Machtwechsel in NRW –

Ein Rückblick auf die Landtagswahl

Die CDU jubelt, die SPD stürzt ab. Nach der Landtagswahl in Nordrhein-Westfalen am Sonntag (14. Mai 2017) steht fest: Die rot-grüne Regierung unter Ministerpräsidentin Hannelore Kraft ist abgewählt. Stärkste Partei ist nach den vorläufigen amtlichen Endergebnissen die CDU (33 Prozent). Die SPD fährt mit 31,5 Prozent ihr historisch schlechtestes Ergebnis in NRW ein.

Die Ergebnisse der Landtagswahl 2017 im Überblick:

Das war der Wahlabend

Es ist 18 Uhr als der rote Balken der SPD bei der ersten Prognose nur knapp über die 30 Prozent klettert. Fassungslosigkeit macht sich innerhalb von Sekunden bei den Genossinnen und Genossen in Nordrhein-Westfalen breit. Denn langsam wird klar: die SPD wird als Verlierer aus der Wahl hervorgehen.

„Armin, Armin“, rufen die CDU-Mitglieder währenddessen bei ihrer Wahlparty in Düsseldorf. Sie feiern ihren Spitzenkandidaten Armin Laschet, der mit großer Wahrscheinlichkeit der nächste Ministerpräsident von Nordrhein-Westfalen sein wird. In den vergangenen Wochen hat Laschet eine Aufholjagd hingelegt. Am 19. März lag die CDU mit 30 Prozent laut der Sonntagsfrage der Infratest dimap noch 7 Prozent hinter der SPD (37 Prozent). 

„Wir haben zwei Wahlziele gehabt: Rot-Grün zu beenden und stärkste Partei zu werden. Und beides ist gelungen“, sagt Armin Laschet. Der Mann aus Aachen genießt seinen Triumph. 

22 Minuten nach der ersten Prognose tritt auch die abgewählte Ministerpräsidentin Hannelore Kraft vor die Kameras. Sie übernimmt persönlich Verantwortung: Kraft tritt „mit sofortiger Wirkung“ als SPD-Landesvorsitzende und stellvertretende Bundesvorsitzende zurück. Damit habe die SPD „die Chance auf einen Neuanfang“. Dem Wahlsieger Armin Laschet wünscht sie „eine gute Hand für unser Land“. 

Freude herrscht derweil bei der drittstärksten Kraft im Land. Die FDP ist mit 12,6 Prozent so stark wie noch nie in NRW. Feiern lässt sich dafür der Mann, der die Liberalen wieder in den Bundestag führen will: Christian Lindner. „Wer hätte diesen Abend im Herbst 2013 für möglich gehalten?“, ruft er seiner Partei zu.

Der Blick auf den Bildschirm löst bei Bündnis 90/Die Grünen Ernüchterung aus. Der bisherige Juniorpartner in der Regierungskoalition erreicht nur 6,4 Prozent. Damit halbieren die Grünen ihr Ergebnis von 2012. Sylvia Löhrmann räumt die Wahlniederlage ein: „Diese Koalition ist abgewählt worden. Da gibt es nichts zu beschönigen.“

Die bisherige Schulministerin kündigt an, sie wolle zukünftig keine Ämter mehr in der Landespartei anstreben. Umfragen hatten bereits vorausgesagt, dass es für die Grünen bei der Wahl eng wird. Und auch der Wahlkampf lief zuletzt nicht so, wie gewünscht. Der WDR hatte berichtet, dass Löhrmann auf Twitter mit Haustürwahlkampf geworben, jedoch nur ein Foto vor dem Haus ihres Bruders gestellt hatte.

Still ist es am Wahlabend im Piraten-Lager. Wochenlang hatten sie mit ihrem Wahlslogan „Ohne Piraten ist alles doof“ in NRW für ihre Partei geworden. Als die Prognosen veröffentlicht werden ist klar: Die Wählerschaft hat die Piraten abgewählt. 7,8 Prozent erreichte die Partei bei der Landtagswahl 2012. Nach fünf Jahren Oppositionsarbeit ist ihr Höhenflug jetzt vorbei. Von den 7,8 Prozent ist nur noch 1 Prozent übrig geblieben. 

Selbstbewusstsein herrscht dagegen im AfD-Lager. Im ersten Versuch schafft die Alternative für Deutschland den Sprung in den nordrhein-westfälischen Landtag. Mit 7,4 Prozent liegt die Partei klar über der Fünf-Prozent-Hürde und ist somit in 13 von 16 Landesparlamenten in Deutschland vertreten. Spitzenkandidat Marcus Pretzell will nun „den Finger in die Wunde legen“. Armin Laschet werde „sein blaues Wunder erleben“. 

https://twitter.com/marthadear/status/863796246737301504

Eine Partei kann an diesem Abend nur zittern. Stundenlang herrscht bei der Linken ein Hoffen und Bangen. Immer wieder schwanken die Hochrechnungen knapp um die fünf Prozent-Marke. Erst am späten Abend steht nach den vorläufigen Endergebnissen fest: Die Linke hat den Einzug in den Landtag mit 4,9 Prozent nicht geschafft. Das hat vor allem Auswirkungen auf die Koalitionsbildung.

Wer kann mit wem regieren?

181 Sitze gibt es im NRW-Landtag. Wegen der Überhangmandate steigt die Zahl auf 199. Das bedeutet, dass 100 Mandate für eine absolute Mehrheit nötig sind. Armin Laschet ließ sich am Sonntagabend noch alle Koalitions-Optionen offen. Er werde „mit allen Demokraten reden und sehen, mit wem gibt es die größten Gemeinsamkeiten“.

Aus den Ergebnissen ergibt sich diese Sitzverteilung:

SPD     CDU      GRÜNE      FDP       AfD      
69 72 14 28 16

 

Folgende Konstellationen wären also möglich:

Große Koalition (CDU und SPD): Die CDU holt laut des vorläufigen Endergebnisses 72 Sitze, die SPD 69. Mit 141 hätten sie also gemeinsam eine deutliche Mehrheit. Diese Große Koalition ist also eine Option für Armin Laschet, immer mehr in den Fokus rückt aber Schwarz-Gelb.

Schwarz-Gelb (CDU und FDP):  Die FDP holt 28 Sitze. Gemeinsam mit der SPD kämen sie also exakt auf die benötigten 100 Mandate. Wäre die Linke in den Landtag eingezogen, hätte es nicht zur Mehrheit gereicht. Bereits von 2005 bis 2010 gab es eine schwarz-gelbe Regierung in NRW − damals unter CDU-Ministerpräsident Jürgen Rüttgers. In den nächsten Tagen wird sich zeigen, inwieweit sich Armin Laschet und FDP-Chef Christian Lindner bei Koalitionsgesprächen annähern. Lindner machte am Wahlabend aber klar: „Ich bin nicht der Wunsch-Koalitionspartner von Herrn Laschet und er nicht meiner“.

Jamaika (CDU, FDP und Grüne): Ein Dreierbündnis aus CDU, FDP und Bündnis 90/Die Grünen wäre rechnerisch ohne Probleme möglich (114 Sitze). Doch Sylvia Löhrmann, Spitzenkandidatin der Grünen, hatte eine Koalition mit CDU und FDP vor der Wahl ausgeschlossen. Auch am Wahlabend bekräftigte sie diese Position: „Für uns stellt sich diese Frage nicht“, sagte sie in Düsseldorf. 

Ampel (SPD, FDP und Grüne): Obwohl die SPD nicht mehr die stärkste Kraft im Land ist, wäre diese Koalition möglich (111 Sitze). Dazu kommen wird es aber mit großer Wahrscheinlich kein nicht. FDP-Chef Christian Lindner hat eine Ampel-Koalition ausgeschlossen.  

Was bedeutet das Ergebnis für den Bund?

Ein Viertel der deutschen Bevölkerung lebt in Nordrhein-Westfalen. Die Landtagswahl galt daher auch als ein Stimmungstest für die Bundestagswahl am 24. September. Die CDU ist mit dem Sieg in Nordrhein-Westfalen weiter im Aufschwung. Denn auch in Schleswig-Holstein und dem Saarland musste die SPD in diesem Jahr bereits Niederlagen einstecken. Vor der Euphorie, die nach der Kandidatur von Martin Schulz herrschte, ist nicht mehr viel zu spüren. 

Martin Schulz selbst sprach am Wahlabend in Nordrhein-Westfalen von einer „krachenden Niederlage“. Es sei ein schwerer Tag für die SPD und „ein schwerer Tag auch für mich persönlich“. Er müsse nun überlegen, „was war mein Anteil daran“, sagte Schulz. 

SPD-Generalsekretärin Katarina Barley will aus den Ergebnissen Lehren für den Bundestagswahlkampf ziehen. Am Montag sagte sie im ARD-Morgenmagazin, dass die SPD Begriffe wie „soziale Gerechtigkeit“ und „Zukunftsfähigkeit“ ausdifferenzieren müsse. Die Wähler sollten wissen: „Was meinen wir damit?“.

Eine Frau hielt sich am Wahlabend mit Reaktionen auf die Ergebnisse zurück. Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) kann sich dieses Jahr über den dritten Sieg bei dritten Wahl freuen. Stattdessen stellte sich aber CDU-Generalsekretär Peter Tauber vor die jubelnden Anhänger in Berlin. „Die CDU hat die Herzkammer der SPD erobert“, sagte Tauber. Trotz der Hochstimmung mahnte er an, weiter das große Ziel zu verfolgen, die Bundestagswahl zu gewinnen. „Heute freuen wir uns und ab morgen wird wieder gearbeitet“, so Tauber. 

Auch die FDP sieht sich nach der NRW-Wahl im Aufschwung. Die Hoffnungen, wieder in den Bundestag einzuziehen, steigen. Landes- und Bundeschef Christian Lindner sagte: „Die Menschen wollen ein Comeback der Freien Demokraten, auch in Berlin.“

Die Wahl in NRW hat deutlich gezeigt, dass sich die Meinungen der Wähler innerhalb von Wochen stark ändern können. Die SPD hat nun noch vier Monate Zeit, um die Niederlagen zu verarbeiten. „Es wird ein langer, steiniger Weg“, sagte Schulz mit Blick auf die Bundestagswahl. 

Wie hat das Ruhrgebiet gewählt?

Der Blick auf die politische Landkarte NRWs zeigt: Das Ruhrgebiet bleibt „rot“. Die fünf besten Ergebnisse (Zweitstimme) fuhren die Sozialdemokraten in den folgenden Wahlkreisen ein: Unna III – Hamm II (44,6 Prozent), Herne I (39,5 Prozent), Dortmund III (39,4 Prozent), Oberhausen I (38,8 Prozent) und Hamm I (38,8 Prozent). Auch in Recklinghausen, Gelsenkirchen und Bottrop blieb die SPD bei dieser Wahl an der Spitze.

Blickt man aber auf die Ergebnisse der Landtagswahl 2012, wird klar, dass die SPD im Ruhrgebiet ebenfalls starke Verluste erlitten hat. Vor fünf Jahren erhielten die Sozialdemokraten im Wahlkreis Unna III – Hamm II noch 55 Prozent, also 10,4 Prozentpunkte mehr. Auch im Wahlkreis Herne I rutschen sie von 50,6 Prozent (2012) auf 39,5 Prozent. 

Einen Beigeschmack hinterlässt der vergleichsweise hohe Stimmenanteil, der im Ruhrgebiet an die AfD ging. Im Wahlkreis Gelsenkirchen II bekam die AfD 15,2 Prozent, in Duisburg IV – Wesel V 14,6 Prozent. Auch in den Kreisen Gelsenkirchen I, Essen I – Mülheim II, Essen II, Duisburg III und Oberhausen I kam die Alternative für Deutschland jeweils über 11,9 Prozent.

Wie hat die junge Generation gewählt?

Das Umfrageinstitut Infratest dimap hat für die ARD das Wahlergebnis in den einzelnen Altersgruppen analysiert. Das Ergebnis: Die SPD konnte bei den unter 18- bis 24-Jährigen nicht punkten. Nur 26 Prozent wählten die Sozialdemokraten, die CDU kam auf 23 (2012 waren es nur 18 Prozent).

Gut schneidet dagegen die FDP ab. Die Liberalen bekamen von der jungen Wählergruppe 14 Prozent. Entgegen des allgemeinen Trends in NRW halten die unter 24-Jährigen mit 11 Prozent auch an den Grünen fest. Hätten nur die Jüngeren entschieden, wäre auch die Linke mit 7 Prozent im Landtag. Die AfD dagegen kommt in dem Wählerkreis auf 6 Prozent, die Piraten auf 3 Prozent.

Und wie bewerten Studierende der TU Dortmund die Ergebnisse der Wahl? Wir haben uns einmal auf dem Campus umgehört:

Kathrin, 24, SonderpädagogikMaria, 24, SonderpädagogikAnonyme Studentin, 27, LehramtJens, 21, WirtschaftsingenieurwesenNiklas, 24, WirtschaftsingenieurwesenJulian, 22, Sonderpädagogik

Bescheiden. Ich finde Armin Laschet total unsympathisch. Erschreckend finde ich, dass alle der SPD vorwerfen, dass sie nicht mehr für soziale Gerechtigkeit steht. Ich verstehe nicht, warum die Leute dann nicht die Linke reingewählt haben. 

Die AfD im Landtag zu haben, finde ich sehr kritisch. 

 

Ich bin entsetzt. Ich hatte gehofft, dass Schwarz-Gelb vermieden werden kann. Bei der Großen Koalition ist die Frage, was das bringt.

 

Das Ergebnis ist überraschend. Ich hätte es besser gefunden, wenn die SPD weiterhin regiert hätte. 

Ich bin froh, dass die SPD nicht mehr die stärkste Partei ist. 

 

Laschet hat keine Ahnung. Ein Propagandist hat wieder mal eine Wahl gewonnen. Gerade beim Thema Inklusion stimme ich ihm überhaupt nicht zu. Ich glaube nicht, dass CDU und SPD zu diesem Land passen. 

 

Beitragsbild: NRW-CDU/Sondermann

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