Unser Gehör ist eins der empfindlichsten Sinnesorgane, die wir besitzen. Dazu kommt, dass wir unsere Ohren nicht einfach abschalten oder zuklappen können: Ununterbrochen empfangen wir zu verarbeitende Informationen. Selbst Schutzstöpsel können nicht allen Schall abhalten. Ein normaler Tag an der Uni hält die unterschiedlichsten Geräuschkulissen für uns bereit: angefangen bei der S-Bahn, über Vorlesung und Mensa bis hin zum Lernen in der Bibliothek. Einige Geräusche sind für uns schon alltäglich geworden und wir ignorieren sie; laute sowie leise Geräuschquellen. Aber was müssen unsere Hörorgane tagtäglich aushalten? Wo ist es am leisesten, wo am lautesten an der Uni? Am „Tag des Hörens“ haben wir einmal ganz genau hingehört.
Der durchschnittliche Unitag beginnt mit der Fahrt dorthin: Eine einfahrende S-Bahn erreicht locker den Grenzwert (siehe Infokasten) von 85 Dezibel – allerdings nur für wenige Sekunden. Diese kurze Belastung hält unser Gehör locker aus, zumal die Bahn und die damit verbundenen Geräusche ja langsam heranrollen. Anders sieht es zum Beispiel an den Bushaltestellen unter der Mensabrücke aus. Sowohl fahrende , als auch wartende Autos und Busse halten hier den Lärmpegel konstant bei 85 Dezibel. Aber solange man nicht acht Stunden auf den nächsten Bus wartet, kann dem durchschnittlichen Ohr auch hier nichts passieren.
Das bedeutet „Lärm“
Der Begriff „Lärm“ definiert sich nicht in erste Linie über die Lautstärke. Eine Veröffentlichung der Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin (BAuA) bezeichnet Lärm als „unerwünschten Schall“ – das schließt also sowohl laute Arbeitsmaschinen als auch zum Beispiel das leise Rattern eines Computers mit ein. Deswegen sind die allgemeinen Grenzwerte für Lärmbelastung auch immer im Zusammenhang mit der Belastungsdauer zu sehen. Allgemein gilt: Je lauter das Geräusch, desto kürzer wird die Zeit, in der man sich in der Nähe aufhalten sollte, bevor es zu ernsthaften Hörschäden kommt. „85 Dezibel laut darf ein Arbeitsplatz hier in Deutschland maximal sein, wenn man von einem Arbeitstag mit acht Stunden ausgeht“, erklärt Jörg Feldmann vom BAuA. Diese Beziehung verhält sich exponentiell: Einer Lautstärke von 88 Dezibel darf man maximal vier Stunden ausgesetzt sein, 92 Dezibel maximal zwei Stunden. Zum Vergleich: Als „Zimmerlautstärke“ gelten 40-50 Dezibel. Diese Grenzwerte beziehen sich allgemein auf Arbeitsplätze wie Büros, Betriebe und sogar Baustellen und werden auch weitgehend eingehalten.
In einer Vorlesung haben unsere Ohren einen Geräuschpegel von 60 bis 70 Dezibel zu erwarten, das unterscheidet sich je nach Sitzplatz und Hörsaalgröße. Dieser leicht erhöhte Pegel ist zum Lernen sogar förderlich: „Will man Inhalte, die man nicht kennt, ordentlich aufnehmen und verstehen, hilft es, wenn diese lauter ausgesprochen werden“, sagt Jörg Feldmann von der Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin (BAuA). Das könne jeder nachvollziehen, der eine Fremdsprache gelernt hat: Während man seine Muttersprache selbst in unterschiedlichsten Dialekten oder geflüstert gut und einfach versteht, muss man einer fremden Sprache unter gleichen Bedingungen sehr konzentriert zuhören.
Konzentrieren muss man sich auch beim Ausweniglernen oder Wiederholen der Vorlesung. Viele Studenten suchen dafür die Bibliothek auf, die mit ihren leisen 42 Dezibel Durschnittslautstärke ganz geeignet scheint. Tatsächlich gibt es hier aber andere Faktoren, die unsere Konzentration beeinflussen. Denn wenn es in einem Raum sehr sehr leise ist, fallen natürlich auch die kleinsten Geräusche auf. Das kann mitunter mehr stören, als eine durchgehende, mittelstarke Lärmbelastung. „Selbst bei niedrigen Lautstärken wird unsere Kognition gestört“, betont Feldmann.
Lärm – egal welcher Lautstärke – wirkt sich aber nicht nur auf das Gehör, sondern vor allem auch auf unsere Psyche aus. So kann das leise, aber stetige Tropfen eines Wasserhahns sehr zermürbend wirken, auch wenn man sich dessen nicht bewusst ist. Eine ständige Lärmbelastung wirkt sich negativ auf unseren Blutdruck und das vegetative Nervensystem aus. Kurzum: Wir sind genervt und angespannt, obwohl wir gar nicht wissen warum. Um dem entgegenzuwirken, sieht Jörg Feldmann vor allem einen Weg: „Ruhe ist absolut notwendig für den inneren Ausgleich.“ Gemeint ist wirkliche Ruhe: Denn zum Beispiel durch Musikhören entspannen wir zwar, unsere Ohren werden dadurch aber nicht entlastet. Diese Entlastung ist aber wichtig, um eine gleichbleibende Hörschwelle zu behalten. „Eine Verlagerung der Hörschwelle geschieht sehr schleichend.“ Oft bemerkt man eine Hörschädigung erst, wenn es zu spät ist.
Um einen solchen Ausgleich bereits an der Uni zu erreichen, kann man einige Orte über den ganzen Campus verteilt aufsuchen. So sind zum Beispiel die Wiesen zwischen der FH und dem Gebäude an der Emil-Figge-Straße 50 oder vor dem Seminarraumgebäude zwar mit 50 Dezibel nicht absolut still, aber doch sehr leise. Auf jeden Fall leise genug, um seinen Ohren eine kleine Pause zu geben.