Wissenswert – Das Zungenspitzenphänomen

„Mh… wie heißt denn der nochmal? Der eine Sänger… irgendwas mit M auf jeden Fall. Aber ich komm einfach nicht drauf…“

Es ist eine Situation, die jeder kennt: Ein bestimmter Name oder eine Bezeichnung fallen einem einfach nicht ein. Trotzdem ist das Wort zum Greifen nah und es liegt einem regelrecht auf der Zunge. Wissenschaftler nennen dieses Problem passenderweise das „Zungenspitzenphänomen“ – es beschreibt genau den Moment, in dem man ein Wort aus dem mentalen Lexikon einfach nicht abrufen kann.

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Erforscht wird das Phänomen bereits seit 1966

Als erste untersuchten 1966 die amerikanischen Psychologen Roger Brown und David McNeill das Zungenspitzenphänomen. In einer Studie fanden sie heraus: Auch wenn die Testpersonen während des Wortfindungsprozesses nicht direkt auf das gesuchte Wort kommen, fallen ihnen meist Wörter mit einer ähnlichen Bedeutung, einer gleichen Silbenanzahl oder einem Wort mit dem gleichen Anfangsbuchstaben ein.

Im Jahr 2000 haben die amerikanischen Psychologinnen Lori James und Deborah Burke das Zungenspitzenphänomen erneut wissenschaftlich untersucht und  folgende These aufgestellt: Das Phänomen tritt dann auf, wenn  die Verbindung im Gehirn zwischen der Bedeutung und der Aussprache eines Wortes zu „weich“ ist. „Weich“ heißt in diesem Fall, dass ein Wort zu wenig repräsentiert ist in unserem Gehirn. Zu wenig repräsentiert können zum Beispiel Wörter sein, die im Alltag nicht oft gebraucht werden.

Genau nach solchen Wörtern fragten die Psychologinnen in ihrer Studie. Die Probanden sollten beispielsweise das Verb für den Ausdruck „auf den Thron verzichten“ benennen. Den beiden Wissenschaftlerinnen zufolge, gehört das Wort „abdanken“ nämlich nicht zum alltäglichen Wortschatz und ist somit ein gutes Beispiel für ein wenig repräsentiertes Wort in unserem Gehirn. Wurden die Probanden jedoch vorher nach einfacheren Wörtern mit ähnlichem Klang oder Anfangsbuchstaben gefragt, fielen ihnen Wörter wie „abdanken“ schneller ein.

Das Zungenspitzenphänomen – ein internationales Phänomen

Der emotionale Druck, den ein Suchender empfindet, erschwert die Wortfindung zusätzlich. Daher kommt es auch oft vor, dass das Wort Stunden später einfach wieder da ist: Der emotionale Druck entfällt und das Gehirn kann in Ruhe nach dem fehlenden Begriff suchen. Das tut es meist noch Stunden nach dem Vorfall, auch wenn wir uns gar nicht mehr  bewusst mit der Suche beschäftigen.

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Mit Kreuzworträtseln und Gedächtnisübungen kann das Gehirn trainiert werden. Foto: Joujou / pixelio.de

Auch in anderen Ländern gibt es ähnliche Bezeichnungen für das Zungenspitzenphänomen. Im Englischen wird es zum Beispiel „Tip of the Tongue“-phenomenon genannt. Die Benennung des Phänomens ist in insgesamt 44 Sprachen identisch.

Gedächtnistraining kann helfen

Auftreten kann das Zungenspitzenphänomen bei jedem Menschen – allerdings häufiger, je älter man wird. Durch Kreuzworträtsel oder Gedächtnisspiele, mit denen das Gehirn trainiert wird, kann man zumindest ein wenig entgegenwirken, dass das Zungenspitzenphänomen häufig auftritt.

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