Wissenswert: Wie wir lernen

Foto: flickr.com/Karen Roe, Rafael Robles L, Lars Kasper, NASA Goddard Photo and Video; Montage: Marc Patzwald, Teaserfoto: flickr.com/poniblog

Foto: flickr.com/Karen Roe, Rafael Robles L, Lars Kasper, NASA Goddard Photo and Video. Montage: Marc Patzwald. Teaserbild: Ronald Roggen/flickr.de


Lernprozesse spielen sich im Gehirn ab – das ist klar. Aber wie komplex das Ganze tatsächlich ist, wissen nur wenige. Dabei sind noch längst nicht alle Prozesse eindeutig erforscht. Über die Struktur des Lernens aber herrscht mittlerweile Klarheit. Doch wie funktioniert unser Gehirn, wenn wir lernen und was passiert eigentlich beim Vergessen?

Der typische Mathematiker: rational, wenig emotional und vor allem sehr logisch. Bei ihm ist ständig die linke Gehirnhälfte aktiv. Dem gegenüber steht der typische Künstler, der ausschließlich Wert auf Ästhetik, Kreativität und das Ausleben der Emotionen legt. Seine Aktivität gilt der rechten Seite des Gehirns. Diese Veranschaulichung mag zwar etwas reduziert sein, doch im Kern trifft sie die Wahrheit: In der linken Hälfte spielen sich hauptsächlich Logik, Analyse, Sprache und Bewusstsein ab – Dinge, die ein Mathematiker oft braucht. In der rechten Hälfte laufen vor allem emotionale, phantasievolle, kreative und institutionelle Vorgänge ab – ideal für Künstler und Kreative.

Schwerpunkte in den Gehirnhälften. Fotos: consequence-concept.de/flickr.de

Schwerpunkt-Vorgänge in den beiden Gehirnhälften. Fotos: consequence-concept.de/Ethan Hein/flickr.de.

Zum Lernen wird meist nur die linke Gehirnhälfte aktiviert. So auch beim „Bulimie-Lernen“. Optimal wäre aber, wenn wir beide Gehirnhälften auf einmal nutzen könnten. Denn nur so werden unterschiedliche Informationen langfristig gespeichert und können auch schnell wieder abgerufen werden. Aus diesem Grund werden beim „Bulimie-Lernen“ oftmals unwichtige Details gespeichert, da sie die Emotionen und Kreativität – also auch die rechte Gehirnhälfte – ansprechen.

Doppelt hält besser

Es gibt jedoch Lernmethoden, die versuchen, beide Hälften zu aktivieren und so für einen größeren Lerneffekt sorgen: Mind Mapping ist nur ein Beispiel dafür. Und auch das Einbeziehen der Sinne hat diesen Effekt. Dabei ist es manchmal ganz einfach, auch die rechte Gehirnhälfte beim Lernen ans Laufen zu bringen: Lautes Lesen statt stummem Pauken – das aktiviert beispielsweise schon zwei Kanäle: hören und sehen. Zusätzliches Ausdenken von Bildern bezieht auch den kreativen Part der rechten Gehirnhälfte mit ein und die Aufnahme erfolgt noch intensiver.

Informationsspeicherung durch Neuronen

Doch wie funktioniert das jetzt genau? Unser Gehirn hat bisherigen Untersuchungen zufolge etwa 100 Milliarden Nervenzellen. Diese werden auch Neuronen genannt und sind die Hauptakteure beim Lernvorgang. Eine weitere wichtige Rolle spielen die Verbindungsstellen zwischen einzelnen Neuronen, die sogenannten Synapsen. Hier finden Verknüpfungen statt, die verstärkt oder abgeschwächt auftreten. Die Stärke der Verknüpfung ist abhängig von ihrer Aktivität – also von der zeitlichen Abfolge der elektrischen Impulse oder chemischen Signale. Diese Impulse finden etwa durch den Input von Lernmaterial statt. Solche Vorgänge sind sehr komplex und können in einzelnen Neuronen sehr unterschiedlich sein.

Aufbau eines Neurons mit Verbindungsstellen (Synapsen)

Aufbau eines Neurons mit Verbindungsstellen (Synapsen)

Sieht man zum Beispiel eine Person nur sehr flüchtig, ist eine solche Verbindung schwach und kurzlebig. Das aufgenommene Bild wird beinahe sofort wieder gelöscht. In diesem Fall ist nur das Kurzzeitgedächtnis betroffen. Das Gleiche passiert beim „Bulimie-Lernen“ oder dem oberflächlichen „surface learning“. Sollen Informationen ins Langzeitgedächtnis gelangen, müssen Synapsen chemisch-molekular, also dauerhaft, verändert werden. Das geht nur, wenn nicht zu viele neue Informationen auf einmal gespeichert werden. Vielmehr muss jede Info wiederholt aufgenommen werden, um nicht sofort von neuem Wissen überschrieben zu werden. Die Übertragung vom Kurzzeit- ins Langzeitgedächtnis dauert in der Regel etwa 24 Stunden.

Wenn man aber mal von Autisten absieht, sind unsere Gehirne nicht dazu geschaffen, sinnlose Informationen zu speichern und auf Knopfdruck abzurufen. Sie sind vielmehr darauf spezialisiert, eine große Menge an Informationen in Kontext zueinander zu bringen, wodurch diese Informationen eine Bedeutung bekommen. So etwa durch die Aktivierung beider Gehirnhälften. Daher scheint es nicht verwunderlich, dass ein oberflächliches Lernen oft nicht besonders nachhaltig ist. Meist bietet nur ein tiefes Verständnis, andauerndes, nützliches und flexibel abrufbares Wissen. Denn es gibt Informationen im jeweiligen Kontext eine Bedeutung.

Motivation durch Lernerfolge

Motivationskreislauf nach Rühl

Motivationskreislauf nach Rühl

Zuletzt ist auch die Motivation des Individuums ein wichtiger Faktor im Lernprozess. Diese resultiert normalerweise aufgrund zweier Aspekte: Entweder um Strafe zu vermeiden oder um eine Belohnung zu erhalten. Letztere ist meistens für den Lernprozess verantwortlich. Hier spielt das interne Belohnungssystem eine entscheidende Rolle. Negativ wird das Befinden, wenn der Stoff entweder zu einfach oder zu schwer ist. Dann wird der Lernende schnell frustriert oder aggressiv und man verliert die Motivation. Aber es ist wichtig, sich auch komplexe Zusammenhänge anzueignen, um das vorhandene Lernpotential nicht zu verschenken. Wird es nicht aktiviert, kann das Wissen meist auch nicht mehr nachgeholt werden. Lerninhalte sollten also möglichst früh aufgenommen werden. Nur so können auch schwierige Zusammenhänge besser erfasst werden. Bei einem geglückten Vorgang, etwa durch Erfolg beim Lernen oder den „Aha-Effekt“, wird dann das Glückshormon Dopamin ausgeschüttet. Das führt zu noch mehr Motivation – und lässt die nächste Prüfungsphase gar nicht mehr so schlimm erscheinen.

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