Was bitte ist „Deutschland“?

Öffentliche Verkehrsmittel vs. Autos

Premiere: Yesenia fährt zum ersten Mal in ihrem Leben mit dem Zug. Normalerweise nutzt die Amerikanerin ihr Auto. Foto: Lisa Tüch

Premiere: Yesenia fährt zum ersten Mal in ihrem Leben mit dem Zug.

Neben der Fußballeuphorie sind auch öffentliche Verkehrsmittel für Yesenia neu. Die lernt sie in dieser Woche in allen Variationen kennen: S-Bahn, U-Bahn, Fernzug, Bus. In den USA fährt sie normalerweise mit dem Auto. Und zwar nicht mit so kleinen, wie wir sie in Deutschland fahren! In Amerika sind die Autos alle eine Klasse größer. Schnell fällt ihr auf: „Nirgendwo gibt es Trucks!“ Als sie jedoch unsere Spritpreise sieht, versteht sie die Wahl der kleinen Autos mit kleinen Tanks: „Das ist aber teuer!“

Auch an das schmuddelige, kalte, nasse Deutschlandwetter muss sich die Kalifornierin noch gewöhnen. Sie hatte schon geahnt, dass es kalt werden würde, aber dass es so kalt werden würde, war ihr nicht klar. Obwohl sie Deutschland mit eisiger Kälte verbindet, fehlt es in Yesenias Koffer an warmer Kleidung. Immerhin hat sie, anders als meine Familie und ich es befürchtet hatten, bei ihrer Ankunft keine Flipflops an. Mit geliehenem Schal und Schirm übersteht sie dann aber auch das deutsche Wetter. Das verleitet sie auch dazu, ein Vorurteil über Europäer zu verwerfen, das ihr wieder eingefallen ist: Europäer hätten einen Hang zur Freikörperkultur. Bei Temperaturen unter zehn Grad wäre das allerdings denkbar ungünstig.

Am ersten Tag in der Uni muss Yesenia ihr Deutschlandbild weiter überdenken. Die TU Dortmund ähnelt nämlich in keiner Weise einer alten Kirche wie so manche US-Uni, sondern ist wie alle deutschen Gebäude viel moderner, als sie sich das vorgestellt hatte. „Und grüner ist Deutschland auch!“ Überall sind Bäume.

Dank des Regenschirms kann Yesenia trotz des deutschen Regenwetters lächeln. Foto: Tüch

Dank des Regenschirms kann Yesenia trotz des deutschen Regenwetters lächeln.

Von US-amerikanischen Produkten und deutscher Musik

Aber nicht nur das überrascht sie. Bei einem Einkaufsbummel, auf der Suche nach Mineralwasser ohne Kohlensäure, entdeckt sie die vielen Amerika-Lebensmittel: Alles in XXL. „Was denkt ihr Deutschen über Amerikaner?“, fragt sie. „Alle übergewichtig und verfressen?“ Yesenia ist weder dick, noch gierig am Abendbrot-Tisch. Im Gegenteil: Sie isst sehr wenig. Doch bei Fast-Food-Restaurants kann sie dann nicht widerstehen: Hamburger und Chips vermisst sie schon nach wenigen Tagen.

Gut, dass es viele amerikanische Produkte mittlerweile auch in Deutschland zu kaufen gibt – zum überhöhten Preis natürlich. Es ist lustig anzusehen, wie geschockt Yesenia von den Preisen ist. Da ist selbst das Aufladekabel für den Laptop plötzlich nicht mehr so wichtig – sie wird es wohl auch eine Woche ohne ihren Laptop aushalten, bis ihre Schwester das Kabel per Post schickt. Glücklicherweise ist immerhin die Musik dieselbe: Auch Deutsche hören Bruno Mars, David Guetta und Adele. „Habt ihr keine deutsche Musik?“, will sie wissen. Das hätte sie nicht fragen sollen! Die nächsten Stunden darf sie die Schlager-Karaoke-CDs mit Liedern wie „Ein bisschen Spaß muss sein“ und „Liebeskummer lohnt sich nicht“ durchhören – deutsche Musik! Alle Klischees müssen bedient werden. Nur gut, dass sie Vegetarierin ist und ich ihr keine Bratwurst andrehen kann.

Yesenia genießt das ausnahmsweise gute Wetter draußen im Grünen. Foto: Lisa Tüch

Yesenia genießt das ausnahmsweise gute Wetter.

Und dann ist es irgendwann so weit: Der Tag des Abschieds naht. Yesenia fliegt weiter nach Spanien und ich bin jetzt schon gespannt, was sie von dort berichten wird: Haben alle Spanier wirklich ständig gute Laune? Ist das Wetter immer sonnig und warm? Flirten die Spanier tatsächlich so viel? Schon wieder Vorurteile – man wird sie einfach nicht los! Gute Reise, Yesenia, ich bin gespannt, wann wir uns wiedersehen.

Weiterlesen: Psychologin Christiane Albuscheit erklärt im Interview, warum wir Vorurteile haben.

6 Comments

  • riquip sagt:

    ja viele Deutsche sind besondern beliebt in Ausland jedoch nicht Ausländern in deutschland egal ob aus der EU oder die weiteren Ausland.

    man muss aber auch sagen dass einige deutsche gegenüber Ausländer offen sind, sind aber jedoch die meisten die in ausland für eine längere Zeitraum waren.

  • Neli sagt:

    Ich glaube, die Deutschen sind häufig so voller Träume und Vorstellungen wie Amerika sein sollte, auch wegen der Kultur, die da rübergeschwappt kommt, dass sie einfach enttäuscht sind, wenn die Götter aus Übersee einfach nur Menschen sind. So eine Art Hassliebe aus enttäuschter Bewunderung und Vorurteilen.

  • Denkerin sagt:

    Ich fand es eine unterhaltsame Lektüre, und mit Vorurteilen aufräumen kann man sowieso nicht genug. Besonders bei den oft antiamerikanischen Deutschen. Ich habe zugegeben auch sehr ignorante Amerikaner im Ausland getroffen. Aber viele Deutsche sind im Ausland kaum besser. Hauptsache deutscher Fernsehempfang im Hotel.
    Letztlich ist es auch leider immer wieder eine Bildungs- und Milieufrage. Genauso wie Akademisch gebildete Amis auch gern deutsch lernen, lesen auch mal Deutsche in Spanien eine Zeitung, wenn es nicht anders geht eben auch auf deutsch. aber immerhin!

  • Lisa sagt:

    Hallo Walter! Vielen Dank für dein Feedback. Schade, dass dir der Artikel nicht gefällt. Könntest du bitte genauer benennen, was für dich „Schülerzeitungsniveau“ ist und was genau dir nicht gefallen hat. Nur so können wir bei weiteren Artikeln auf deine Vorschläge eingehen. Dass der Artikel aus der Ich-Perspektive geschrieben ist, sollte nicht überraschen: Bereits der erste Absatz beginnt so. Die Wahl der Ich-Perspektive ist übrigens ein journalistisches Stilmittel. Viele Grüße.

  • Walter Kloppenbusch sagt:

    Hallo,

    habe den Artikel gelesen und bin sehr enttäuschte. Hatte mehr erwartet. Die Ich-Perspektive gefällt mir nicht. Eher Schülerzeitungsniveau. Aber Ihr lernt ja noch.

    Viele Grüße
    der Walter

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