Helfen verboten: Warum dürfen Schwule kein Blut spenden?

Im amerikanischen Orlando kam es kürzlich in einem Schwulen- und Lesbenclub zu einem Attentat mit 49 Toten und 53 Verletzten. Zahlreiche Angehörige und Freunde wollten helfen und Blut spenden, berichtete die Huffington Post. Doch vielen von ihnen blieb diese Möglichkeit aufgrund ihrer Sexualität verwehrt. Auch in Deutschland dürfen homosexuelle Männer noch immer kein Blut spenden. Das wirft die Frage auf, ob es sich hier um eine notwendige Sicherheitsmaßnahme oder doch um rückständige Diskriminierung handelt.

Das deutsche Transfusionsgesetzt verweist beim Ausschluss von Spendern auf Bestimmungen der Bundesärztekammer. In denen heißt es, ausgeschlossen sind „Personen, deren Sexualverhalten ein gegenüber der Allgemeinbevölkerung deutlich erhöhtes Übertragungsrisiko für durch Blut übertragbare schwere Infektionskrankheiten, wie HBV, HCV oder HIV bergen.“ Gemeint sind heterosexuelle Personen mit häufig wechselnden Sexualpartnern, Männer, die mit Männern Geschlechtsverkehr haben und Prostituierte. Der Weltblutspendetag am 14.Juni gibt Anlass, diese Richtlinien zu überdenken.

Gesetzesgrundlage
Die deutsche Gesetzgebung fußt auf der EU Richtlinie 2004/33/EG, in der „Personen, deren Sexualverhalten ein hohes Übertragungsrisiko für durch Blut übertragbare schwere Infektionskrankheiten birgt“ von der Blutspende ausgeschlossen werden. Diese Richtlinie wurde durch ein Urteil des Europäischen Gerichtshof im April 2015 gelockert. Mehr Informationen dazu findet ihr in unserem Artikel „Zu schwul zum spenden?“

„Es gibt so viele Homosexuelle, die in langjährigen monogamen Partnerschaften leben und nichts mit dieser Risikogruppe zu tun haben“, sagt Till Isensee. Ihn stört vor allem, dass jeder Mann, der auch nur ein einziges Mal Geschlechtsverkehr mit einem anderen Mann hatte, in einen Topf mit Prostituierten und Sextouristen geworfen wird. Isensee ist Referent des autonomen Schwulen Referats der TU Dortmund (ASR). Das Verbot, Blut zu spenden, sei zudem schlecht für die Blutbanken. Schließlich gebe es viele homosexuelle Männer, die gerne Blut spenden würden, um zu helfen. Vor allem, weil es ständig Mangel an gespendetem Blut gibt.

Das Attentat in Orlando ist laut Isensee ganz klar ein „Härtefall“. Normalerweise gehe es beim Blutspenden allgemein darum, etwas Gutes zu tun. Das Wissen, wem das Blut zu Gute kommt, mache also einen Unterschied. „Wenn ich mir vorstelle, meine Mutter hätte einen Unfall, ich käme als Spender in Frage, aber dürfte ihr nur aufgrund meiner Sexualität nicht helfen, wirkt das unwirklich und unverhältnismäßig.“ Isensees Meinung dazu ist klar und deutlich.

Das Orlando-Attentat
In dem US-amerikanischen Club „Pulse“ in Orlando hat der 29-Jährige Omar Mateen mit einem Sturmgewehr und einer Handfeuerwaffe um sich geschossen. Dabei wurden 49 Menschen getötet und 53 verletzt. Der Täter war bereits zuvor mit dem FBI in Kontakt gekommen. Es wird laut Tagesschau-Informationen von einem schwulenfeindlichen, eventuell radikal islamistischen Motiv ausgegangen.

Deutschland ist in vielen genderspezifischen Bereichen verglichen mit dem europäischen Ausland rückschrittlich. Tatsächlich dürfen in Frankreich homosexuelle Männer  Blut spenden, wenn sie ein Jahr keinen sexuellen Kontakt zu einem anderen Mann hatten. Ähnliche Konzepte gibt es in Spanien, Italien und Kanada. In Deutschland wurde lediglich die Sperre für die Knochenmarkspende aufgehoben. Für Isensee stellt sich da die Frage: „Warum nur das eine? Schließlich geht es doch bei beidem um Leben und Tod!“

Am Dortmunder Klinikum arbeitet Dina Hammad als Oberärztin für Transfusionsmedizin. Ihr ist wichtig, dass bei Blutspenden die höchstmögliche Sicherheitsstufe gelte. „Ansonsten kann Blut eine tödliche Waffe sein“, sagt sie. Es gebe von der Sperre betroffene Menschen, die sich zurecht darüber aufregen. Trotzdem sei Analsex eine besonders gefährdete Praxis.

Statistisch gesehen besteht laut Informationen des Robert Koch Instituts bei Geschlechtsverkehr unter Männern ein höheres Risiko, sich mit HIV oder anderen Geschlechtskrankheiten anzustecken. Das ist auch für Isensee ein logisches Argument: „Das bei Analverkehr ein höheres Übertragungsriskio besteht, weil es schnell zu kleinen offenen Wunden kommen kann, ist unbestreitbar.“ Er glaubt trotzdem, dass das Bewusstsein für Geschlechtskrankheiten in seiner „Community“ höher sei als bei Heterosexuellen, „die bei safer Sex oft vor allem an Schwangerschaftsverhütung denken.“

Till Isensee, Referent des ASR. Foto: Kortfunke

Um Gefahren wie dem sogenannten „diagnostischen Fenster“ (der Zeitraum über acht Wochen, in denen die Viren zwar im Körper, jedoch noch nicht nachweisbar sind) vorzubeugen, würde sich laut Isensee die Wiederholung des Tests nach drei Monaten anbieten. Auch eine individuelle Befragung zur genauen Anzahl der Sexualpartner könnte die Gefahr eindämmen. 

Solange die zuständigen Behörden das Risiko als zu hoch einstufen, könne man allerdings nichts gegen die Sperre tun, erklärt Hammad vom Klinikum Dortmund. Trotzdem glaubt sie, dass so ziemlich jede deutsche Blutbank schon mit Beschwerden aus dieser Richtung zu tun gehabt habe. Dabei liege die Entscheidungsgewalt klar im Bereich der Politik und nicht bei den Ärzten selbst. Auch Till Isensee vom ASR will aufklären und verhindern, dass Ärzte oder Krankenpfleger dafür angefeindet würden.

Beitragsbild: Flickr/Ben

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