Eine Zukunftsidee: Energiespeicherung unter Tage

Pumpspeicherwerke an Bergen sind die gängige Form im großen Maßstab Energie zu speichern. Wenn viel Wind herrscht oder die Kohlekraftwerke des Nachts weiterlaufen, wird Wasser einen Berg hinauf in ein Speicherbecken gepumpt. Wenn die Energie später benötigt wird, kann das Wasser durch Rohre hinab laufen und Turbinen antreiben. Das Problem: Nicht überall sind Berge und außerdem ist der Landschaftsverbrauch für die Speicher hoch. Vier Professoren an den Universitäten Duisburg-Essen und Bochum arbeiten an einer Lösung: Sie wollen Pumpspeicherwerke unter Tage bauen.

Ein Schacht der Zeche Auguste Victoria, Marl: Was passiert, wenn hier die letzte Schicht zu Ende ist? Foto: Dortmund2008/wikicommons

Ein Schacht der Zeche Auguste Victoria, Marl: Was passiert hier, wenn die letzte Schicht zu Ende ist? Foto: Dortmund2008/wikicommons

Die erste Idee für das Projekt „Unterflurpumpspeicherwerke“ (UPW) kam Ulrich Schreiber, Geologieprofessor an der Universität Duisburg-Essen,  nachdem er zum Beauftragten für Nachhaltigkeit ernannt wurde: „Ich habe zuvor mit Landschaftsarchitekten zusammengearbeitet, die sich mit alten Tagebauen beschäftigten. Sie fragten sich, was passiert, wenn man dort nicht mehr pumpt.“ Wenn man nicht mehr pumpt, würden Teile des Ruhrgebiets bald unter Wasser stehen. Also muss weitergepumpt werden. Das benötigt Energie.

Die Idee: Nachhaltige Bergwerksnutzung

Ein Gedanke kam zum anderen: Das warme Grubenwasser könnte man auch energetisch nutzen. In 1000 Meter Tiefe ist das Wasser 45°C warm. Daraus kann Strom gewonnen werden, um die Pumpen zu betreiben, oder es kann Fernwärmeenergie erzeugt werden. Warum sollte man dann nicht auch gleich noch mehr Wasser nach unten leiten, um das auch zu heizen. Dazu bräuchte man ein unterirdisches Röhrensystem, müsste also die vorhandenen Stollen ausbauen. Außerdem könnte man Turbinen einsetzen, um aus den herabfallenden Wasser Energie zu schöpfen.

Die Idee zum UPW war geboren. Wenn es nach Schreiber ginge, sollte sie eilig umgesetzt werden, da die Bergwerke nach und nach geschlossen und teilweise verfüllt werden. Schreiber holte sich dafür zunächst André Niemann,Professor für Wasserbau und Wasserwirtschaft in Essen, mit seiner Expertise für Leitungssysteme ins Boot. Das Team vervollständigen Eugen Perau (Professor für Geotechnik an der Universität Duisburg-Essen), der sich mit Schächten, Tunneln und Deichen auskennt und der Bochumer Professor für Energietechnik Hermann-Josef Wagner, der sich mit der Energieproduktion beschäftigen soll.

Er hatte die Idee zum Unterflurpumpspeicherwerk: Ulrich Schreiber Foto: Andreas Bäumer

Er hatte die Idee zum Unterflurpumpspeicherwerk: Ulrich Schreiber Foto: Andreas Bäumer

Die Vorteile: Verbrauchernah und effiziente Energiespeicherung

Zur Zeit stellen herkömmliche Pumpspeicherwerke in Deutschland fünf Gigawatt Speicherleistung zur Verfügung. Das wird sich in den nächsten Jahren kaum ändern, denn mit dem Bau neuer Pumpspeicherwerke über Tage gehen ökologische Probleme, wie Landschaftsverbrauch einher und wie Ulrich Schreiber sagt: „Es gibt einfach nicht überall Berge. Wenn man den Strom hingegen in Norwegen speichert, verliert man viel Strom durch Netzverluste.“

Allerdings wird der Anteil der Wind- und Sonnenenergie steigen. Bis 2030 sollen 30 Prozent der Energie auf ressourcenschonende Weise hergestellt werden, so plant die Bundesregierung. Insgesamt werden von der Deutschen Netzagentur 43 Gigawatt Windkraftleistung vorhergesagt. 14 Gigawatt davon müssten exportiert oder in neuartigen Speichern wie Batterien oder eben Unterflurpumpspeicherwerken zwischengespeichert werden. Diese hätten zumindest den Vorteil, dass sie nah an den Verbrauchern gebaut werden könnten.

Wie viel Leistung die UPW letztlich liefern werden, ist den Forschern noch nicht klar. Sie beginnen gerade erst ein Design zu entwickeln. Allerdings sagt Ulrich Schreiber über den Wirkungsgrad eines UPW: „Normalerweise würden man einen Wirkungsgrad von etwa 75 Prozent erwarten, doch durch die Geothermie-Nutzung wird er höher sein.“

Die Optionen: Im Bergwerk, im Tagebau oder unter Wasser

Derzeit suchen die Forscher nach geeigneten Bergwerken. Auch über die Nutzung von Tagebauen oder von Unterwassergefällen wird nachgedacht. Die Systeme sind ähnlich: Unten ein Speicher und die Pumpen, zwischendurch ein Zuleitungsrohr für das Wasser mit einer Turbine darin, außerdem werden Abluft- und Zuluftleitungen nötig. Über Tage wird ein Speicherbecken gebaut werden, in Tagebauen könnten auch die Tagebauseen genutzt werden.

Schema eines Unterflurpumpspeicherwerks. Zeichnung: Universität Duisburg-Essen

Schema eines Unterflurpumpspeicherwerks. Zeichnung: Universität Duisburg-Essen

In wärmeren Gefilden hätten die Unterwasserpumpwerke einen besonderen Vorteil. Ulrich Schreiber stellt sich vor, wie es wäre, wenn am Roten Meer solch ein Pumpwerk gebaut werden würde: „Dann könnte man das kühle Meereswasser aus der Tiefe für die Klimatisierung von Häusern nutzen.“

Die Herausforderungen: Viel Sand auf einem kleinen Rohr

Der Röhrenexperte: Eugen Perau. Foto: Andreas Bäumer

Design Röhren, Schächte und Deiche: Eugen Perau. Foto: Andreas Bäumer

Unter Wasser würde der allseitige Druck der Wassersäule die Rohre stabilisieren. Unter Tage wäre dies nicht so. Hier drückt das Material von oben und weicht zur Seite aus.

Über solche und ähnliche Probleme forscht Eugen Perau. Er denkt zum Beispiel darüber nach, wie es gehen kann, ein paar Rohre während des laufenden Betriebes in einer Braunkohlegrube zu verlegen und darüber wie diese am stabilsten bleiben. Sollten sie nebeneinander oder besser übereinander verlegt werden, sollten sie weich oder eher hart sein? Was passiert, wenn man sie mit 400 m Erde bedeckt? Wie kann man Strudel im Röhrenssystem vermeiden? Wie stört der Ausbau der Rohre möglichst wenig den Abbau der Kohle?

Weitere Probleme die sich den Forschern stellen ist der Umgang mit der Abluft, die vom Wasser verdrängt wird. Sollte die Abluft zunächst durch das herein rauschende Wasser komprimiert werden, um daraus Wärme zu gewinnen oder ist es sinnvoller es freier herausströmen zu lassen?
Bevor sie die nächsten Schritte gehen, wollen die Forscher solche Fragen lösen. In der zweiten Hälfte des Jahres 2011 wollen sie die Ergebnisse in einem Symposium vorstellen.

Die Zukunft: Rechtliche und politische Fragen

Bisher sind in der Forschungsgruppe nur Naturwissenschaftler und Ingenieure. Sie beschäftigen sich mit der Grundlagenforschung und denken darüber nach wohin sie ihre Idee noch exportieren könnten. So schlägt Schreiber vor, dass man künftig Bergwerke direkt so plant und ausbaut, dass man dort noch während des Betriebes nach und nach ein UPW installiert. Neue Bergwerke werden aber nur außerhalb Deutschland gebaut.

Wenn aber Unterflurpumpwerke in Deutschland gebaut werden sollen, müssen noch viele rechtliche und politische Fragen geklärt werden. Technische Großprojekte sind immer umstritten, von der Überlandleitung zum unterirdischen Bahnhof. Herkömmliche Pumpspeicherwerke sind auch deshalb umstritten, weil sie nicht nur die Energie aus Produktionsspitzen von Windkraftwerken speichern können, sondern auch den Strom aus Kernkraftwerken und Kohlkraftwerken „veredeln“. Diese müssen nämlich nachts weiter produzieren, weil sie nicht so einfach heruntergefahren werden können. Wenn der Strom nachts gespeichert werden kann, ist es möglich ihn tagsüber teurer zu verkaufen.

Ob die Bergwerke dann tatsächlich nachhaltig genutzt werden ist also auch davon abhängig, wie der künftige Energiemix aussieht.