Kein schwuler Fußballer, kein Problem?

Lügen, Selbstverleugnung und Paranoia – Alltag eines schwulen Profis

Es ist nicht einfach, sich den Alltag eines schwulen Fußballprofis vorzustellen und sich in seine Situation hineinzuversetzen. Trotzdem gibt es  im Internet Foren, in denen Menschen aller Altersgruppen genau das versuchen und ihre Gedanken mit anderen teilen. In so genannten „Fanfiktions“ schlüpfen sie in die Rolle eines Fußballers und stellen sich vor, wie sein Leben aussähe, wenn er homosexuell wäre. Manchmal sind es einzelne Kapitel, inspiriert durch Geschehnisse in der Bundesliga und manchmal seitenlange Geschichten. Darin geht es um die Lügen, mit denen Profis leben müssen, die Selbstverleugnung, die ständige Angst vor der Entdeckung und die Einsamkeit, wenn man niemanden vertrauen kann. Die Autoren lassen ihre Protagonisten genau den Spagat erleben, den Eggeling als so kräftezehrend charakterisiert hat. Sie schreiben von dem Wünschen ihrer Figuren, sich einfach verlieben und mit ihrem Partner händchenhaltend durch die Innenstadt bummeln zu können – ein kleines Stückchen Normalität. Oder sie versuchen zu ergründen, wie ein gewolltes oder ungewolltes Outing bei den Fans und in der Presse ankommen würde – mit unterschiedlichem Ausgang.

Auch auf dem Dortmunder Campus setzen Fans mit kleinen Aufklebern ein Zeichen gegen Homophobie - so wie hier auf der Mensabrücke Foto: Lena Christin Ohm

Auch auf dem Dortmunder Campus setzen Fans mit kleinen Aufklebern ein Zeichen gegen Homophobie - so wie hier auf der Mensabrücke Foto: Lena Christin Ohm

„Diese Gefühle und Wünsche wird ein homosexueller Spieler sicherlich kennen“, schätzt Eggeling. Trotzdem sei in diesen Geschichten immer auch eine Prise Voyeurismus enthalten und wenn einige Spieler sich das verböten, müsse man es respektieren. So sehen das auch die Betreiber der Seiten: Binnen kürzester Zeit waren alle betreffenden Geschichten aus dem Archiv verschwunden. Den Autoren tat es zwar um ihre Arbeit leid, denn in den meisten Geschichten steckten viele Stunden Schreibarbeit, doch sie hatten Verständnis für die Entscheidung der Spieler.

„Die Unterstellung von Homosexualität kann extrem karriereschädlich sein“, weiß auch Tatjana Eggeling. Deshalb sei es in manchen Fällen schon fast eine Art Reflex, alles vehement von sich zu weisen. Die Nationalspielerin Fatmire Bajramaj weist in ihrer Biographie jedoch auch auf die damit verbundenen Konsequenzen hin: „Dadurch, dass alle immer nur hinter vorgehaltener Hand reden und nie offen damit umgehen, machen sie aus etwas ganz Normalem etwas Anrüchiges.“

Durch Geschichten Toleranz schaffen?

Wie nah die Schilderungen und Vorstellungen der Autoren an der Realität eines schwulen Fußballprofis dran sind, kann niemand mit Sicherheit sagen. Und auch Zweifel an der Wirksamkeit dieser Geschichten sind berechtigt, sie kommen sogar von den Autoren selbst. „Ich wünschte mir wirklich,dass man mit diesen Geschichten ein Zeichen setzten könnte! Wir Autorinnen schreiben das, was einige Fußballer in der Öffentlichkeit nicht ausleben dürfen“, so „Lady Soccer“, die sich bewusst wie ihre Mitautoren auch für den Konjunktiv entschieden hat. Auch „Nicodemus“ gibt zu, dass es „schön wäre“, wenn diese Geschichten ein Zeichen gegen Homophobie setzen könnten, jedoch sieht sie andere Plattformen als wirkungsvoller an: „Ich glaube, wenn man etwas ändern will, dann muss das auf einer Plattform geschehen, an der Homophobe nicht vorbeisehen können. Vorzugsweise im Stadion“, so die Autorin.

Es ist der Wunschtraum, etwas zu verändern, aber sie sind alle zu sehr Realisten, um wirklich an eine Veränderung zu glauben. Aber man mache auf die Probleme aufmerksam, gäbe Denkanstöße und riefe den Lesern diese Thematik ins Gedächtnis, meint „Melui Lirvalda“. Die Autorinnen und Autoren sehen sich nicht als Kreuzritter gegen Homophobie, weil sie einerseits nicht bekannt genug sind und ihre Geschichten andererseits sowieso nur von Menschen gelesen werden, die kein Problem mit Homosexualität im Sport haben.

Doch sie dokumentieren damit ihre Toleranz, die ihnen nicht nur im Netz, sondern auch im wirklichen Leben wichtig ist. „Ich finde, dass es nichts ändert, ob ein Sportler schwul ist oder nicht. Er ist wegen seinen Leistungen anerkannt und nicht, weil er hetero ist“, findet eine 25-jährige Autorin, die unter dem Nickname „Vorhang“ schreibt. Und viele pflichten ihr bei. „Liebe zwischen zwei Männern oder zwei Frauen ist nicht schlechter als Liebe zwischen Mann und Frau, sondern genauso sehr etwas Schönes. Niemand sollte sich wegen der Intoleranz seiner Mitmenschen gegenüber Homosexualität darin einschränken müssen, wen er lieben will“, so „Melui Lirvalda“. Und die 39-jährige „Enem“ findet es „unglaublich anmaßend, dass Menschen aufgrund ihrer Sexualität bewertet werden und darüber hinaus gezwungen werden, sich selbst zu verleugnen“.

Seite 1: Homophobie im Stadion

Seite 2: Selbstverleugnung und Paranoia

Seite 3: Bloß kein Outing

2 Comments

  • Alex sagt:

    Wieso Homophobie? Fußball ist doch völlig schwul!

    Kurze Höschen, lange Söckchen, Gruppenkuscheln auf’m Rasen und hinterher gemeinsam duschen geh’n … Juchhè, Fußball ist ja sooooo tolll! *näsel*

    Dann hab‘ ich da noch so ein Bild vor Augen, wo ein bayrischer Torhüter seinen Gegner in die Wange beisst – ein hochhomoerotisches Bild war das!!! Und wie war der Schiri-Skandal noch gleich?

    Ihr könnt mir alle sagen, was Ihr wollt: Es gibt kaum etwas schwuleres, als Fußball. Und wenn das all den verkappt latent homosexuellen Homophobikern klar wäre, würden Fußballer kaum genug verdienen, um kein Hartz 4 beantragen zu müssen!

    Fragt doch mal einen Menschen so um die 60, ob er irgendwelche Heterosexuellen kennt, oder ob er gar selbst heterosexuell ist …. Sind solche Unterscheidungen nicht völlig überflüssig?!

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