Hoffen auf Asyl

Düsseldorfer Flüchtlingsinitiative „STAY!” Foto: Dorothea Schmitz

Levon Cholakyan ist 30 Jahre alt. Er ist Arzt. Genauer: Chirurg. Er möchte in Deutschland arbeiten. Seine Frau Varduhi Hayrapetyan ist Pharmazeutikerin. Sie möchte auch in Deutschland arbeiten. Die beiden kommen aus Armenien, wo sie zur Mittelschicht gehörten und gut gelebt haben. Sie dachten nicht daran, ihr Heimatland zu verlassen. Bis die beiden als Oppositionelle mehrfach festgenommen und von der Polizei misshandelt wurden.

Levon kam damals nach Deutschland und lies seine Verletzungen (Schädeltrauma, Prellungen etc.) in Hannover behandeln. Levon kannte Deutschland. Er absolvierte 2010 ein Praktikum in einer Klinik in Hannover. Nach der Behandlung ging Levon wieder nach Armenien, zurück zu seiner Frau. Die Lage verschlimmerte sich zu Hause aber weiter und ihr beider Leben war in Gefahr. 2012 flog Levon dann wieder nach Deutschland, diesmal um zu bleiben. Varduhi kam wenige Monate später nach – grün und blau geprügelt. Amnesty International hat die Verfolgung und Misshandlung Oppositioneller in Armenien bestätigt – die beiden hätten ein Recht auf Asyl.

Warten auf ein Leben in Sicherheit 

Levon und Vardhui Fotos: Privat Levon

Levon und Vardhui (Fotos: Privat)

Als Levon 2012 seinen Antrag auf Asyl stellte, wurde der abgelehnt. Grund: Man glaube Levon nicht! Dieser „Lügner-Status“ ist für Asyl Bewerber schwer wieder loszuwerden und es entsteht ein erheblicher mehr Aufwand an Papierkram und die Auflagen werden weiter verschärft. Varduhi glaubte man, da sie mit ihren Verletzungen der lebende Beweiß war und alles dokumentiert hatte. Levon fragte man nur, warum er damals, nach seiner Behandlung in Deutschland nicht gleich geblieben sei und einen Asyl-Antrag gestellt hätte. Der wäre bestimmt bewilligt worden. Levon wollte seine Frau aber nicht zurück lassen, er bangte um ihrer Sicherheit. Der erste Widerspruch: Die Dokumente über Levons Verletzungen stammen aus einer deutschen Klinik. Damals hätte man ihm also geglaubt, aber heute nicht mehr?

Mit Oliver Ongaro von „Stay“ trafen die beiden endlich Jemanden, der ihnen half

Levon hätte nach der Ablehnung gleich Einspruch einlegen sollen, damals waren er und Varduhi aber noch völlig auf sich alleine gestellt. Hilflos warteten die beiden auf die nächste Schritte der Behörde. Bis Levon vor circa eineinhalb Jahren Oliver Ongaro von der Flüchtlingsinitiative Stay Düsseldorf kennen lernte. „Stay“ hilft Flüchtlingen in Rechts- und Organisationsangelegenheiten. Mit Projekten wie zum Beispiel das „Medinetz“ bietet Stay medizinische Versorgung für papierlose Flüchtlinge. Oliver Ongaro:“ Irgendwann muss sich eine Gesellschaft entscheiden, wie sie mit Migration umgeht. Levon und Varduhi würden langfristig keine Fördermittel brauchen. Sie könnten sich bald selbst finanzieren und versorgen.“ Der zweite Widerspruch: Von vielen Seiten hört man das Argument der Kosten, des Geldes. Die Unterkunft und Versorgung von Flüchtlingen kostet Geld. Levon und Vaduhi sind zwei qualifizierte, motivierte junge Menschen, die sich fernab ihrer Heimat gezwungen sahen, in einem fremden Land ein neues Leben aufzubauen. Sie wollen. Sie könnten. Sie dürfen aber nicht.

Levon und Varduhi wollen arbeiten und ein normales Leben führen 

Die beiden absolvierten einen einjährigen Deutschkurs an einer Volkshochschule. Um in Deutschland als Arzt arbeiten zu dürfen, muss Levon ein Praktikum und eine Kenntisprüfung, bei der er unter anderem einen fiktiven Patienten auf Deutsch behandeln muss, bestehen. Am 5. Mai schien Levon dann endlich einen Schritt in die richtige Richtung machen zu können: Er sollte ein Praktikum im Düsseldorfer Marienhospital antreten, um den ersten Teil der Kenntisprüfung zu erfüllen. Der Rheinischen Post liegt ein Brief der Bezirksregierung vom 21. April vor, in dem Levon Cholakhyan (30) die Erlaubnis erteilt wird „zur vorübergehenden Ausübung des ärztlichen Berufes in nicht selbstständiger Tätigkeit“. Weiter: „Die Berufserlaubnis werde beschränkt auf eine sechsmonatige ärztliche Tätigkeit zur Vorbereitung auf die Kenntnisprüfung – sie ist Voraussetzung für die Zulassung als Arzt.“ (Rheinische Post, 5.05.2015). Doch am Tag, an dem das Praktikum beginnen sollte, rief die Bezirksregierung an, und teilte dem Marienhospital mit, dass Levon das Praktikum nicht antreten darf. Auf Anfrage von „Stay“ und der Rheinischen Post bestritt die Behörde diesen Anruf. Der nächste Widerspruch: Erst wird Levon die Erlaubnis erteilt, dann wieder entzogen. Ohne Grund. Und wieder wurden Levons Hoffnungen zu nichte gemacht.

Seiner Frau ergeht es etwas anders. Varduhi ist Pharmazeutikerin, um sich ihren Abschluss in Deutschland anerkennken zu lassen, studiert sie an der Heinrich-Heine Universität. Aber auch sie ist nur geduldet.

Von Geburt an illegal

Levons und Varduhis Wunsch, nach einem selbstständigen und normalen Leben in Sicherheit ist seit vor zwei Jahren ihr Sohn David geboren wurde, noch stärker. David ist zwar in Deutschland geboren, aber noch lange kein „Deutscher“. „Wir haben nur ein Papier auf dem steht, dass er David heißt und wir die Eltern sind“ berichtet Levon. Von Geburt an illegal.

Levon und sein Sohn David Foto: Levon

Levon und sein Sohn David (Foto: Privat)

Der Petitionsauschuss des Landtags NRW war nun die nächste Instanz für die kleine Familie. Der Ausschuss sprach eine Empfehlung an die Ausländerbehörde aus, den dreien eine Aufenthaltsgenehmigung zu erteilen.  Begründung: Levon und Varduhi haben alle nötigen Dokumente und Unterlagen vorgelegt und würden in sogenannten Mangelberufen arbeiten. Die Empfehung ist jedoch nicht bindend für die Behörde. Sie sieht weiterhin juristische Probleme und will das Innenministerium den Fall prüfen lassen. Bisher keine Entscheidung.

Letzte Hoffnung: Härtefallantrag 

Oliver Ongaro:“Wir werden nun einen Härtefallantrag stellen! Hier geht es um einen Einzelfall, der beispielhaft für viele Fälle ist. Die Ausländerbehörde Düsseldorf nutzt Ermessensspielräume zu selten im Sinne der antragstellenden Flüchtlinge. Eine städtische Willkommenskultur muss hier andere Maßstäbe ansetzen.“

Lichtblick: Das Marienhospital in Düsseldorf hält Levon den Praktikumsplatz frei. Leider hat er nur noch bis zum 21. Juli die (eigentlich erteilte) Erlaubnis, um das Praktikum anzutreten. Was danach passiert, weiß keiner.

 

Düsseldorfer Flüchtlingsinitiative STAY!
Oliver Ongaro und sein Team helfen Flüchtlingen, ob mit oder ohne Papiere, hilflos gegenüber den Behörden und der Bürokratie oder mit medizinischer Versorgung. Im Ladenlokal in Düsseldorf sind „Refugees Welcome!” Öffnungszeiten: Montags von 10 bis 12 Uhr, Dienstags von 16 bis 19 Uhr, Freitags von 13 bis 15 Uhr. Die „Medinetz“-Sprechstunden sind Dienstags von 19 bis 20:30 und Donnerstags von 14 bis 16 Uhr. Hüttenstraße 150,  40227 Düsseldorf.

Titel- und Teaserbild: Dorothea Schmitz

 

 

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert