Der Ruhrpott tanzt wieder zur Swingmusik

Lucia an der Brügge und Johnny Fey tanzen den Lindy Hop.     Foto: Stefanie Brüning

Lucia an der Brügge und Johnny Fey tanzen den Lindy Hop. Foto: Stefanie Brüning

Nach 90er-Partys und Soul-Revivals à la Amy Winehouse geht der Retro-Trend jetzt in die 30er: Swing-Musik gibt’s nicht nur als Sonder-Album ambitionierter Stars, sondern auch in Diskos und bei Tanzkursen. Doch für die Tänzer ist es mehr als eine neue Retro-Erscheinung, für sie ist es ein Lebensgefühl, und das lässt sich auch schon bei den Anfängern spüren.

Rhythmisch klatschen Turnschuh- und Ledersohlen auf den schwarzen Linoleum-Fußboden einer Schul-Aula in Essen. Lucia an der Brügge (30) greift die Hand ihres Tanzpartners, von dem sie sich mit leichtfüßig wippenden Schritten in die Circle-Drehung führen lässt. In wehendem Pünktchen-Kleid und schwarzen Lackschuhen fällt die Philosophie-Studentin aus Bochum zwischen den vielen T-Shirt- und Jeans-Trägern auf – verkleidet fühlt sie sich deshalb nicht. „Das ist doch ein ganz normales Kleid“, protestiert sie.

Lieber mittanzen statt am Rand zu stehen

Swing hört sie gern, der besondere Reiz daran sei das Vergangene, „ein Mythos, den man entdeckt.“ In diesem Kurs möchte sie jetzt auch den Tanz dazu lernen, damit sie  bei Swing-Partys nicht mehr nur als Zuschauerin am Rand steht, sondern mitmachen kann. Sie will das Gemeinschaftsgefühl genießen und von schmucken jungen Herren mit Pomade im Haar aufgefordert werden. Einer davon könnte Johnny Fey (24) sein. Mit Hut, Hemd und Hosenträgern sieht er fast aus wie Al Capone – nur viel freundlicher. Galant mit Kick und Wechselschritt gleitet er mit seiner Tanzpartnerin durch den Raum.  Im Swing-Fieber ist er schon seit über einem Jahr: „Ich habe die Leute gesehen und war sofort begeistert“, erzählt er von seinem ersten Swing-Party-Abend. Für den  Zerspanungsmechaniker aus Siegen ist Swing ein Lebensgefühl von “heiler Welt“, das er hört, tanzt und auch in seiner Kleidung im Alltag auslebt.

Video: Eindrücke vom Lindy Hop Tanzkurs:

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„Man fühlt sich wie in eine ganz andere Zeit versetzt.“

„Und Partnerwechsel“, ruft Tanzlehrerin Martina Fischer (28) alle drei Minuten durch den Saal – denn so kommen auch die Tanzwilligen zum Üben, die sich ohne Partner zum Kurs angemeldet haben. Wie die beiden Freundinnen Anja Knobloch (24) und Carina Reinecke (25) aus Bochum, die durch Zufall zum Swing gekommen sind. Angefangen hat es mit einem Abend im Dortmunder Club „Domicil“: Erwartet hatten sie eigentlich eine House-Party, doch dann lief an diesem Abend diese altmodische Swing-Musik, und immer mehr Leute mit gescheitelten, gegelten Haartollen, schicken Kleidern, oder Hemd und Schirmmütze tanzten  paarweise diese springenden Schrittkombinationen.  „Man fühlt sich wie in eine ganz andere Zeit versetzt“, erzählt Carina Reinecke begeistert. Der Tanz sieht nicht schwierig aus, gerade durch die hüpfenden Bewegungen, die bei manchen eher konzentriert mechanisch, bei anderen wiederum leichtfüßig be-swingt aussehen. Doch in den Pausen stürzen die Tanzschüler zu ihren Wasserflaschen und greifen mit schweißnassen Händen nach dem Handtuch, denn anstrengend ist es doch.
„Pöm-pa, ba-pida“,  gibt Tanzlehrer Peter Bieniossek den Takt bei den Trockenübungen an, bevor er schließlich den I-Pod aufdreht: Aus den Boxen singt Jo Stafford den 60er Jahre Swing-Song „Watcha know Joe“, und sofort wandelt sich die triste Aula in einen Ballsaal. Unwillkürlich fangen einige an, mit dem Fingern zu schnipsen.

Video: Tanzlehrerin Martina Fischer über Lindy Hop, und eine Kostprobe wie die Profis tanzen:

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Egal wie es aussieht – das Gefühl muss stimmen

„Swing-Musik an sich hat einen ganz bestimmten Beat, der animiert, mit dem Fuß zu wippen. Das macht gute Laune“, erklärt Peter Bieniossek das Besondere an der Musik. Für ihn, der schon seit 2002 in seiner Freizeit Swing-Unterricht gibt und auch seine Frau beim Tanzen kennen lernte, steht beim Lindy Hop der Spaß im Vordergrund: „Es ist wirklich pure Lebensfreude. Es ist letztlich egal wie es aussieht, es kommt darauf an, wie es sich anfühlt.“
Wer Lust hat, selbst mal in die Welt Lindy Hops einzutauchen – im Ruhrgebiet kein Problem: Das Angebot reicht von Workshops über Fortgeschrittenen-Kurse, wöchentlichen Tanzstunden bis zu „Social Dance“-Abenden, bei denen man zu Big Band Livemusik tanzen kann. Für alle, die sich einen ersten Eindruck verschaffen oder gleich so mittanzen wollen,  gibt es in der Umgebung außerdem jede Menge wilde Partys wie in den „Swinging 30’s“.

Text: Stefanie Brüning
Videos: Stefanie Brüning und Katrin Herms

Mehr über Kurse und Parties findet ihr unter folgenden Links:

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