Der „europäische Oscar“! Das klingt groß. Das klingt glamourös. Das klingt übertrieben? Am 12. Dezember wurde der Europäische Filmpreis in Bochum verliehen. Stephanie Kwoll und Falk Steinborn waren für pflichtlektuere.com dabei.

Franzose Tahar Rahim darf sich freuen. Für seine Rolle in "Un prophète" bekam er in Bochum den Preis als bester Schauspieler. Foto: Falk Steinborn
Der Europäische Filmpreis wird von der Europäischen Filmakademie (EFA) gerne als „Oscar Europas“ bezeichnet. Das hat auch seinen Grund, denn das Ziel der EFA ist es, die Filmkultur Europas zu fördern. Äußerlich hatte die Verleihung des Europäischen Filmpreises 2009 in der Jahrhunderthalle in Bochum alles, was ein Oscar braucht: Große kreisende Scheinwerfer über der Halle, schwarze Limousinen, Danny Boyle, Roland Emmerich und Moritz Bleibtreu als Gäste, drängelnde Reporter am roten Teppich, festliche Roben, und eine große Aftershowparty.
Penelope Cruz ließ die Gala saußen
Aber man merkte auch, dass der Europäische Filmpreis eben doch nicht der Oscar ist. Zwar ist „Slumdog Millionaire“, der Gewinner des Publikumspreises, ein international bekannter Film. Und auch der dreimalige Preisträger „Das weiße Band“ ist renommiert. Viele der Filme die in Bochum prämiert werden, haben die meisten Europäer jedoch nie gesehen. Auch die Gäste sind nicht so prominent, wie man es von der Oscarverleihung kennt. So ist von den drei großen Stars der Filme – Penelope Cruz, Kate Winslet und Yolande Moreau – keine zur Verleihung erschienen. Und auch die geschickte Überspielung von Anke Engelke (mit dem Hinweis, dass die Schauspielrinnen unsichtbar spielen würden) half da nicht.

Moritz Bleibtreu fehlte an diesem Abend leider das Glück: Er war zwar als bester Schauspieler für seine Rolle in der "Baader Meinhof Komplex" nominiert. Der Preis ging aber nach Frankreich.
Kulturelle Vielfalt statt massentaugliches Hollywood-Kino
Dabei hat die europäische Filmszene einiges zu bieten. Die Stärke und damit auch Besonderheit im Vergleich zu den Oscars und Hollywood liegt dabei in der kulturellen Vielfalt. Vor allem in der Sprache spiegelte sich das am Abend der Preisverleihung wieder. Wortfetzen in Deutsch, Englisch, Französisch, Italienisch und Spanisch flogen durch die Halle. Die offizielle Begrüßung erfolgte auf Französisch, Deutsch und Englisch. Schauspieler aus Norwegen, Spanien, Polen und den Niederlanden verliehen die Preise. Der Europäische Film des Jahres 2009 „Das weiße Band“ ist in vier Ländern produziert worden. Der Österreicher Michael Haneke hielt seine Dankesrede auf Deutsch, der Engländer Danny Boyle auf English, und die französische Schauspielerin Isabelle Huppert auf Französisch. Nur dem polnischen Regisseur Andrzej Wajda hatte man einen englischen Übersetzer zur Seite gestellt. Anke Engelke forderte das Publikum zwischenzeitlich auf „Stille Nacht“ zu singen, aber jeder in seiner eigenen Sprache.
Der Regisseur Ken Loach brachte es in seiner Dankesrede (für den Preis für das Lebenswerk) auf den Punkt: Viele der nominierten Filme werden in großes Teilen Europas nie gezeigt. Sein Vorschlag, dass die Politik sich in den freien Markt einmischen solle, um die europäische Filmkultur zu schützen, klingt vielleicht etwas drastisch. Aber es steht fest: der europäische Film kann mehr Unterstützung gebrauchen. Schließlich sollen die sehenswerten Produktionen nicht nur den Filmeschaffenden vorbehalten bleiben.









Der Europäische Filmpreis
Der europäische Filmpreis ist ein paneuropäischer Filmpreis, der seit 1988 jedes Jahr veliehen wird. Träger ist die Europäische Filmakademie (EFA). In 17 Kategorien werden von den 2000 Mitgliedern der EFA Preisträger ausgewählt. Eine Kategorie („People’s choice award“) wählen die Zuchauer. Ort der Preisverleihung ist seit 1997 immer Berlin im jährlichen Wechsel mit einer anderen europäischen Stadt. Am 12. Dezember fand die Preisverleihung in diesem Jahr als Auftakt für die Kulturhauptstadt 2010 in der Jahrhunderthalle in Bochum statt und nicht in Berlin.
Die Preisträger 2009
Europäischer Film 2009
Das weiße Band (Deutschland/Österreich/Frankreich/Italien)
Drehbuch & Regie: Michael Haneke
Produktion: Stefan Arndt, Veit Heiduschka, Michael Katz, Margaret Menegoz & Andrea Occhipinti
Europäischer Regisseur 2009
Michael Haneke („Das weiße Band“)
Europäischer Schauspieler 2009
Tahar Rahim („Un Prophete“)
Europäische Schauspielerin 2009
Kate Winslet in („Der Vorleser“)
Europäisches Drehbuch 2009
Michael Haneke („Das weiße Band“)
Carlo di Palma europäischer Kamerapreis
Anthony Dod Mantle für („Antichrist“ und „Slumdog Millionaire“)
EFA Prix d’excellence
Brigitte Taillandier, Francis Wargnier, Jean-Paul Hurier & Marc Doisne für Sound Design („Un prophete“)
Europäische Filmmusik
Alberto Iglesias für („Zerrissene Umarmungen“)
Europäische Entdeckung
„Katalin Varga“ (Rumänien/UK/Ungarn)
Drehbuch & Regie: Peter Strickland
Produktion: Tudor Giurgiu, Oana Giurgiu & Peter Strickland
EFA Animationsfilm
„Mia et le Migou“ (Frankreich/Italien)
Regie: Jacques-Rémy Girerd, Co-Regie: Nora Twomey
EFA Kurzfilm
„Poste Restante“ (Marcel Łoziński)
EFA Preis für ein Lebenswerk
Ken Loach
Europäischer Beitrag zum Weltkino
Isabelle Huppert
EFA Dokumentarfilm – Prix ARTE
„Das Summen der Insekten – Bericht einer Mumie“ (Schweiz)
von Peter Liechti
Europöischer Koproduktionspreis – Prix eurimages
Diana Elbaum und Jani Thiltges
EFA Preis der Kritik – Prix Fipresci
Andrzej Wajda (Tartarak)
Publikumspreis für den besten europäischen Film
„Slumdog Millionaire“ (UK)
Regie: Danny Boyle
Drehbuch: Simon Beaufoy
Produktion: Christian Colson