Flüchtlingsheim: Ehrenamt ist Ehrensache

TeaserbildxxVon der Bahnhofsmission zur Deutschlehrerin für Flüchtlinge – Ursula Tilly-Höschen (72) engagiert sich seit einigen Wochen ehrenamtlich im Flüchtlingsdorf in Wickede an der Morgenstraße. Sie ist eine von über 100 Dortmundern, die sich dort in die Arbeit mit Flüchtlingen einbringt. 

Wie heißt das Ding auf dem ich sitze und womit wasche ich mir morgens das Gesicht? Es sind die praktischen Begriffe aus dem Alltag, die Ursula Tilly-Höschen den Flüchtlingen beibringen möchte. Bevor sie in Rente gegangen ist, hat sie die Bahnhofsmission in Bielefeld geleitet.

Tamara und Kumran sind im Grundschulalter. Ursula Tilly-Höschen bringt ihnen die Wochentage bei. Foto: Christina Joswig

Tamara und Kumran sind im Grundschulalter. Ursula Tilly-Höschen bringt ihnen die Wochentage bei. Foto: Christina Joswig

„Heute ist Dienstag, dann war gestern..?“, fragt die Rentnerin ihre jungen Schüler Tamara und Kumran, die seit einigen Wochen Deutsch lernen. Montag ist die Antwort. Mit viel Geduld erklärt ihnen Ursula Tilly-Höschen, welcher Wochentag in welcher Reihenfolge kommt, was ein Wochenende ist und was gestern und heute bedeuten. Die Wände des Klassenzimmers sind mit Plakaten geschmückt, die einzelne Bereiche aus dem Alltag darstellen. Themen wie Familie, Hygiene, Wohnen und Verkehr werden mit Hilfe von Bildern und einzelnen Wörtern verdeutlicht.

20 Nationen – ein Ziel 

Im Flüchtlingsdorf in Wickede leben derzeit 109 Flüchtlinge aus 20 Herkunftsländern. Ihre bisherigen Sprachkenntnisse sind auf unterschiedlichen Niveaus: Die einen können Englisch oder Französisch, was ihnen eine Basis zum Lernen liefert. Andere beherrschen nur kyrillische oder arabische Schriftzeichen. Vor gut einem halben Jahr hat ein anderer Ehrenamtlicher die Deutschkurse ins Leben gerufen. Sie richten sich besonders an Flüchtlinge, die in Deutschland noch nicht offiziell anerkannt sind. Diese bekommen nämlich keine Kurse vom Staat bezahlt. Ehrenamtliche Mitarbeiter wie Rentner, Lehrer oder Journalisten unterrichten Kinder und Erwachsene. „Ich bin immer wieder beeindruckt, wie schnell und ehrgeizig die Flüchtlinge bei der Sache sind. An allen Ecken sitzen sie mit ihren Unterlagen“, erzählt die Leiterin des Dorfes Kerstin Edler.

Mit Plakaten sollen die Flüchtlinge Begriffe aus dem Alltag lernen. Foto: Christina Joswig

Mit Plakaten sollen die Flüchtlinge Begriffe aus dem Alltag lernen. Foto: Christina Joswig

Deutsch lernen mit Kartenspielen

„Lasst uns ein Spiel spielen“, schlägt Ursula Tilly-Höschen vor und zieht das Spiel „Kuh und Co“ aus ihrer Tasche. Es ist ein Kartenspiel, auf dem verschiedene Tiere abgebildet sind. Auf spielerische Weise lernen die Schüler Tamara und Kumran dabei zählen und ihre Umwelt kennen. 

Auch Kumrans Vater Elnur ist mit dabei. Während sein Sohn mit dem Kartenspiel lernt, zeigt Ursula ihm auf Arbeitsblättern, wie der deutsche Satzbau funktioniert. „Subjekt, Prädikat, Objekt“, wiederholt er und schreibt einfache Sätze auf. Kleine Unterhaltungen kann er auf Deutsch schon führen.

Ehrenamt von Garten bis Nähmaschine

Die Deutschkurse sind nicht das einzige, was von Ehrenamtlichen angeboten wird. Es gibt Sportkurse, urbanes Gärtnern, einen Nähkreis und Kinderbetreuung. Auch als Flüchtlingspate kann man sich engagieren. Das heißt Unterstützung bei alltäglichem Papierkram. „Wichtig ist uns, dass wir den Flüchtlingen nichts abnehmen, was sie auch selber können“, sagt Kerstin Edler. So sollen ihre Tage strukturiert und ihnen auch in Deutschland Selbstbestimmung garantieren werden. 

Für Ursula Tilly-Höschen ist ehrenamtliche Arbeit selbstverständlich. „Wenn ich was kann, sehe ich mich aus moralischen Gründen zum Teilen verpflichtet, egal ob es mein Wissen, meine Zeit oder mein Geld ist“, erklärt sie. In der Begegnung mit anderen Menschen sieht sie eine große Bereicherung für ihr eigenes Leben. 

Wie kann ich mich ehrenamtlich engagieren?

Kerstin Edler ist Leiterin des Flüchtlingsdorfes in Wickede in der Morgenstraße. Foto: Christina Joswig

Kerstin Edler ist Leiterin des Flüchtlingsdorfes in Wickede in der Morgenstraße. Foto: Christina Joswig

Jeden Mittwoch gibt es im Flüchtlingsdorf in der Morgenstraße eine Ehrenamtssprechstunde, ein Mal im Monat außerdem ein Ehrenamtscafé, in dem man sich mit Ehrenamtlichen austauschen kann. Um selbst einer von ihnen zu werden, muss man ein erweitertes polizeiliches Führungszeugnis vorlegen und einen Ehrenamtsvertrag unterschreiben. „Es ist traurig, das sagen zu müssen, aber wir müssen uns vor Rechtsradikalen schützen, die sich als Ehrenamtliche tarnen“, erklärt Kerstin Edler. Deswegen die bürokratische Hürde.

Die Flüchtlingseinrichtung in Wickede ist eine von vielen in Dortmund. Dort wird sie von der Arbeiterwohlfahrt (AWO) geleitet, woanders von der Diakonie oder Ähnlichem. Trotz aller Unterschiede haben die Einrichtungen eines gemeinsam: Ehrenamtliche Helfer werden gebraucht. Und das in vielen Bereichen.

Dortmunder Flüchtlingsunterkünfte im Überblick
– Stadtbezirk Brackel – Einrichtung Morgenstraße

– Stadtbezirk Eving – Ehemalige Hauptschule Osterfeldstraße 

– Stadtbezirk Hörde – Ehemalige Polizeiwache Alte Benninghofer Straße

– Stadtbezirk Hombruch – Mobile Einrichtung Mergelteichstraße

– Stadtbezirk Innenstadt-Ost – Ehemalige Hauptschule am Ostpark

– Stadtbezirk Innenstadt-West – Ehemalige Abendrealschule Adlerstraße

– Stadtbezirk Lütgendortmund – Zentrale Kommunale Unterbringungseinrichtung

– Stadtbezirk Scharnhorst – Ehemalige Grundschule Dietrich Bonhoeffer

Kontaktdaten und weitere Informationen gibt es bei der Stadt Dortmund.

Titel- und Teaserbild: Christina Joswig

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