Am Samstag (13.08.2011) wurde Dortmund Schauplatz eines ganz besonderen Protestmarsches: Hunderte, meist freizügig gekleidete Demonstranten gingen beim sogenannten „Slut Walk“ für sexuelle Selbstbestimmung und gegen Sexismus auf die Straße.
„Ach du, bei meiner Figur könnte ich da nicht mehr mitlaufen“, sagt eine ältere Dame zu ihrer Begleiterin und blickt im Vorbeigehen auf die vielen leicht bekleideten Menschen mit bunten Haaren, die den Platz vor dem Dortmunder Hauptbahnhof bevölkern. Mädchen in Netzstrümpfen und Männer in bunten Röcken – sie alle sind zum „Slut Walk“ nach Dortmund gekommen.
„Slut Walk“ ist eine junge Protestbewegung
Die Protestbewegung ist erst Anfang dieses Jahres in Kanada entstanden. Ein kanadischer Polizeibeamter hatte damals bei einem Vortrag gesagt, dass „Frauen es vermeiden sollten, sich wie Schlampen anzuziehen, um nicht zu Opfern zu werden“. Dies löste eine Protestwelle in der ganzen Welt aus. Die zentrale Botschaft: „Selbst wenn ich mich freizügig kleide, heißt das noch lange nicht, dass ich mit jedem ins Bett gehe“.
Beim „Slut Walk“ machen aber nicht nur Frauen auf Sexismus in unserer Gesellschaft aufmerksam. Unterstützt werden sie von Männern wie Oliver Lauenstein. „Was mich wütend macht ist, wie Sexualstraftäter oft in Schutz genommen werden“, sagt der 30-Jährige. Der Doktorand in politischer Psychologie ist der Meinung, dass viele Menschen in unserer Gesellschaft glauben, dass Sexualstraftäter auf irgendeine Weise krank seien und durch körperbetont gekleidete Frauen zu solchen Taten erst animiert würden. „Man wird aber nicht zufällig zum Vergewaltiger“, meint Lauenstein.
Knapp bekleidet durch die Dortmunder Innenstadt
Vom Dortmunder Hauptbahnhof setzt sich der Zug in Bewegung, zieht zum U-Turm und in Richtung Linienstraße. Gezielt geht es an der „Bordellstraße“ vorbei, an Pornokinos und Sexshops. Denn die Demonstranten wollen darauf aufmerksam machen, dass auch Prostituierte Opfer sexualisierter Gewalt werden.
Auf dem Weg bis zum Endpunkt des Demonstrationszuges, dem Friedensplatz, bleiben immer wieder Passanten stehen und sehen sich die Demonstranten in den auffälligen Klamotten an. Sie sehen Schilder mit Aufschriften wie „Nur weil ich meine Beine zeige, heißt das nicht, dass ich sie für dich breit mache“. Sie hören Rufe wie „Freie Menschen, freie Frauen, können auf sich selbst vertrauen“. Die Message der Teilnehmer des „Slut Walk“ ist klar. „Es ist gut, für solche Themen auf die Straße zu gehen“, meint eine Passantin. Angesichts der Netzstrumpfhosen, Miniröcke und knappen Korsette fügt sie aber hinzu: „Mitlaufen würde ich dort nicht!“
Erster „Slut Walk“ für Veranstalter voller Erfolg
Um gegen Sexismus und für sexuelle Selbstbestimmung auf die Straße zu gehen, sind die Teilnehmer aus ganz Nordrhein-Westfalen angereist. So wie die Studentinnen Angela Fronckevic und Natalya Kashkovskaya, die aus Bielefeld nach Dortmund gekommen sind. „Wir haben uns erst heute morgen spontan dazu entschieden, hier mitzumachen“, sagt Natalya, die eigentlich aus Sibirien kommt. „Ich bin für die Ideen, die hier vertreten werden und wollte sowieso mal protestieren gehen“. Und die Irin Angela erzählt: „In Irland studiere ich Frauenstudien und war schon einmal auf einem Slut Walk in Amsterdam dabei“.
Die Veranstalter des „Slut Walk“ hatten nicht mit so vielen Teilnehmern gerechnet. Laut eigenen Angaben waren rund 350 Demonstranten in Dortmund dabei. Große Aufmerksamkeit gab es auch durch die Medien: Kamerateams, Fotografen und Reporter begleiteten die Demonstranten durch die City.
Auch nochmals ins eigene Bewusstsein rufen
Dass das Thema Sexismus alle angeht, egal ob Mann oder Frau, das möchte Doktorand Oliver Lauenstein beim Dortmunder „Slut Walk“ in die Öffentlichkeit tragen: „Früher dachte ich immer, ich müsste den Ritter spielen, aber irgendwann habe ich gelernt, dass Frauen auch selber sexuelle Triebe haben“. Frauen zu bevormunden und auf Partys mit aufdringlichen Avancen zu nerven, sei nur etwas für Machos. Am besten solle man sich stets vergegenwärtigen: „Ein Nein ist immer ein Nein“.
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