Die Rohkostdiät – kurz und schmerzhaft

Nur noch zwei Wochen bis zu meinem diesjährigen Strandurlaub! Höchste Zeit also, mal wieder eine Last-Minute-Diät anzufangen, damit es doch noch was wird mit der Bikinifigur. Und damit das so kurzfristig auch noch hinhaut, tausche ich nicht wie in den letzten Jahren einfach kleine „Zwischendurch-Sünden“ wie Chips oder Gummibärchen gegen einen gesunden Obstsalat, sondern ziehe das Ganze etwas extremer auf: Eine Woche lang werde ich mich ausschließlich von roher Nahrung ernähren. Gekochtes, Gebratenes, Gebackenes und Frittiertes – all das ist strengstens verboten!


Gemüse nicht kochen? Klingt komisch, isst sich aber so - zumindest in der Rohkost-Diät. Das "lebende" Essen soll beim Abnehmen helfen. Foto: berggeist007  / pixelio.de

Gemüse nicht kochen? Klingt komisch, isst sich aber so – zumindest in der Rohkost-Diät. Das „lebende“ Essen soll beim Abnehmen helfen. Foto: berggeist007 / pixelio.de

Rohköstler, wie sich die Verfechter dieser Ernährungsart nennen, sind der Meinung, dass nur „lebende“ Nahrung gut für den Körper ist. Das Denaturieren von Lebensmitteln hingegen (also Frittieren und Co.) zerstöre wichtige Enzyme und Vitamine und mache so auf Dauer krank. Zudem wird auf Raw-Food-Blogs von reinerer Haut, erhöhter Belastbarkeit, bis zu 20 Jahre jüngerem Aussehen – okay, darauf kann ich im Moment noch verzichten! – und schnellen, beträchtlichen Gewichtsverlusten berichtet. Wenn das nicht traumhaft klingt! 

Entsprechend enthusiastisch beginne ich auch den ersten Tag meiner Diät. Den Wecker vor der Uni habe ich mir extra eine halbe Stunde früher gestellt als sonst: Um 7.30 Uhr stehe ich in der Küche und schäle Möhren, wasche Tomaten und schnibbele Gurken. Vor mir liegt ein zehnstündiger Unitag und ich darf definitiv nicht in Versuchung kommen, meinen Magen in der Mittagszeit mit den nicht-mehr-rohen Köstlichkeiten aus der Mensa zu versorgen. Aber mit einer riesigen Brotdose voll Gemüse, einer Flasche Wasser und gestärkt mit (ungesüßten!) Erdbeeren sollte das erst gar nicht passieren. Und so mache ich mich auf den Weg in meinen ersten Tag als Rohköstlerin.

Ich fühle mich jedes mal so richtig gesund, wenn ich zwischen den Vorlesungen eine Möhre aus meiner Dose hole oder mit meinen Kommilitonen in der Mensa sitze und Gurken esse, während die ihre Tabletts mit Wiener Schnitzel und Pommes beladen. Nach den ersten sechs Stunden in der Uni ist meine Rohkost-Überlebensdose allerdings schon leer gegessen. Ein Vorteil der Rohkostdiät soll sein, dass sie den Magen langfristig beschäftigt und somit das Hungergefühl mindert – irgendwie scheint das bei mir nicht zu funktionieren. Aber abends habe ich das Gefühl, dass mein Bauch schon viel flacher aussieht als gestern! Noch ein paar ungeröstete Nüsse als Abendbrot und dann ist der erste Tag als Rohköstlerin geschafft. 

[nggallery id=95]

„Gerichte“ vom Speiseplan einer Rohköstlerin. Fotos: Carla Sommer

Rohkost macht gute Haut und schlechte Laune

Mit den Tagen wandert meine gute Laune allerdings mehr und mehr in den Keller. Schon beim Frühstück fühle ich mich von den strikten Vorgaben der Raw-Food-Gurus schrecklich eingeschränkt: Müsli fällt flach – denn das darf nur mit unbehandelter Milch, quasi frisch aus dem Euter gegessen werden. Und auch da ist umstritten, ob das so gut für Magen und Verdauung ist. Backwaren wie Brot oder Brötchen lassen schon am Namen erkennen, dass sie für Rohköstler tabu sind. Was ginge, sind Eier – wenn man sich denn überwinden kann, sie roh zu essen. Sicherlich von Vorteil bei der ansonsten relativ eiweißarmen Rohkost. Aber ich bleibe dann doch lieber bei Wassermelone und Himbeeren zum Frühstück.

Die Rohkost-Diät - das sagt die Ernährungsexpertin

Prof. Klaus„Kurzfristig ist eine Rohkostdiät sicher machbar und wird auch zum Abnehmen führen, da die Lebensmittelauswahl doch sehr beschränkt ist und rohes Obst und Gemüse nicht gut verdaubar sind, bzw. eine niedrige Energiedichte haben. Langfristig kann es allerdings zu Protein- bzw. Aminosäure- und auch Fettsäuremangel kommen. Bestimmte Amino- und Fettsäuren kann der Körper nicht selbst bilden und muss sie mit der Nahrung aufnehmen.

Was ich nicht verstehe: warum sollte man überhaupt auf Erhitzen bei der Essenszubereitung verzichten? Die Beherrschung des Feuers und damit die Möglichkeit sich neue Essensquellen zu erschließen bzw. Lebensmittel erst haltbar und genießbar zu machen ist eine der großen Errungenschaften des frühen Menschen und hat die Entwicklung und geographische Ausbereitung des modernen Menschen erst möglich gemacht. Wieso sollte das was Schlechtes sein?“

Prof. Dr. Susanne Klaus arbeitet am Deutschen Institut für Ernährungsforschung in Potsdam. Für pflichtlektüre kommentiert sie verschiedene Diät-Ansätze.

Über den Tag hinweg plagen mich kolikartige Bauchschmerzen und ich habe das Gefühl, ein riesiges Loch im Magen zu haben, das nach Fisch, Fleisch, Nudeln, Brot und Reis schreit. Allein bei dem Gedanken an Gebratenes und Frittiertes zieht sich mein Magen zu einem Häufchen Elend zusammen und grummelt missmutig. Das einzige, was mir hin und wieder noch ein Lächeln ins Gesicht zaubern kann, sind vegane Fruchtsmoothies, die mich ein bisschen an Leckereien aus vergangenen Tagen erinnern.  So schwer hätte ich mir das Rohköstlerleben wirklich nicht vorgestellt. Es ist sicher nicht schlecht, diese großen Mengen an gesundem Obst und Gemüse zu essen (auch wenn ich mir nicht sicher bin, ob mein Magen wirklich in der Lage ist, das Zeug zu verdauen), aber es macht auf Dauer definitiv nicht glücklich.

Erdbeeren: Lecker und vor allem erlaubt in der Rohkost-Diät. Foto: Sebastian Hetheier

Erdbeeren (natürlich ungezuckert): Lecker und vor allem erlaubt in der Rohkost-Diät. Foto: Sebastian Hetheier

Nur Rohkost ist auf Dauer schlecht für die Gesundheit

Das Unglück nimmt seinen Lauf, als ich an Tag fünf meiner Diät zu einem Grillabend mit Freunden eingeladen bin. Während sich die einen Würstchen und Nackensteaks, die anderen zumindest Grillkäse und Paprika auf den Grill hauen, ziehe ich meine ominöse Rohkostdose aus der Tasche und knabbere lustlos an einer Kohlrabi herum. „Willst du auch ein Würstchen?“, fragt mich der Grillmeister. Ich will schlecht gelaunt den Kopf schütteln, aber in dem Moment macht mein hungriger Magen meinem Kopf einen Strich durch die Rechnung. Kurz darauf wandert die erste Gabel mit denaturiertem Grillfleisch in meinen Mund. Es ist wie eine Erlösung! Ich fühle mich wie jemand, der kurz vor dem Verhungern ein Stück Brot gereicht bekommt – und das Gefühl hat noch nie etwas Besseres gegessen zu haben. 

Gut, ich habe meine Diät also zwei Tage vor Ende abgebrochen. Ein bisschen schlecht fühle ich mich schon, dass ich der Versuchung der „unlebendigen“ Nahrung nachgegeben habe – aber andererseits: Man sollte sich auch nicht selbst geißeln, nur um das Urlaubsflieger mit ein paar Kilo weniger zu besteigen. Das rede ich mir auf jeden Fall ein. Mein Fazit: Mit Sicherheit ist die Rohkostdiät sinnvoll, um schnell viel abzunehmen. In den fünf Tagen habe ich alleine zwei Kilo verloren. Aber gesund ist das auf Dauer mit Sicherheit nicht, denn dem Körper  wird bei Weitem nicht alles geliefert, was er für einen gesunden Stoffwechsel braucht. Und schlechte Laune macht das Hungern auf Dauer auch! Um der Bikinifigur doch noch ein Stück näher zu kommen, werde ich wieder auf mein altes Konzept zurück greifen: Statt Süßkram zu naschen, einfach mal eine Banane essen. Das ein oder andere Würstchen vom Grill wird da sicherlich nicht schaden.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert