Universitätsbibliothek vermisst 2000 Bücher

Ein Student hat Georg Wilhelm Friedrich Hegel als vermisst gemeldet. Fast 20 Jahre stand das Buch von Rolf Hosfeld im Regal, jetzt ist es nicht mehr auffindbar. „Vermisst“ steht ab sofort in der Datenbank der Universitätsbibliothek. Gleichzeitig ist in der Ausleihe eine Vermisstenmeldung verfasst worden. Fünf bis sechs solcher Meldungen fallen an einem Tag an.

Auch das Buch über den Erfurter Amoklauf, das die Journalistik-Studierende Susann Eberlein (20) für ihre erste Hausarbeit benötigt, wird vermisst: „Das ist verdammt ärgerlich. Das Buch hätte ich dringend gebraucht. Ich habe es selbst noch in den Regalen gesucht, aber nicht gefunden“, sagt sie. Die vermissten Bücher zu suchen, das ist Aufgabe der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Universitätsbibliothek.

Vermisstenmeldung im Ausleihzentrum der Bibliothek

Vermisstenmeldung im Ausleihzentrum der Bibliothek

Wenn die zurückgegeben Bücher in die Regale einsortiert werden müssen sie sich in den langen Fluren und Regalen der Universitätsbibliothek auch auf die Suche nach den vermissten Büchern machen. Kurt Schröder, der Leiter der Benutzungsabteilung, geht davon aus, dass die meisten Bücher „irgendwo sind“.

Diebstahl unwahrscheinlich

Dass die schätzungsweise 2000 verschwundenen Bücher gestohlen wurden, hält Schröder für unwahrscheinlich. Diebstahl sei in der Bibliothek nahezu unmöglich, da jedes Buch, jede Zeitschrift und CD elektronisch gesichert sei und sofort Alarm schlage, wenn es doch mal jemand versucht. Der Aufwand, ein verschwundenes Buch unter den mehr als 1,2 Millionen Büchern in der Zentralbibliothek zu suchen, ist also gerechtfertigt.“Manchmal taucht ein Buch nach vier Wochen wieder auf, manchmal nach einem Jahr. Keine Ahnung wo das dann war“, erzählt Petra Olschewski von dem Phänomen der verschwunden Bücher. Ihre Aufgabe im Magazin-Dienst der Zentralbibliothek ist es, nicht nur ausgeliehene Bücher wieder in die Regale einzusortieren, sondern auch vermisste Bücher wieder zu finden.

Manche sind zu faul, sich zu bücken

Mit der Vermisstenmeldung macht sie sich auf den Weg ins zweite Obergeschoss. Olschewski weiß genau wo sie als erstes gucken muss. Sie leistet richtige Detektivarbeit: „Häufig liegt einfach ein Zahlendreher vor, dann steht 1070 plötzlich bei 170, oder aus Ba wird Be“. Besonders häufig werden Bücher falsch einsortiert, die ihren richtigen Platz in der untersten Reihe der Regale hätten: „Die Leute sind wohl zu faul sich zu bücken und stellen das Buch dann einfach auf Augenhöhe ab.“ Die Bibliotheksangestellte ärgert sich kaum darüber. Sauer wird sie nur, wenn jemand Bücher versteckt: „Das sieht man, die sind dann völlig falsch einsortiert und das jeden Tag aufs Neue.“ Manchem Studenten sei es zu aufwendig Bücher auszuleihen, wenn er in der Uni damit arbeiten wolle. Um sicher zu gehen, dass das Buch am nächsten Tag noch da ist, verstecke er dann die Bücher, vermutet Olschewski.

Bücher lieber liegen lassen

Manchmal tauchen vermisste Bücher schnell wieder auf

Manchmal tauchen vermisste Bücher schnell wieder auf

Wer in der Zentralbibliothek mit Büchern arbeitet, muss die eigentlich auch zurück ins Regal stellen. „Wenn es jemand mal ganz eilig hat, soll er die Bücher aber lieber auf die Wagen in den Gängen legen, als sie falsch einzusortieren“, sagt Ute Engelkenmeier vom Bereich Öffentlichkeitsarbeit der Unibibliothek. Petra Olschewski hat währenddessen einige falsch einsortierte Bücher gefunden. Da stand ein Buch mit der Signatur B bei Ba, eins war hinter die einsortierten Bücher gefallen und eins stand um 100 Bücher zu weit vorn einsortiert.

Ein Vertreter für Hegel

Nur Georg Wilhelm Friedrich Hegel hat Petra Olschewski nicht gefunden. „Der bekommt jetzt

Vermisste Bücher werden mit einem Vertreter im Regal gekennzeichnet

Vermisste Bücher werden mit einem Vertreter im Regal gekennzeichnet

einen so genannten Vertreter, damit der Nutzer sofort weiß, dass das Buch vermisst ist“ sagt Olschewski und stellt ein rotes Schild mit der Aufschrift „vermisst“ ins Regal. Wenn das Buch nicht innerhalb eines Jahres auftaucht, verschwindet Georg Wilhelm Friedrich Hegel für immer, aus dem Regal und aus der Datenbank. Der Student, der Hegel als vermisst gemeldet hat, kann aber trotzdem darauf hoffen, dass Buch bald in den Händen zu halten. Besteht ein konkreter Nachwunsch oder Bedarf wird das Buch in den meisten Fällen neu gekauft, versichert Ute Engelkenmeier von der Unibibliothek. Dauert das zu lange kann das Buch sogar kostenlos über das Fernleihzentrum per Fernleihe von einer anderen Universität geordert werden.

Text und Fotos: Michael Klingemann

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