ins Stadion, wodurch sich der Druck auf den Schiedsrichter verringere.

Auch aus statistischen Daten für zweifelhafte Torentscheidungen, die im Sinne der Heimmannschaft gefällt worden seien, lasse sich herauslesen, dass die Überzahl heimischer Fans der ansässigen Mannschaft einen Vorteil verschaffe. Fünf Prozent aller Tore der Heimteams seien umstritten, während dies nur auf vier Prozent aller Auswärtstore zutreffe. Auch strittige Elfmeter würden eher für das Heimteam gegeben – allerdings nur, solange die Stadionbauweise den Lärmpegel auf dem Spielfeld unterstützt.

Drei Statistiker für die LMU München: Gar nicht!

Auch zuhause muss gekämpft werden – Heimrecht im Rückspiel stellt keinen statistischen Vorteil dar. Foto: Torsten Bogdenand / pixelio.de

Auch zuhause muss gekämpft werden – Heimrecht im Rückspiel stellt keinen statistischen Vorteil dar. Foto: Torsten Bogdenand / pixelio.de

Bei K.o.-Spielen mit Hin- und Rückspiel, das heißt bei solchen, bei denen die Verlierermannschaft aus dem Wettbewerb geworfen wird, gilt das Heimrecht im Rückspiel als Vorteil für die betreffende Mannschaft. Sie kann vor eigenem Publikum einen eventuellen Vorsprung halten oder eine Niederlage wettmachen. Doch ist dies wirklich ein Vorteil?

Drei Statistiker der Ludwig-Maximilians-Universität München haben alle K.o.-Spiele, d.h. Achtel-, Viertel-, Halbfinale sowie das Finale der Champions-League seit 1994/1995 analysiert, um mögliche Vorteile des Heimrechts im Rückspiel herauszustellen. Statistiker Sebastian Kaiser fasst die Forschungsergebnisse wie folgt zusammen: „Eine einfache Auszählung der Sieger mit Heimrecht im Rückspiel ergibt zwar ein Ergebnis von 57 Prozent. Dieser scheinbare Vorteil verschwindet aber, wenn man berücksichtigt, dass im Achtelfinale der Champions League immer ein Gruppensieger gegen einen Gruppenzweiten spielt – und das stärkere Team im Rückspiel Heimrecht hat.“ Das heißt: Statistisch muss mit einberechnet werden, dass das Heimrecht im Rückspiel dem stärkeren Team zugesprochen wird.

Zusätzlich bezogen die Statistiker auch das UEFA-Team-Ranking in ihre Beobachtungen mit ein, um die Stärke der Teams zu berücksichtigen – diese stellte sich abschließend als einzig ausschlaggebender Faktor für einen Sieg heraus – nicht die Tatsache, dass zuhause gespielt wurde.

Da sich nicht nur zwei Forschergruppen mit dem Heimvorteil beschäftigt haben, wird sich pflichtlektuere.com auch morgen mit den wissenschaftlichen Hintergründen des Heimvorteils beschäftigen – dann folgt die Auflösung.

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