Was bitte ist „Deutschland“?

„Ich besuche dich in Deutschland!“ Freudentaumel! Auf genau diese Facebook-Nachricht warte ich seit vier Jahren. Solange ist es her, dass ich meine Schulfreundin Yesenia gesehen habe. Jetzt kommt sie endlich zu Besuch. Was sie wohl für Erwartungen und Vorurteile mitbringen wird? Denn Yesenia kommt aus den USA. Dort haben wir uns während meines Auslandsschuljahres in San Diego kennengelernt.

Sie ist überall gehisst in Amerika. Solcher Patriotismus ist Deutschen fremd. Foto: Tüch

Sie ist überall gehisst in Amerika. Solcher Patriotismus ist Deutschen fremd. Teaserbild und Fotos: Tüch

Yesenia kommt aus dem Land, in dem alles möglich scheint: Vom Tellerwäscher zum Millionär! Das Land, in dem die Filmstars, Sänger und Promis in Saus und Braus leben, die Menschen sich die Bäuche mit Cheeseburgern und Marshmallows voll schlagen und Karrieren wie die von Bill Gates Realität werden können. Aber auch aus dem Land, das Kriege anzettelt und überall seine Nase reinsteckt. So denken zumindest viele Deutsche über die Vereinigten Staaten. Doch was denken die Amerikaner im Gegenzug über Deutschland?

Amerikaner reden nicht über Deutschland

„Eigentlich reden Amerikaner nicht viel über Deutschland“, antwortet Yesenia auf mein Nachfragen. Ka Boom! So viel zum Thema Vorurteile! Doch tatsächlich passt auch diese Aussage zum Thema, denn sie scheint zu bestätigen, was viele Deutsche über Amerikaner denken:  „Die interessieren sich nicht fürs Ausland“ und „Die wissen noch nicht mal, wo Deutschland liegt“. So ganz stimmt das aber nicht. Vorurteile verallgemeinern eben oft in ungerechtfertigter Weise. Yesenia ist ein Beispiel dafür, dass man nicht alle in einen Topf werfen kann: Sie studiert Soziologie und Spanisch an der San Diego State University in Kalifornien und weiß daher sehr wohl etwas über das Ausland. Sie kann sogar auf einer Weltkarte fast alle EU-Staaten namentlich nennen. Ich bin mir nicht sicher, wie viele Deutsche das ebenfalls könnten. Dennoch gibt sie zu, dass ihr Wissen über nationale und internationale Politik ausbaufähig sei und dass viele Amerikaner noch viel schlechter informiert seien als sie. Der Grund ist klar: Die amerikanischen Medien berichten bevorzugt lokal. Informationen über das Ausland sind rar.

Doch Yesenia bemüht sich dazuzulernen. Sie bereist die Welt: Deutschland, im Rahmen eines Sommeruniprogramms Spanien, und in Costa Rica war sie auch schon als Gaststudentin. Für ihren Deutschlandbesuch hat sie sich extra eine Deutschlern-App für ihr Handy runtergeladen. Obwohl der gute Wille da war, hat sie die App allerdings nicht oft benutzt. Aber immerhin kann sie dem Tankwart auf dem Weg nach Dortmund in fast perfektem Deutsch erklären: „Ich bin Amerikanerin.“ Ein erster Schritt. Am Ende ihres Besuches hat sich ihr Wortschatz dann um „Bitte“, „Danke“, „Entschuldigung“ und  „Guten Appetit“ erweitert.

"Guten Appetit!" Yesenia testet deutsche Nahrungsmittel.

"Guten Appetit!" Yesenia testet deutsche Nahrungsmittel.

Deutschland = Naziland?

Aber irgendwelche Vorurteile haben die Amerikaner doch bestimmt über uns. Vielleicht traut Yesenia sich ja einfach nicht, sie mir zu erzählen? Tatsächlich kann ich ihr doch noch etwas entlocken: Wenn die Amerikaner dann doch mal über Deutschland reden, wie beispielsweise in Yesenias Unikursen, sprechen sie meistens über die deutsche Geschichte, erzählt sie. Deutschland = Naziland. So schreibt ein Freund von Yesenia unter ihren Facebook-Status, in dem sie mitteilt, auf dem Weg nach Deutschland zu sein: „Watch out and keep away from those Nazis“ – „Pass auf und halte dich von den Nazis fern“. Eine andere Freundin fragt, ob sie sich die Konzentrationslager anschauen werde. Der erste Gedanke, den Amerikaner also anscheinend bei Deutschland haben, ist nicht Bier, sind nicht Autos, sondern es ist der Nationalsozialismus.

Auch Yesenias Familie hat die 22-Jährige nur ungern nach Deutschland reisen lassen. Ihrem Vater erzählte sie deswegen, sie bleibe nur zwei Tage und reise dann weiter. Sie möchte ihn nicht beunruhigen. Er macht sich Sorgen, weil in Deutschland, so glaubt er, nur „white people“ – Hellhäutige – leben und Yesenia als Amerikanerin mit mexikanischen Eltern und gebräunter Haut  herausstechen werde.

Willkommen in Deutschland

Willkommen in Deutschland! Foto: Lisa Tüch

Willkommen in Deutschland!

Tatsächlich fühlt sich Yesenia während ihres Aufenthalts in Deutschland manchmal beobachtet und sie merkt an, dass sie außerhalb der Uni selten Ausländer, insbesondere Lateinamerikaner sehe. Ich erkläre ihr, dass in Deutschland eher Immigranten aus dem europäischen Ausland leben, die beispielsweise als Gastarbeiter nach Deutschland gekommen sind. Außerdem habe ich nicht das Gefühl, dass Yesenia angestarrt wird. Im Gegenteil: Ich freue mich über die Reaktionen der Tankwarte und Kassierer. Sie alle strahlen, sobald sie mitbekommen, dass Yesenia aus Amerika kommt. Sie ist willkommen.

Auch Yesenias Sorge, dass es jemanden stören könnte, wenn sie Englisch spricht, ist unbegründet. Selbst die angetrunkenen Fans beim Public Viewing des Champions-League-Finales geben sich zu Yesenias großer Überraschung alle Mühe, Englisch zu sprechen. Sie hatte mir nicht glauben wollen, dass viele Deutsche Englisch sprechen können.

Deutscher Nationalsport: Fußball

Die Deutschen lieben Fußball; die Amerikaner Baseball. In diesem Stadion spielen die San Diego Padres. Foto: Tüch

Die Deutschen lieben Fußball, die Amerikaner Baseball. In diesem Stadion spielen die San Diego Padres.

Apropos Champions-League-Finale: Vor dem Fußball wurde Yesenia gewarnt. Ihr Freund, der selber Fußball spielt, weiß, wie emotional die Europäer mit ihrem Lieblingssport sind. Also nichts wie hin zum großen Finale, damit sie den deutschen Fußball live erleben kann! So etwas hat sie noch nicht gesehen. In den Westfallenhallen staunt sie nicht schlecht: Alles in schwarz-gelb! Und so viele Menschen, die im Chor singen, und das alles nur wegen Fußball. Unglaublich! So etwas kennt sie aus Amerika nicht. Auch die Reaktionen der Fans bei der Niederlage des BVB überraschen sie: „Sie sind ja alle wirklich mitgenommen.“ Immerhin weiß sie seit dem Spiel, dass nicht alle Deutschen Lederhosen tragen. Ein Vorurteil weniger.

6 Comments

  • riquip sagt:

    ja viele Deutsche sind besondern beliebt in Ausland jedoch nicht Ausländern in deutschland egal ob aus der EU oder die weiteren Ausland.

    man muss aber auch sagen dass einige deutsche gegenüber Ausländer offen sind, sind aber jedoch die meisten die in ausland für eine längere Zeitraum waren.

  • Neli sagt:

    Ich glaube, die Deutschen sind häufig so voller Träume und Vorstellungen wie Amerika sein sollte, auch wegen der Kultur, die da rübergeschwappt kommt, dass sie einfach enttäuscht sind, wenn die Götter aus Übersee einfach nur Menschen sind. So eine Art Hassliebe aus enttäuschter Bewunderung und Vorurteilen.

  • Denkerin sagt:

    Ich fand es eine unterhaltsame Lektüre, und mit Vorurteilen aufräumen kann man sowieso nicht genug. Besonders bei den oft antiamerikanischen Deutschen. Ich habe zugegeben auch sehr ignorante Amerikaner im Ausland getroffen. Aber viele Deutsche sind im Ausland kaum besser. Hauptsache deutscher Fernsehempfang im Hotel.
    Letztlich ist es auch leider immer wieder eine Bildungs- und Milieufrage. Genauso wie Akademisch gebildete Amis auch gern deutsch lernen, lesen auch mal Deutsche in Spanien eine Zeitung, wenn es nicht anders geht eben auch auf deutsch. aber immerhin!

  • Lisa sagt:

    Hallo Walter! Vielen Dank für dein Feedback. Schade, dass dir der Artikel nicht gefällt. Könntest du bitte genauer benennen, was für dich „Schülerzeitungsniveau“ ist und was genau dir nicht gefallen hat. Nur so können wir bei weiteren Artikeln auf deine Vorschläge eingehen. Dass der Artikel aus der Ich-Perspektive geschrieben ist, sollte nicht überraschen: Bereits der erste Absatz beginnt so. Die Wahl der Ich-Perspektive ist übrigens ein journalistisches Stilmittel. Viele Grüße.

  • Walter Kloppenbusch sagt:

    Hallo,

    habe den Artikel gelesen und bin sehr enttäuschte. Hatte mehr erwartet. Die Ich-Perspektive gefällt mir nicht. Eher Schülerzeitungsniveau. Aber Ihr lernt ja noch.

    Viele Grüße
    der Walter

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