„Seinen Weg gehen: Ob hochbegabt – oder nicht“

Wie ist das eigentlich, wenn man hochintelligent ist: Hat man den Studienabschluss mit Auszeichnung automatisch schon in der Tasche? Sind Bestleistungen nicht geradezu garantiert, wenn herauskommt, dass man die magischen 130 IQ-Punkte übersteigt? Nicht unbedingt, sagt die Dortmunder Psychologie-Dozentin Dr. Linda Wirthwein. Sie hat fast sieben Jahre lang als Beraterin in der Hochbegabten-Diagnostik gearbeitet und sagt, dass Hochbegabten im Leben auch nicht immer alles zufliegt.

Text: Friederike Ahrens

pflichtlektüre: Frau Wirthwein, kann man Intelligenz überhaupt mit Tests erfassen?

Linda Wirthwein: Tatsächlich sind Intelligenztests die erfolgreichsten Tests, die in der Psychologie entwickelt wurden. Man hat sehr viele Zusammenhänge zwischen dem Ergebnis eines Intelligenztests und beispielsweise der Schulleistung oder auch der Abschlussnote gefunden. Sogar mit dem Studienerfolg und dem Berufserfolg hängt  der IQ zusammen. Das sagt uns, dass wir mit diesen Tests genau das erfassen, was wir auch erfassen wollen.

Linda Wirthwein hat schon selbst in der Diagnose von Hochbegabung gearbeitet.

Linda Wirthwein hat schon selbst in der Diagnose von Hochbegabung gearbeitet (Foto: Friederike Ahrens).

Ist Hochbegabung also für Sie ein Privileg?

Ich würde es als Potenzial bezeichnen, das man auch in sehr gute Leistungen umsetzen kann, was aber definitiv nicht immer der Fall sein muss. Erfolg in der Schule oder im Studium hängt auch immer mit der Motivation und der Arbeitsbereitschaft zusammen. Und die entscheiden, wie dieses Potenzial genutzt wird.

Wie unterscheiden sich denn Hochbegabte von Menschen mit einem durchschnittlichen IQ?

Es gibt nicht prinzipiell den auffälligen Hochbegabten, genauso wenig wie es auch nicht den auffälligen durchschnittlich Begabten gibt. Dieser Wert von 130 stellt keine Mauer dar. Ein IQ von 127 heißt genauso, dass jemand sehr, sehr intelligent ist. Ab 130 ist nichts anders, was jetzt Persönlichkeitseigenschaften oder andere Eigenschaften angeht, die nichts mit der Intelligenz zu tun haben.

  

Sind Hochbegabte mit ihrem Leben genauso zufrieden wie durchschnittlich Begabte?

Genau das habe ich in meiner Dissertation untersucht. In der Studie ging es darum, ob Hochbegabte zufriedener sind. Meine Untersuchungen habe ich unterteilt in die allgemeine Lebenszufriedenheit und wie zufrieden die Hochbegabten im Vergleich zu durchschnittlich Begabten mit ihrem Beruf und Privatleben sind. Die Antworten ähnelten sich überraschend. Hochbegabte und durchschnittlich Begabte verfolgen meist ähnliche Lebensziele und auch die Zufriedenheit scheint nicht mit dem IQ zusammenzuhängen.

 

Stehen Hochbegabte stärker unter Druck? Wird von ihnen mehr Leistung erwartet?

Natürlich haben Hochbegabte auch mal Schwierigkeiten. Aber genauso haben ja alle Menschen mal Schwierigkeiten im Leben. Sicherlich könnte man darüber diskutieren, dass man sich mit einem Label „hochbegabt“ – wenn man damit versehen wird – vielleicht mehr Gedanken darüber macht und sich deshalb unter Druck gesetzt fühlt. Leider gibt es hierzu keine wissenschaftlichen Befunde, die das methodisch solide untersucht haben.

 

Wenn man hochbegabt ist, merkt man das im Alltag?

Sie würden es wahrscheinlich daran merken, dass Ihnen in der Schule vieles zufliegt, dass Sie vielleicht weniger lernen müssen als Ihre Mitschülerinnen und Mitschüler, weil Sie ein sehr gutes kognitives Potenzial haben. Vielleicht würden Sie es auch daran merken, dass Sie in der Lage sind, Probleme schneller zu lösen als andere.

 

Und als Erwachsener? Wenn es einem in der Schule vielleicht nicht so aufgefallen ist…

Vielleicht fällt es Ihnen auch gar nicht auf, weil Sie ja daran gewöhnt sind so zu sein wie Sie sind. Ich weiß nicht, ob es im späteren Leben irgendwie noch auffallen würde, wenn Sie keinen Intelligenztest durchführen. Es muss ja auch nicht unbedingt sein, dass man immer einen Intelligenztest macht. Also ich glaube nicht, dass es unbedingt sein muss, die Hochbegabung festzustellen. Viele gehen einfach so ihren Weg, ob hochbegabt oder nicht. 

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1 Comment

  • Sabrina sagt:

    Besondere Verhaltensweisen können aus nicht erkannter bzw. nicht geförderter Begabung des Kindes resultieren. In vielen Fällen bedeutet eine besondere Begabung auch ein Unterschied zwischen geistiger und sozialer Reife. Doch bewahren Sie Ruhe, oft sind es die Eltern, die bei einigen Indizien etwas „panisch“ reagieren, Ihre Umwelt „nerven“ und selber zu Überreaktionen beim Umgang mit Ihrem Kind tendieren. Bis zum 6. Lebensjahr oder innerhalb der ersten Klasse der Grundschule sollte die Früherkennung jedoch abgeschlossen sein. Deshalb sollten sich die Eltern gezielt Fragen zu den gesitigen Fähigkeiten, den Charaktermerkmalen, dem Sozialverhalten und körperlichen Fähigkeiten stellen: http://www.wunschfee.com/inhalt/familienleben/artikel/hochbegabung-beim-baby-erkennen

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