Fliegt Polen bald aus der EU?

Polen

Die polnische Regierung sorgt mit ihren Reformen für Unruhen und Proteste im Land. Aber auch von der EU wird die aktuelle Entwicklung in Polen stark kritisiert. Es ist das erste Mal, dass sich die EU so weit in die Innenpolitik eines Landes einmischt. Am Mittwoch wurde genau geprüft, ob es in Polen – nach starken Reformen – überhaupt noch Rechtsstaatlichkeit gibt. Doch falls nein: Was würde das bedeuten? Viele Politiker fordern Sanktionen gegen das Land.

Im Oktober 2015 wurde in Polen eine neue rechtsnationale Regierung gewählt. Die hat vor allem Ende Dezember viel reformiert: auch das polnische Verfassungsgericht. Für ein Urteil brauchen die Verfassungsrichter jetzt eine Zwei-Drittel-Mehrheit – das gilt aber als sehr unrealistisch. So könnten auch verfassungswidrige Gesetze in Kraft treten. Außerdem greift die Regierung in die Rechte des öffentlich-rechtlichen Rundfunks ein. Das neue Mediengesetz, das noch an Silvester verabschiedet wurde, gibt der Regierung die Macht leitende Journalisten zu entlassen. Beide Reformen wurden per Eilverfahren durchgebracht und sorgen international für viel Ärger. Das führt so weit, dass die Europäische Kommission jetzt die Rechtsstaatlichkeit in Polen infrage stellt.

Was bedeutet Rechtsstaatlichkeit überhaupt?
Rechtsstaatlichkeit ist in den westeuropäischen Ländern nicht einheitlich definiert. Grundsätzlich geht es bei Rechtsstaatlichkeit aber um Gewaltenteilung – also die Trennung von Parlament, Regierung und Justiz – und  es geht um den Schutz von Grundrechten. Vor allem soll Rechtsstaatlichkeit schließlich dafür sorgen, dass Regierungen nicht einfach machen können, was sie wollen – also kontrolliert werden. Zum Beispiel durch ein unabhängiges Verfassungsgericht.

Bis sich die EU einmischt, muss allerdings einiges passieren: Einzelne Verstöße gegen EU-Grundwerte reichen da nicht aus. Es muss konkrete Gesetze geben, mit denen die Regierung eines Mitgliedsstaats das eigene System fundamental ändert. Dann erst kann es zu einem Prüfverfahren kommen – so wie jetzt. Schließlich ist Rechtsstaatlichkeit eine Bedingung für den Beitritt in die EU.

Die EU plant sicher nicht, Polen aus der Staatengemeinschaft auszuschließen. Als letzten Ausweg könnte sie aber Sanktionen gegen das Land beschließen. So könnte man Polen das Stimmrecht in der EU entziehen. Noch dazu könnte die EU Fördergelder streichen, von denen Polen aber besonders profitiert.

Experten halten direkte Sanktionen aber für unwahrscheinlich. Das würde nämlich polnische EU-Kritiker nur weiter bestätigen. Außerdem ist die EU vorsichtiger geworden. Schon im Jahr 2000 hat sie sich auf ähnliche Weise in die Innenpolitik eines Mitgliedslandes eingemischt: Noch bevor die rechtspopulistische FPÖ in Österreich an die Macht kam, hat es Sanktionen gegeben – damals zu früh. Die Sanktionen wurden als unbegründeter Eingriff aufgefasst. Jetzt soll der sogenannte Rechtsstaatsmechanismus den Dialog mit Polen erleichtern, dafür ist zumindest EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker.

Der Rechtsstaatsmechanismus ist ein neues Verfahren. Hier verhandelt die EU mit dem betroffenen Mitgliedsland nach dem Ping-Pong-Prinzip: Von der EU gibt es Warnungen und Empfehlungen, auf die das Land dann jeweils reagiert. Das kann Schätzungen zufolge etwa ein halbes Jahr dauern. Polen zeigt allerdings wenig Interesse am Dialog mit der EU. Im März soll ein Gutachten zur Rechtsstaatlichkeit in Polen vorliegen. Dann entscheidet die Kommission, ob es zu einem solchen Prozess kommt.

 

Beitragsbild: Fabian Freches

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