Drogenfrei in die Zukunft

Mit 20 verließ Ariana ihr Elternhaus schließlich. Um ihre Freiheit zu suchen, wie sie sagt. Eingesperrt zu sein, das machte ihr Angst. Wahrscheinlich wollten ihre Eltern das Beste für sie, überlegt Ariana heute oft, aber damals steckte sie einfach schon zu tief drin, in diesem Drogensumpf. Also zog sie zu einer ihrer Ex-Freundinnen. Drogen nahm Ariana mittlerweile seit einigen Jahren regelmäßig. Nie in großen Mengen, nie tagsüber. Aber abends auf Partys und in Clubs, da immer. Irgendwann fragte sie jemand, ob sie nicht einsteigen wollte. Größere Mengen kaufen wollte, um den Stoff weiterzuverkaufen. Und Ariana willigte ein. Und so wie sie damals begann, ihre Eltern anzulügen, begann sie nun auch, ihre Freundin zu belügen. Diese wusste, dass Ariana Marihuana nahm, tolerierte es. Aber von den chemischen Drogen hatte sie keine Ahnung. Ihre Freundin war Polizistin.

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Hier, auf den Straßen São Paulos, suchte Ariana oft ihre Kunden auf – teilweise noch Kinder. Foto: flickr.com/Milton Jung

Also musste Ariana heimlich dealen. Statt nachts in der Fabrik zu arbeiten, suchte sie nun ihre Kunden auf. Anfangs war das überschaubar, ein paar Stunden jede Nacht. Aber dann wurde es immer mehr. Irgendwann dealte sie den ganzen Tag – und nahm tagsüber auch selbst Drogen. Ihrer Freundin konnte Ariana all das irgendwann nicht länger verheimlichen. „Es war schwer. Ich wollte sie nicht belasten, aber ich hatte ja nur sie. Ich musste ihr die Wahrheit sagen.“ Rückblickend war das keine gute Idee, weiß Ariana heute. Bald begann auch ihre Freundin, ab und an einen Joint zu rauchen. Ein paar Wochen später kamen auch härterer Stoff dazu. Dann schmiss bei der Polizei hin, brach den Kontakt zu ihren Kollegen ab, lebte nur noch für die Drogen.

„Es gab nur noch uns zwei. Wir waren isoliert.“

Mittlerweile war Ariana 24. Die Drogen bestimmten ihr Leben, das Crack hatte sie zu seiner Geisel gemacht. Es war unmöglich, sich mit ihr zu verabreden, eine feste Uhrzeit zu vereinbaren. Nicht einmal einen geregelten Tagesablauf gab es in ihrem Leben. Es gab nur die Drogen.

Mit 25 kauften die beiden Freundinnen sich schließlich einen kleinen Drogenumschlagplatz. Noch einmal zur Uni zu gehen oder sich eine Arbeit zu suchen war schon lange unvorstellbar geworden. Und irgendwo musste das Geld ja schließlich herkommen. „Alles lief gut – bis zu diesem einen Tag. Meine Freundin wurde von der Polizei geschnappt“, erzählt Ariana. „Ich fühlte mich so schlecht, so verantwortlich.“

Sofort versuchte sie, alles in Bewegung zu setzen, was ging. Organisierte einen Anwalt, besuchte ihre Freundin jeden Sonntag im Gefängnis. Selbst mit großem Geld an den richtigen Stellen habe sie es versucht, berichtet Ariana, aber nichts habe geholfen. Ihre Freundin wurde verurteilt – zu sechs Jahren Haft. „Das war für mich wie eine Bombe, die plötzlich explodierte“, erinnert sich Ariana heute. Auch weiterhin besuchte sie ihre Freundin jede Woche im Gefängnis. Die Gefahr, dass man dort misstrauisch würde und sie durchsuchen könnte war groß, aber Ariana war es egal. Sie musste bei ihr sein, zu verantwortlich fühlte sie sich für sie. Doch irgendwann fing ihre Freundin im Gefängnis etwas mit einem anderen Mädchen an. Und von da an war alles vorbei. Und Ariana rutschte noch tiefer.

„Ich habe versucht, meinen Schmerz mit Drogen zu betäuben. Das hat auch ganz gut geklappt. Aber das, was in meine Herzen fehlte, konnte nun einmal keine Droge dieser Welt wieder auffüllen.“

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Irgendwann begann das Crack, Arianas Leben zu bestimmen. Foto: flickr.com/TedsBlog

Drogen, Drogen und noch mehr Drogen. Für etwas anderes war in Arianas Leben kein Platz mehr. Bald hörte sie jedoch mit dem Dealen auf – zu groß war die Angst, irgendwann auch eingesperrt zu sein. Schließlich war Freiheit das Größte. An die Stelle des Dealens waren nun das Stehlen getreten. Erst klaute sie nur kleinere Dinge, dann kamen größere Raubüberfälle dazu. Dazu verkaufte Ariana alles, was sie hatte. Ihre Kleidung, ihren Schmuck, ihre Möbel und letztendlich sogar ihre Wohnung. Und das alles, um an Crack zu kommen. „Es ging so schnell“, beschreibt sie, „ein Teil verkaufen, ein Crackie, noch mehr verkaufen, noch ein Crackie … das war ein Teufelskreis.“ 

Schließlich landete Ariana auf der Straße. Sie besaß nichts mehr außer dem, was sie am Körper trug. Die Drogen waren ihr mittlerweile zur Last geworden. Sie gaben ihr kein gutes Gefühl mehr, betäubten lediglich das schlechte. Aber da war die Sucht, die ihr befahl, weiterzumachen. Ihre Eltern versuchten, sie zu kontaktieren, sie zurück nach Hause zu holen. Aber Ariana redete nur mit ihnen, wenn sie Geld brauchte – um an anderer Stelle eine offene Rechnung zu begleichen.

„Ich wäre beinahe gestorben.“

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Die Slums von São Paulo – kein sicheres Gebiet für Ariana. Foto: flickr.com/Milton Jung

Teilweise zehn Tage lebte Ariana ohne Schlaf und ohne Essen. Ohne Tisch und ohne Stuhl, ohne Bett und ohne Decke. Mit dabei: die ständige Angst. Ariana lebte mittlerweile in den Slums von São Paulo. Hin und wieder ging sie in eine Baracke, in der auch andere Drogenabhängige lebten. Aber auch da war an Schlaf nicht zu denken. Zu groß war die Angst, von den Anderen im Schlaf vergewaltigt zu werden. Doch es war anstrengend, das Leben auf der Straße. „Den ganzen Tag rennst du herum und versuchst, an Drogen zu kommen. Manchmal kannst du dich unter einer Brücke ein wenig ausruhen. Aber ohne die Drogen geht es dir einfach nicht gut.“ Irgendwann hat es Ariana dann nicht mehr ausgehalten.

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