The King’s Speech

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Dafür muss er einen Oscar bekommen. Und das wird er auch. Jede Wette. Denn selten zuvor hat ein Schauspieler die Zuschauer so überzeugt, so bewegt, so mitgerissen wie Colin Firth in „The King’s Speech“. Er spielt Bertie, den Sohn des britischen Königs Geroge V. Eigentlich gehört es zu seinen Pflichten, in der Öffentlichkeit zu reden. Doch er kann nicht. Denn er stottert. So sehr, dass er unter Anspannung keinen Ton rausbringt. Und in jeder Sekunde, in der er sich quält, leidet auch der Kinobesucher. Das macht Firth‘ Leistung so erstklassig – und das Historiendrama zu zweifellos einem der besten Filme des Jahres.

"The King's Speech" startet am 17. Februar in den deutschen Kinos. Foto: Original-Poster/The Weinstein Company

"The King's Speech" startet am 17. Februar in den deutschen Kinos. Foto: Original-Poster/The Weinstein Company

Die schönsten Kinomomente sind ja die, in denen man völlig im Film versinkt. In denen man mitfühlen und mitleiden kann. Wenn unser Herz rast, weil der Mörder sein Opfer durch den dunklen Park jagt. Wenn uns Tränen in die Augen schießen, weil der hoffnungslos verliebte Tollpatsch seine Angebetete endlich doch noch in die Arme schließen kann. “The King’s Speech“ ist auch so ein Film zum Versinken und Mitfühlen. Vor allem dann, wenn Bertie (Colin Firth) reden muss. Denn Bertie stottert. Unter Anspannung bringt er kaum einen Ton über die Lippen, jedes Wort ist eine Qual für ihn. Aber Bertie MUSS reden – denn er ist der Sohn des britischen Königs.

Seine erste Ansprache muss Bertie, offiziell Albert „Duke of York“, im Jahr 1925 halten – ausgerechnet zum Abschluss der Empire-Ausstellung, der größten Ausstellung der Welt. Das riesige Wembley-Stadion ist voll besetzt und per Radio wird die Rede live in die Nation und den Rest der Welt übertragen. Sie endet im Desaster. Wie versteinert steht Bertie vor dem Mikrofon und bringt kein gerades Wort heraus.

Eine grandiose Meisterleistung von Colin Firth

Hier zeigt sich zum ersten Mal die überragende Leistung von Colin Firth. Das Stottern rein technisch glaubhaft rüberzubringen ist die eine Sache. Doch Firth verdeutlicht, wie niederschmetternd so ein Sprachfehler sein kann: Die Nervosität ergreift Besitz von ihm,  Verzweiflung und Ohnmacht werden mit jeder Sekunde größer und drohen, ihn zu überwältigen.

Bertie (Colin Firth) muss seine erste Rede im voll besetzten Wembley-Stadion halten. Er bringt kein Wort heraus. Foto: Senator Film Verleih

Bertie (Colin Firth) muss seine erste Rede im voll besetzten Wembley-Stadion halten. Er bringt kein Wort heraus. Foto: Senator Film Verleih

Hilfesuchend blickt er in die Menge, seine Augen werden feucht, der ganze Körper verkrampft, das Kinn zittert, die aufeinander gepressten Lippen wollen einen Laut formen, schaffen es aber nicht. Die Zuschauer im Stadion beginnen zu tuscheln, einige werfen ihm spöttische Blicke zu. Es ist eine einzige Qual. Und der Kinobesucher leidet mit.

Das Stottern und damit auch die ständige Unsicherheit und Verzweiflung Berties sind permanent präsent. Jede Unterhaltung wird zu einem Kraftakt, jeder Satz zur Tortur. Dass Papa König (Michael Gambon) überhaupt kein Verständnis für die Situation seines Sohnes hat und ihn nur noch mehr unter Druck setzt, macht die ganze Sache nicht gerade einfacher. Die renommiertesten Ärzte des Landes haben bereits erfolglos versucht, Berties Stottern mit allerlei dubiosen Therapien und Experimenten zu bekämpfen. Nach dem fatalen Auftritt im Wembley-Stadion nimmt schließlich Elizabeth (Helena Bonham Carter), die Gattin des Dukes, die Sache in die Hand und heuert hinter dem Rücken ihres Mannes den australischen Sprachtherapeuten Lionel Logue (Geoffrey Rush) an.

Sprachtherapeut Linonel Logue soll helfen

Sprachtherapeut Lionel Logue (Geoffrey Rush) soll helfen. Doch seine freche Art passt dem Königssohn gar nicht.

Sprachtherapeut Lionel Logue (Geoffrey Rush) soll helfen. Doch seine freche Art passt dem Königssohn gar nicht. Foto: Senator Film Verleih

In seinem Auftreten ist Logue das genaue Gegenteil Berties: unkonventionell, locker, selbstsicher. Mit einem, für einen Australier, äußerst britischen Sinn für Humor. Seinem adligen Patienten begegnet er wenig ehrfürchtig, fast schon frech. Aber er ist überzeugt davon, dem Sohn des Königs helfen zu können. Bertie kann mit der zwanglosen Art Logues aber wenig anfangen. Dass man so forsch mit ihm umgeht, ist er nicht gewohnt. Nur äußerst widerwillig macht er die ungewöhnlichen Behandlungsmethoden mit. Als sich später aber erste kleine Erfolge abzeichnen, gewinnt er zunehmend Vertrauen in Logue und dessen Therapie.

Denn nicht nur die Behandlungen Logues, auch dessen verständnisvolle und freundliche Art geben Bertie allmählich einen Ansatz von Mut und Sicherheit. Ein erstes leichtes Aufbäumen gegen den Druck, der auf ihm lastet. Ein Hoffnungsschimmer, den Bertie gut gebrauchen kann. Denn im Jahr 1936 stirbt sein Vater, König George V. Und der eigentliche Thronfolger, Berties älterer Bruder David (Guy Pearce), bringt das Ansehen der Königsfamilie durch eine Beziehung zu einer verheirateten Frau in Gefahr. Sollte David auf den Titel verzichten, müsste Bertie den Thron besteigen. Doch davor fürchtet er sich nicht zuletzt wegen seines Sprachfehlers.

Bertie (Colin Firty, Mitte) bekommt Rückendeckung von Therapeut Logue (Geoffrey Rush, links) und Gattin Elizabeth (Helena Bonham Carter). Foto: Senator Film Verleih

Bertie (Colin Firty, Mitte) bekommt Rückendeckung von Therapeut Logue (Geoffrey Rush, links) und Gattin Elizabeth (Helena Bonham Carter). Foto: Senator Film Verleih

Exzellente Crew, wunderbarer Film

Vor allem die grandiosen schauspielerischen Darbietungen von Colin Firth („A Single Man“) und Geoffrey Rush („Shakespeare In Love“) machen „The King’s Speech“ zu einem Film, den man so schnell nicht vergisst. Firth bringt die Verzweiflung Berties dermaßen glaubhaft rüber, dass sich einem selbst die Kehle zuschnürt, sobald er mit zitternder Stimme anfängt zu reden. Nun könnte man meinen, dass man völlig zermürbt und depressiv den Kinosaal verlässt. Aber ganz im Gegenteil. Denn Rush durchbricht die bedrückende Stimmung mit seiner sympathischen Leichtigkeit und sorgt mit seiner schrulligen Art für unerwartet viele witzige Momente. Dabei bleibt der Film äußerst unaufdringlich. Kamera, Schnitt, Musik und Ausstattung nehmen sich dezent zurück. Regisseur Tom Hooper fokussiert nur das Nötigste: keine überflüssigen Kamerafahrten, keine poetischen Landschaftsaufnahmen, keine pompösen Requisiten. Auch die Nebendarsteller wie Guy Pearce („Memento“) als Berties Bruder David, Michael Gambon („Harry Potter“) als König George V. und Helena Bonham Carter („Fight Club“) als Elizabeth, nehmen gerade so viel Raum ein, wie sie benötigen, um ihren kleinen Beitrag zum Gelingen dieses großartigen Films zu leisten.

„The King’s Speech“ ist definitiv ein Film zum Versinken. In das royale Großbritannien der 1930er Jahre, in eine unglaublich hilflose Stimmung, aber auch in ein Gefühl der Hoffnung und des Über-Sich-Hinaus-Wachsens. Trotz euphorischer Lobeshymnen von internationalen Kritikern hat er hierzulande bisher recht wenig Beachtung gefunden. Aber spätestens am 27. Februar wird sich das ändern. Denn dann findet die diesjährige Oscar-Verleihung statt. Und „The King’s Speech“ ist in zwölf Kategorien nominiert.

„Oscar“-Update (28.02.11):
Besser geht’s nicht: Ausgezeichnet in den Kategorien „Bester Film“, „Bester Hauptdarsteller“, „Beste Regie“ und „Bestes Drehbuch“ – die angemessene Würdigung eines wirklich großartigen Films!

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