Fleischfrei an der Wursttheke

Fleischfreier / Veganer Metzger Michael Spahn

Fleischwurst, Kochschinken, Hüftsteak und Rinderroulade: Tag für Tag reicht Michael Spahn seinen Kunden in der Metzgerei kiloweise Fleisch über die Ladentheke. Waren, die bei ihm selbst nie auf den Teller kommen würden. Denn der Metzger ernährt sich zu einhundert Prozent vegan – und will dabei Vorreiter sein für eine Lebensweise, die für seine Berufsgruppe so gar nicht typisch ist.

 

pflichtlektüre:

Herr Spahn, Wurst verkaufen und gleichzeitig Veganer sein – ist das kein Widerspruch?

Michael Spahn:

Nein, ganz und gar nicht. Metzger bin ich schon immer, das habe ich gelernt, davon lebe ich. Das Vegane kam zwar erst später dazu, es ist aber die Ernährungsweise, die ich für mich entdeckt habe, die mir guttut. Natürlich kann ein Metzger wie ich dann auch Veganer sein.

Trotzdem sind Menschen mit Ihrem Beruf die letzten, von denen man erwarten würde, dass sie vegetarisch oder sogar vegan leben. Wie kam es bei Ihnen dazu?

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Metzger sein und vegan leben – Michael Spahn zeigt, dass genau das möglich ist. Foto: Vivien Timmler

Das hatte gesundheitliche Ursachen. Nach fast 40 Jahren exzessiven Fleischgenusses hat mein Körper mir eindeutige Signale gegeben. Es ging mir einfach nicht mehr so gut und meine Cholesterinwerte sind über 380 gestiegen – normal sind um die 150. Anfangs wusste ich nicht, woran das liegen könnte. Aber klar, durch das tägliche Abschmecken waren locker 2-3 Kilo rohes Fleisch pro Woche drin. Und das wäre so nicht länger gut gegangen.

Mit rohem Fleisch umzugehen ist ja für Sie ein Alltagsgeschäft, inklusive des Schlachtens. Hat das Töten der Tiere in irgendeiner Weise auch mit zu Ihrer Entscheidung beigetragen?

Wirklich geschlachtet habe ich nur damals in der Lehre – behagt hat mir das noch nie. Meine Beweggründe, Metzger zu werden, lagen in der handwerklichen Arbeit mit Lebensmitteln, also hier dem Wurst machen. Zudem ist mir die Massentierhaltung schon immer zuwider gewesen – darum sind wir auch vor über 14 Jahren auf Bio umgestiegen. Ich musste einfach sicher gehen, dass die Tiere ein gutes Leben hatten, bevor wir sie zu Lebensmitteln verarbeiten. Der Schwenk hin zum Veganen ist praktisch der nächste Schritt auf diesem Weg: weg von der Massentierhaltung und von verachtenden Schlachtmethoden, vielleicht einmal ganz hin zur fleischlosen Ernährung.

Und wie sieht der Alltag nun in Ihrem Geschäft aus? Welche Aufgaben übernehmen Sie noch, so als Veganer zwischen großen Fleischmengen?

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Mit Fleischwaren umzugehen ist für den Veganer noch immer ein Tagesgeschäft. Foto: Michael Spahn

Na so gut wie alles, ich bin schließlich immer noch Metzger mit Leib und Seele. Okay, vielleicht mit etwas weniger Leib. (lacht) Ich arbeite im Laden nach wie vor mit Fleisch und Wurst, stelle Produkte her, bin für die Verarbeitung zuständig. Aber die Fein-Abschmeckung, bei der man ja automatisch auch größere Fleischmengen konsumiert, übernehmen nach fast 40 Jahren im Geschäft heute meine Mitarbeiter für mich. 

Wie war die Resonanz der Kunden, als Sie selbst Veganer wurden und es dann auch im Geschäft immer mehr Veganes zu kaufen gab?

Anfangs haben mich schon einige belächelt. Ich mein, wo gibt’s denn auch sowas. Aber sobald die Leute merken, dass du es wirklich ernst meinst, geht das vorbei. Heute sehe ich mich als Ratgeber und Vordenker in Sachen „vegan“ und das liegt mir sehr – ich genieße es, ausgiebige Gespräche mit interessierten Kunden zu führen.

Viele Menschen sind dem Veganen gegenüber skeptisch, befürchten Mangelerscheinungen. Wie können Sie diese vom Gegenteil überzeugen?

Erst einmal möchte ich niemanden „überzeugen“. Für die eigene Ernährung ist jeder selbst verantwortlich, ich kann hier nur einen Anstoß geben. Aber mal ganz ehrlich: Der Mensch isst ohnehin schon zu mehr als 90% vegetarisch oder vegan, Wurst und Fleisch sind einfach nicht das A und O. Es gibt Landstriche in Indien, wo seit Urzeiten traditionell vegan gegessen wird – und dort ist auch noch niemand mit B12-Mangel vom Baum gefallen.

Reden wir über ihr Geschäft: Seit Sie selbst Veganer sind, haben Sie auch in Ihrem Geschäft viel Veganes im Angebot – was zum Beispiel?

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In seinem Veggie-Imbiss bietet Michael Spahn eine riesige Auswahl an veganen Produkten an. Foto: Vivien Timmler

Alles, was Sie sich vorstellen können. Über Hackepetra, Falafel-Teller oder sogar den Veggi-Döner ist bei uns alles dabei. Die meisten unserer über 100 veganen Produkte sind aus Kundenwünschen entstanden. Aber dass bei uns nach wie vor non-veganes Fleisch und Wurst am besten geht, kann ich nicht bestreiten. Der vegane Anteil beläuft sich mittlerweile auf ungefähr 25 Prozent.

Haben Sie durch die Umstellung auch alte Kunden verloren?

Leider ja. Es gibt immer einige, die sich einfach nicht mit der eigenen Ernährung auseinandersetzen wollen, die damit nicht konfrontiert werden wollen. Das geschieht meist aus Bequemlichkeit, eingefahrene Gewohnheiten lassen sich nur schwer hinterfragen und noch schwerer verändern. Dann kommt noch dazu, dass durch Supermarktfleisch und Industriefutter keiner direkt tot umfällt – dann würden sie es sich vielleicht überlegen. 

Aber es gibt auch positive Erlebnisse mit skeptischen Kunden?

Oh ja, wirklich witzig finde ich, wie viele Kunden heimlich ihren Partnern vegetarische Waren unterjubeln wollen. Die berichten mir dann hinterher natürlich von ihrem Erfolg. Wenn ich dann zu hören bekomme, dass selbst militante Non-Veganer den Unterschied nicht bemerken und zugeben, dass das Hackepetra-Brötchen mit frischen Zwiebeln nicht nur wie ein Mettbrötchen aussieht sondern auch so schmeckt, ist das für mich ein ganz besonderes Kompliment.

Aber mal ganz ehrlich: Schmecken vegane Schnitzel Ihnen wirklich genauso wie „normales“ Fleisch? 

Nein, und das behaupte ich auch nicht. Der Geschmack ist überhaupt nicht vergleichbar. Aber wenn man sich vor Augen hält, dass dafür kein Tier leiden musste, ist das für mich schon ein ganz anderes Essgefühl. Andererseits: Gibt man eine Pilzsauce über die Waren merkt man wirklich kaum einen Unterschied.

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Und den meisten Kunden gefällt’s: Im Sommer ist der Imbiss rappelvoll. Foto: Michael Spahn

Glauben Sie, dass die momentane Entwicklung vieler Menschen hin zum Veganen/Vegetarischen ein kurzzeitiger Trend ist oder kann das Ganze von größerer Dauer sein?

Das hoffe ich jedenfalls. Dank einer freundlichen Ansprache und Probierhäppchen erkennen Fleischliebhaber zumindest, dass es auch eine Alternative gibt. Das kann schon der erste Schritt auf einem Weg sein, der vielleicht einmal ganz weg vom Fleisch führt. Militante Aktionen schaden der Bewegung eher als dass sie ihr nützen. Man muss den Menschen, gerade in den Ballungszentren wieder vor Augen führen, wo ihr Schnitzel herkommt und was so ein Tier, ein Lebewesen wie du und ich, durchmachen muss, bis es den erlösenden Stich bekommt – denn das Schlachten ist nur das Ende ihres Leidenswegs. Der Mensch muss wieder erfahren, wie viel Gewinnsucht und Lobbyismus wirklich in der Fleischwirtschaft stecken. 

Und gibt es ein Fleischprodukt, dass Sie persönlich manchmal dann doch ein wenig vermissen?

Oh nein, definitiv nicht. Man hört ja immer wieder, dass Veganer „rückfällig“ werden, dass sie einem wirklich gutem Steak vom Grill nicht widerstehen können. Aber das ist bei mir absolut nicht der Fall. Nach fast 40 Jahren exzessiven Fleischgenusses und einer tagtäglichen Auseinandersetzung mit den Waren darf es für mich einfach mal etwas Anderes sein. Und mal ganz ehrlich: bei den Alternativen … 

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Medienprojekt: Frei! (Teichmann)

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