Golfkrieg im Wrestlingring

Undertaker, Hulk Hogan und Heartbreak Kid. So hießen und heißen die Stars des Professional Wrestling. Diese Mischung aus athletischen Wundern und Seifenoperelementen findet auch in Deutschland seit Jahrzehnten eine wachsende Fangemeinde. pflichtlektüre wirft einen Blick auf die abstrusesten Wrestlingfehden.

Wrestling-Fans in der kölner Lanxess-Arena. Foto: Tino Perlick

Wrestling-Fans in der kölner Lanxess-Arena. Foto: Tino Perlick

Vor gut 100 Jahren galt das Ringen als eine der beliebtesten Sportarten der Amerikaner. Teddy Roosevelt lud den damaligen Champion Frank Gotch sogar ins Weiße Haus ein. Präsidialen Ehren zum Trotz entschieden Gotch und Kollegen jedoch, am Knochenjob müsse sich etwas ändern – schließlich verhinderte das ständige Knochenbrechen das Geldverdienen. Fortan taten alle nur noch so als ob. Es wurden Ergebnisse abgesprochen und Matches choreographiert. Pro Wrestling war geboren!
Lizenzen, Fernsehrechte und Live-Events bescheren dem heutigen Marktführer, World Wrestling Entertainment (WWE), einen Börsenwert von 1,4 Milliarden US Dollar. Das Produkt Wrestling ist heute eine gigantische Marketing- und Merchandise- Maschine.

Der „böse“ und der „gute“ Wrestler

Um das Faninteresse über die Jahrzehnte aufrecht zu erhalten, nahmen Wrestler sogenannte „gimmicks“ an, Rollen, die sie im Ring spielten. Weil ein emotional gepackter Fan öfter Tickets kauft, stehen sich bis heute „gute“ und „böse“ Wrestler gegenüber. In den USA der 50er Jahre traten die populären und „guten“ Wrestler bevorzugt gegen Nazis oder böse Japaner an. Die Feinde wurden meist von stinknormalen US-Boys gespielt und bekamen kassenträchtig den Hintern versohlt. Was wie harmloses Kinderspiel aussah, bedeutete für die Wrestler damals zum Teil Lebensgefahr, denn körperliche Angriffe von aufgebrachten, patriotischen Fans gehörten zum Alltag.

Pro Wrestling bedient sich politischer Konflikte

Wrestling Fan ist man ganz oder gar nicht, wie dieser Hulk Hogan Fan beweist. Foto: Tino Perlick

Wrestling Fan ist man ganz oder gar nicht, wie dieser Hulk Hogan Fan beweist. Foto: Tino Perlick

Schon immer orientierte sich Pro Wrestling beim Erschaffen neuer Charaktere und Fehden an tatsächlichen Schlagzeilen. So stürmten während des Kalten Krieges zahlreiche böse „Sowjets“ den Ring, oder Charaktere wie der „Iron Sheik“, die Karikatur eines bösen Fundamentalisten, wurden nach der Iranischen Geiselnahme der amerikanischen Botschaft von 1979 geschaffen.

Eines hatten alle fanatischen Fremden gemein: Sie betraten den Ring nie ohne ihre Nationalflagge und entsprachen ihren Rollen meist nur durch Äußerlichkeiten. Nikolai Volkoff, der berühmteste Repräsentant der Sowjetunion, war eigentlich ein Jugoslawe, der vor den Kommunisten in den Westen floh. Ein weiteres Beispiel ist der „Iron Sheik“, der zwar wirklich aus dem Iran stammte, aber zur Leibgarde des Shahs gehörte und damit dem exakten Gegenteil dessen entsprach, was er Ring verkörperte: Einen fanatischen Unterstützer des Ayatollah.

Hulk Hogan vs. Saddam Hussein

Rey Mysterio begeistert vor allem junge Wrestlingfans. Foto: Tino Perlick

Rey Mysterio begeistert vor allem junge Wrestlingfans. Foto: Tino Perlick

Amerikanern, die für die Komplexität des ersten Golfkrieges im Jahre 1991 keine Geduld hatten, bot WWE eine unterhaltsame Alternative. Sie verfrachteten „operation desert storm“ in den Ring und ließen Superpatriot Hulk Hogan gegen Sgt. Slaughter, einen verbitterten Irak-Sympathisanten, antreten. Unterstützt von zwei „irakischen“ Wrestlern bildete Slaughter das „triangle of terror“. Klingt fast wie „Achse des Bösen“ – ob George Bush junior seinen viel diskutierten Kriegsjargon aus dem Wrestlingbusiness entnommen hat? Vielleicht gehörte der Ex-Präsident ja auch zu dem Millionenpublikum, das mit ansah, wie ein siegreicher Hulk Hogan im Ring spektakulär die Irakische Flagge zerriss. Spätestens da war klar, wer im Mittleren Osten das Sagen hat.

Terroristen im Ring

Der 11. September 2001 bedeute nicht nur das endgültige Aus für ein Comeback des 80er Jahre-Teams „Twin Towers“. Das neue, alte Feindbild des fundamentalen Arabers bot den Autoren der WWE auch neuen Zündstoff für ethnisch aufgeladene Storylines. Am besten verdeutlicht wurden diese an der Figur des Muhammad Hassan. Als schmieriger, amerikanischer Araber, der vor seinen Matches gen Mekka betete, bot er eine perfekte Projektionsfläche für neue Ängste vor potentiellen Terroristen von nebenan. Schade, dass ausgerechnet am Tag der Bombenanschläge von London 2005 sein Charakter im Fernsehen einen heimtückischen „Anschlag“ auf den Undertaker verübte. Die Folge war ein Ultimatum des TV-Senders UPN, den Charakter ohne Verzögerung zu streichen!

Weniger zimperlich ging es in den 90ern zu, als ein Wrestler unter dem Namen „The Final Solution“, also „Endlösung“, sein Unwesen trieb. Erst heftige Proteste jüdischer Vereine bewegten die damalige Organisation WCW zum Einlenken. Aus Final Solution wurde „Ultimate Solution“.

Die subtile Masche

Ein John Cena Fan in voller Montur. Foto: Tino Perlick

Ein John Cena Fan in voller Montur. Foto: Tino Perlick

Heutzutage lässt man Fantasienamen lieber gleich ganz weg. WWEs heutiger Superstar und König des T-Shirt Umsatzes heißt schlichtweg John Cena. Im Vergleich zu Hulk Hogan und anderen früheren Superpatrioten muss dieser auch nicht den ganzen Tag in Unterhosen der U.S. Landesfarben antreten. Seinen patriotischen Auftrag erfüllt Cena, zumindest für amerikanische Verhältnisse, weitaus subtiler: Mit Militärhaarschnitt und stets salutierend erscheint er äußerlich wie ein Soldat. Und wenn er dann in den vielen Aufgabe-Matches, die er Jahr für Jahr bestreitet, stets als niemals das Handtuch werfender Sieger hervorgeht, dann ist das verpackte Propaganda pur. Wenn auch nicht ganz so plakativ wie Hogan damals mit der irakischen Flagge.

Da freut sich das Pentagon, deren National Guard seit 2009 Sponsor der WWE ist und dafür vor Großveranstaltungen mit Rekrutierungsinformationen werben darf. 
Egal wie es geopolitisch weitergeht auf der Erde, Pro Wrestling findet sicher einen Weg, den Konflikt simpel verpackt für die Masse zu vermarkten.

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