„Freiheit, ick`hör dir trapsen!“

Alexa und die Aufzucht von Eichhörnchen

 

Bei einem ersten Besuch bei meiner Tante nach längerer Zeit konnte ich kaum glauben, was ich sah: Sie pflegt tatsächlich ehrenamtlich Eichhörnchen-Babys. Diese werden ihr von Aufzuchtstationen gebracht, die keinen Platz mehr haben. Diese Wildtier-Aufzuchtstationen gibt es bundesweit, sie päppeln verschiedene Wildtiere auf  und wildern diese dann wieder aus. Nach der deutschen Gesetzgebung darf man keine Wildtiere als Haustiere halten, man darf sie nur kurzzeitig pflegen und muss sie dann wieder in die Freiheit entlassen.

Eichhörnchen-Pflege ist aufwendig und kostspielig

Ich war sehr fasziniert von den kleinen Hörnchen und half meiner Tante begeistert aus. Steffi brachte mir alles bei. Wie man so ein kleines wildes Tierchen hält, um es mit der Pipette füttern zu können, was und wieviel man füttert, wie man das Tier dazu bringt, Urin und Kot abzusetzen und vieles mehr. So ein Aufpäppeln der Hörnchen ist sehr aufwendig, zeitintensiv und dazu nicht billig. Hörnchen-Futtermischungen, Nüsse und Katzenaufzuchtmilchpulver, oder das von mir auch verwendete spezielle Eichhörnchen-Aufzuchtpulver aus den USA, sind alles andere als günstig, da ist ein großer Heim- und Auswilderunsgkäfig noch gar nicht eingerechnet.

Als ich wieder zurück nach Hause kam und mich umfassend auf diversen Eichhörnchen-Webseiten eingelesen hatte, meldete ich mich gleich bei Eichhörnchen-Aufzuchtstationen im Ruhrgebiet zum persönlichen Vorstellen an. Dort wird überprüft, ob man sich mit der Thematik auseinandergesetzt hat und / oder schon Erfahrung gesammelt hat. Gerade wie, womit und wie häufig man die Hörnchen füttern würde, wird abgefragt.

Kuhmilch ist praktisch giftig

Ein Beispiel: Laien bieten gefundenen Eichhörnchen meistens Kuhmilch an, doch die ist praktisch Gift für sie. Die Laktose kann nicht verarbeitet werden und meistens sterben die Tiere an den dadurch entstandenen schmerzhaften Koliken. Außerdem: Umso jünger / kleiner das Tier ist, umso häufiger muss es gefüttert werden-ein sehr junges Tier zum Beispiel alle drei Stunden – auch nachts! Nicht zu unterschätzen ist auch der Umstand, dass man zu dem Hörnchen eine enge Beziehung aufbaut, das ist gar nicht zu vermeiden. Wenn man seinen Pflegling mit ungefähr 14 Wochen auswildern muss, kann das sehr hart sein. Aber egal wie zahm das Tier ist: Man braucht sich keine Sorgen machen, dass die Hörnchen nicht in der Natur überleben würden. Wenn sie Nüsse knacken und sicher klettern und springen können, finden sie sich instinktiv gut zurecht. Oftmals kommen die Eichhörnchen noch ein paar Tage lang zur Auswilderungsstelle zurück, aber sie werden von Tag zu Tag wilder und werden schnell wieder so scheu, wie man es von Eichhörnchen kennt.

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Durch den Jahrhundertsturm ins kalte Wasser geworfen

Nachdem ich mich im Spätsommer 2013 bei den Aufzucht-Stationen vorgestellt hatte, war es im folgenden Juni soweit: Die Pflegestationen waren durch den Jahrhundertsturm völlig überfüllt. Die meisten Hörnchen sind wohl aus ihrem „Kobel“ ( = Eichhörnchen-Nest) gefallen. „Tobi“ wurde mir von einer jungen Frau gebracht, er wäre fast unter ihr Auto geraten. Danach sprang er an ihr hoch und lief nicht weg – ein untrügliches Zeichen, dass das Eichhörnchen Hilfe braucht. Auch „Paula“ sprang an einem Mann hoch, nachdem ihre Mutter überfahren worden war. Er päppelte Paula eine gute Woche lang mit Katzen-Aufzuchtmilch auf und brachte sie dann auf Empfehlung einer Aufzucht-Station zu mir. Zeitweise päppelte ich drei Eichhörnchen gleichzeitig auf. Auch das klettern und springen sowie das Nüsse knacken musste geübt werden. Als die Hörnchen ungefähr 14 Wochen alt waren, stand die Auswilderung an. Dafür hatte ich mir unseren Park-ähnlichen Garten, der kaum genutzt wird und in direkter Nähe zu Wald und Feldern liegt, ausgesucht. „Tobi“ hatte dabei überhaupt keine Angst, er sprang auch gleich auf den Boden und schaute sich alles genau an. Dann sah ich ihn in den folgenden sechs Stunden nicht mehr wieder. Gegen 20 Uhr war er plötzlich wieder da, stürmte an mir vorbei durchs Fenster in die Wohnung und kletterte in seinen provisorischen Kobel, ein kleiner Beutel mit Stoffresten, den ich oben in seinem aus Ästen zusammengebauten Baum, befestigt hatte. Am nächsten Morgten um sechs Uhr weckte er mich und ich öffnete das Fenster: „Freiheit, ick hör dir trapsen“ – ohne sich nochmal umzudrehen, verschwand Tobi. In den folgenden Wochen sah ich ihn und die anderen hin und wieder, wie sie sich an der Hörnchen-Fress-Bar auf meiner Fensterbank bedienten, kletterten oder tobten. Nun haben sie sich wohl ein eigenes Revier gesucht, die Saison ist seit Ende September nun vorbei.

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Ich bleibe eine Hörnchen-Pflegerin

Auch wenn es aufwendig und anstrengend war (vor allem die nächtlichen Fütterungen am Anfang alle drei bis vier Stunden), nicht gerade preiswert (alleine der große Käfig hat 150 Euro an Material gekostet) und es sehr schmerzhaft war, als das fünfte Hörnchen nach ein paar Tagen verstarb, so weiß ich doch, dass ich weiterhin Eichhörnchen pflegen möchte. Ich freue mich darüber, dass ich einen klitze-kleinen Beitrag zu der aktuellen Population der „Oachkatzel“ (auf bayrisch) beigetragen habe.

So wird man Eichhörnchen-Pflegerin
Es gibt keine speziellen Voraussetzungen, außer, dass man sich mit der Pflege und Fütterungen gut auskennt. Man braucht nicht viel Platz, aber es sollte entweder ein großer Käfig (mindestens 2 x 2 Meter) vorhanden sein, oder aber eine Zimmerecke, die mit mehreren Ästen, Bäumen usw. bestückt ist, sodass die Hörnchen das Klettern und Springen üben können. Ich selbst würde die Hörnchen nicht unbeobachtet in der Wohnung rumlaufen lassen, aber eher aus Angst, dass mal eines abstürzt – keines der Hörnchen interessierte sich dafür, Kabel zu zerkauen, wie es zum Beispiel Kaninchen tun. Gut für mich war, wenn man sich die nächtlichen Fütterungen aufteilen kann, die Pflege also zu zweit bestreitet. Denn je älter die Hörnchen sind, desto mehr toben sie auch tagsüber herum. Um die intelligenten Tiere zu beschäftigen, kann man sich verschiedene Methoden einfallen lassen. Ich habe Kletter- und Spielmöglichkeiten gebaut, sie mussten zum Beispiel auf einen Ast klettern und von dort eine Schnur hochziehen, um an die daran befestigte Nuss zu kommen. Das schult dann die Augen-Pfoten-Koordination. Übrigens: Wenn man keine Möglichkeiten hat, die Eichhörnchen auszuwildern, so kann man das bei den Aufzuchtstationen angeben, dann kommen die Hörnchen zur Auswilderung an einen anderen Ort.

 

Medienprojekt: Frei! (Teichmann)

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