Vom Junkie zum Triathlet

Er brauchte in der Spitze 1000 Mark am Tag für Heroin, vernachlässigte seine Familie. Dann machte er eine Therapie, fand Arbeit und wurde Extremsportler. Jetzt erzählte der Ex-Junkie und Triathlet Andreas Niedrig im Audimax von Höhen und Tiefen des menschlichen Lebens. pflichtlektüre hat mit dem Mann gesprochen, der heute anderen Motivation schenken will.

Andreas Niedrig begeisterte die Studenten im Audimax mit sehr persönlichen Erfolgsgeschichten. Foto: Karen Grass

Andreas Niedrig begeisterte die Studenten im Audimax mit sehr persönlichen Erfolgsgeschichten. Foto: Karen Grass

Sie halten Vorträge in Schulen und Unis, aber auch in großen Unternehmen. Wie schaffen Sie es,  dass der Funke überspringt?

Indem ich „Ich“ bin. Ich stehe nicht als Wissenschaftler da vorne, der Vorträge hält, sondern ich erzähle einfach meine Geschichten. Und ich versuche vor allem, eines nicht zu tun: Zu zeigen, wie´s geht. Denn ich glaube, das ist nicht möglich. Ich versuche einfach, meinen Lösungsweg zu zeigen, so wie ich mich motiviere, wie ich mein Leben meistere.

Bei den Studenten hat es gepasst. Was können sie aus Ihrer Geschichte lernen?

Zum einen, dass es nichts bringt, etwas aufzuschieben. Irgendwann steht man vor einem Berg von Aufgaben, die man nicht mehr abarbeiten kann. Natürlich ist das nicht immer einfach, manchmal muss man hart arbeiten. Ich weiß nicht, wie es ist, in Zeiten von Bologna zu studieren. Es mag sein, dass sich manch einer überfordert fühlt. Doch wenn einem etwas zu viel wird und man dauerhaft keine Freude mehr daran hat, ist es vielleicht auch nicht das Richtige.

Als Sie Ihre Frau kennenlernten, machten Sie zum ersten Mal Schluss mit den Drogen. Als dann jedoch Ihre Tochter Jana geboren wurde, hatten Sie einen starken Rückfall. Was ist damals passiert?

Meine Frau Sabine hat mir damals das gegeben, was ich immer gebraucht habe: Bedingungslose Liebe. Auch die Möglichkeit, selbst lieben zu dürfen. Mit der Geburt von Jana hat Sabine Anforderungen gestellt: Eine junge Mutter hat natürlich das Bedürfnis nach Sicherheit. Verantwortung, das kannte ich bisher gar nicht, es hat mich in dem Moment erdrückt. Ich wollte wieder Ruhe haben, habe wieder angefangen zu kiffen, weil ich mir davon mehr Ruhe, mehr Kontrolle erhofft habe. Relativ schnell kam Heroin ins Spiel und das Fatale an Heroin ist, dass es einem am Anfang ein extrem geiles Gefühl vorgaukelt. Doch nach jedem Rausch wacht man auf und sieht: Eigentlich ist gar nichts okay und du bist ein oller Verlierer.

Selbst ein Ironman in der Gluthitze Südafrikas kann Spaß machen, findet Andreas Niedrig. Foto: Thomas Rabsch

Selbst ein Ironman in der Gluthitze Südafrikas kann Spaß machen, findet Andreas Niedrig. Foto: Thomas Rabsch

Dass Sie kein Verlierer sind, haben Sie aller Welt bewiesen. Ihr Slogan ist: „Du kannst fast alles schaffen, wenn du es willst.“ Was treibt Sie an?

„Du schaffst das nicht.“ Dieser Satz war früher die größte Motivation für mich, etwas zu schaffen, so bin ich von den Drogen weg und auf den Leistungssport gekommen. Mittlerweile weiß ich auch ohne Provokation, was für ein gutes Gefühl es ist, wenn man eine Herausforderung gemeistert hat. An diesem Punkt möchte ich etwas von meinen Erfahrungen abgeben. Das versuche ich über Sportprojekte für Kinder in Südafrika oder über Besuche im Knast, mit denen ich den Gefangenen den Eindruck geben will: Hey, ich nehme dich als Menschen wahr.

Und wann hat der strahlende Ironman Andreas Niedrig mal Motivationsprobleme?

Echte Motivationsprobleme habe ich zum Beispiel mit der Steuererklärung, mit Geschwindigkeitsbegrenzungen oder Ordnung. Das ist nichts für mich. Ich lebe für den Sport und dafür, mit meinen Geschichten etwas in anderen Menschen aufzuwecken, zu entfachen.

Darf eigentlich Ihr Umfeld, dürfen Ihre beiden Kinder mal demotiviert sein?

Ach, das ist völlig in Ordnung. Meine Tochter ist jetzt 21, eher ruhig und zwischen uns gibt es einige Reibungspunkte. Aber das ist okay, ich bin auch nicht immer ein gutes Beispiel und kann sie eben nur ein Stück weit begleiten. Ich denke, dass es wichtig ist, dass Kinder irgendwann selbstständig werden und die Freiheit haben zu sagen: Ich will auf keinen Fall so sein wie meine Eltern.

"Mit jedem Finish trage ich eine weitere, einzigartige Geschichte in mir", sagt Ex-Triathlet Andreas Niedrig. Foto: Privat

Andreas Niedrig: "Mit jedem Finish trage ich eine weitere, einzigartige Geschichte in mir."

Sie hatten vor einigen Jahren neun Operationen am Fußgelenk, die Ärzte sagten: „Nie wieder Sport.“ Sie sagen: „Nie gibt´s bei mir nicht“, und haben danach am Ironman auf Hawaii teilgenommen. Warum können Sie nicht aufhören mit dem Sport?

Während meiner Verletzungspause haben viele erwartet, dass ich rückfällig werde in Sachen Drogen. Es wird oft gesagt: Jaja, der Niedrig hat nur eine Sucht gegen eine andere ausgetauscht. Doch Sport kann man nicht mit einer Droge vergleichen, denn er betäubt nicht, sondern erweckt zum Leben. Ich werde mein Leben lang Sport machen, wenn auch nicht mehr auf Wettkampf-Basis. Es reizt mich immer wieder, Grenzsituationen auszuprobieren. Und sicherlich brauche ich den Sport auch, um meinem Leben Strukturen zu geben.

Worauf sind Sie stolz außerhalb des Sports?

Auf meine Ehe. Dass das so lange gehalten hat, obwohl wir uns jedes Jahr gefühlte zehn Mal trennen und wieder zusammenfinden. Ich bin insgesamt ziemlich stolz auf unsere Familie, weil meine Frau eine noch viel größere Leistung vollbracht hat als ich. Sie hat mir eine zweite Chance gegeben.

Wie geht ihre Familie damit um, dass sie seit einigen Jahren in den Medien stehen?

Natürlich war das nicht immer leicht für meine Familie. Eine problematische Situation war zum Beispiel, als meine Tochter mit vielen ihrer Freundinnen den Kinofilm über mein Leben gesehen hat. Da gibt es eine Situation, wo ich sie unter Drogeneinfluss über die Drogenszene schiebe. Darüber hatte ich mit ihr nie gesprochen, was mir damals erst bewusst wurde. Doch insgesamt bin ich der Überzeugung: Dadurch, dass wir alles offen gelegt haben, sind wir nicht mehr angreifbar. Das war der beste Schutz, den wir bekommen konnten.

Und bei was wird ein Ironman schwach?

Wenn er an einem gelben M auf der Autobahn vorbei kommt- ich weiß, es ist verrückt, aber ich liebe Fastfood einfach.

Vielen Dank für das Gespräch!

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