Von Postkarten bis Daten sammeln: Wissen ist Macht

„E-Mails sind wie Postkarten“ – Postkarten, die jeder lesen kann, auf die jeder Zugriff hat. Außer sie sind verschlüsselt. Davon ist Constanze Kurz, Sprecherin des Chaos Computer Clubs, überzeugt. Das Internet gewinnt immer mehr an Macht. Themen um Edward Snowden, die NSA und Datenspionage dominieren die Medien. Aber, wer beherrscht wen? Wie viel Kontrolle hat das Internet? Fragen, über die Gäste wie Christian Lindner und Constanze Kurz beim Mannheim Forum diskutieren.

Das Mannheim Forum ist eine dreitägige Veranstaltung, organisiert von Studenten der Universität Mannheim. Das Thema: Wissen ist Macht. Drei Tage lang gibt es Vorträge, Diskussionen und Workshops. Peer Steinbrück, Paul Achleitner, Christian Lindner und Wolfgang Bosbach sind nur einige der geladenen Gäste. Die Moderatoren kommen vom WDR, von der Springer AG oder vom Ersten – von Frank Plasberg bis Anne Gesthuysen. Mit dem Forum „soll Studierenden eine innovative Plattform geboten werden, auf der sie renommierte Referenten und Persönlichkeiten aus allen Bereichen unserer Gesellschaft begegnen können“, sagen die Verantwortlichen. Sie wollen Impulse geben
und Perspektiven bieten. Wer hat die Macht? Gibt es eine gerechte Machtverteilung? Und wie nutzt man seinen Einfluss sinnvoll? Fragen, die besonders in den vergangenen Monaten an Relevanz gewonnen haben: Sotschi, die Ukraine, Russland, die Macht der Finanzmärkte, die Überwachung durch die NSA.

Diskutierten über Politik und Medien: Paul Achleitner (links) und Peer Steinbrück. Foto: Constanze Raßfeld

Diskutierten über Politik und Medien: Paul Achleitner (links) und Peer Steinbrück. Foto: Constanze Raßfeld

Internet ist Macht. Genauso wie Wissen. Beim Mannheim Forum diskutieren 50 Persönlichkeiten aus Politik, Wirtschaft und Gesellschaft über diese Themen. Das erfordert lange Vorbereitung und viel Arbeit. „Seit Mai 2013 arbeiten wir an dem Forum“, sagt Louisa Plasberg, Vorstandsvorsitzende des Forums. Etwa 40 Studenten haben die drei Veranstaltungstage organisiert. 480 Teilnehmer sind nach Mannheim gekommen, davon etwa 100 Studenten von anderen Unis und 100 Unternehmensvertreter.

Neben sieben Hauptveranstaltungen gibt es auch ein großes Extra-Programm: Von Dinner-Party, bis Mittagessen und Abschlussfeier. „Die größte Herausforderung war es alles unter einen Hut zu bekommen. Vor allem das Zeitmanagement“, sagt Ulrike Holder vom Vorstand. „Wir hatten einfach wenig Erfahrungswerte, da muss man erst mal den Überblick behalten“, pflichtet Nico Förster, ebenfalls vom Vorstands-Team, bei.

Wer Daten sammelt, der hat Macht. Das ist unumstritten. Immer öfter aber wird Macht zur Ohnmacht. Seit Edward Snowden ist Privatsphäre nicht mehr gleich Privatsphäre. Abgefangene E-Mails, abgehörte Telefonate, ein verändertes Bewusstsein. „Das führt zu einer Selbstzensur“, sagt der Vorsitzende der FDP Christian Lindner, „und das ist doch die schlimmste Freiheitseinschränkung überhaupt.“ Politiker werden ausgespäht, das Kanzler-Handy abgehört, aber auch vor Privatpersonen macht die Datenselektion keinen Halt. „In Wahrheit wissen wir doch alle, was wir Nachts googeln“, sagt Constanze Kurz mit einem Schmunzeln. Wenn man sich erst einmal überlegen muss, was man bei Google sucht und was nicht, wenn man bei jedem Schritt die möglichen Folgen beachten muss, dann übernehmen die Datensammler die Macht. „Nach Andrea Nahles zu googeln wäre für mich schlimmer, als nach Megan Fox zu suchen“, sagt Lindner lachend. „Es gibt eine ordentliche Shitstorm-Kultur in Deutschland“, fügt er hinzu. Und genau das beeinflusst das private Handeln.

Anne Gesthuysen, Christian Lindner und Constanze Kurz (von links). Foto: Constanze Raßfeld

Anne Gesthuysen, Christian Lindner und Constanze Kurz (von links) debattierten über Facebook, Google und Co. Foto: Constanze Raßfeld

Das Internet und Facebook grundsätzlich zu verteufeln, sei trotzdem nicht richtig. Lindner erklärt, dass es ihm als politische Person viele Vorteile bietet. Wer online eine Frage stellt, der kann über Facebook Antworten sammeln. „Ich habe vor einiger Zeit auf meiner Seite gefragt, was die Facebook-Nutzer von einem Wahlrecht ab 16 halten. Nach kurzer Zeit hatte ich fast 200 Kommentare, verschiedene Aspekte und Meinungen. Das hilft mir Infos zu sammeln und eine Meinung zu bilden“, sagt Lindner. Aber, privat nutzt er die Social Media Seite nicht. Lediglich als Werbeplattform.

 Eine Werbeplattform ist Facebook auch für viele Privatnutzer. Allerdings steht man selbst im Mittelpunkt, man bewirbt sich, kreiert ein Image, betreibt Eigenpromotion. Dafür wird schnell mal das Urlaubsfoto aus Spanien, das Feierbild aus Berlin oder ein gewollt provokanter Status gepostet. Wo die ganzen Informationen landen und wer darauf auch Jahre später noch zugreifen kann, darüber machen sich die wenigsten Gedanken. „Ich habe nichts zu verbergen, guckt ruhig“ ist die Devise vieler. „Das ist eine Untertan-Mentalität, die ich nicht verstehen kann“, sagt Lindner. Viele sind der Meinung: Wenn es eine Überwachung gibt, dann ist wenigstens Sicherheit gewährleistet. Anschläge werden verhindert, organisierte Kriminalität eingegrenzt. Aber: „Das ist nicht verhältnismäßig. Dank der Überwachung geht Freiheit verloren. Es gibt aber kein Super-Grundrecht auf Sicherheit“, ist der Bundesvorsitzende der FDP überzeugt.

„Es ist keine Wahl zwischen Freiheit und Sicherheit“, sagt auch Kurz. Beides muss zeitgleich möglich sein. Schlimm finde Kurz auch, wie mächtig Google sei. Wer etwas suche, der bekomme individualisierte Werbevorschläge, gefiltert aus den eigenen Suchanfragen und Seitenverläufen.

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