Rollenspieler Wallraff

Erst deckt Enthüllungsjournalist Günter Wallraff gröbste Missstände bei Burger King auf. Dann kommt nach „Spiegel“-Recherchen heraus: Wallraff hat offenbar mit McDonald’s zusammengearbeitet. Selbst ohne finanzielle Hintergedanken kann das einen Journalisten vertrauensunwürdig machen.

Die „Spiegel“-Recherchen zu Günter Wallraffs Verbindungen zu McDonald’s machen den investigativen Erfolg seiner Enthüllungen über die Missstände bei Burger King wieder zunichte. Demnach arbeitete Wallraff mit Burger Kings größtem Konkurrenten zusammen und erhielt dafür Honorare: 3.000 Euro, als er 2010 bei einer Veranstaltung der PR-Agentur von McDonald’s über „PR und investigativen Journalismus“ sprach. 5.000 Euro für die Teilnahme an einer Diskussion mit Managern und Gewerkschaften der Fast-Food-Kette, heißt es weiter. Noch einmal 5.000 Euro erhielt Wallraff angeblich dafür, dass er sich für ein internes Schulungsvideo zur Verfügung stellte. Veröffentlicht wurde das Material aber nicht.

Wallraffs Gründe

Wallraff verteidigt sich in einer Stellungnahme zu den „Spiegel“-Fragen. Die Honorare gingen an seine Stiftung und an eine hilfsbedürftige Person. Weiter betont er seine kritische Stellung zu McDonald’s in der Vergangenheit. Im Interview mit der „Welt“ macht Wallraff deutlich, dass McDonald’s „nicht aus der Schusslinie“ sei. Die Themenfindung im „Team Wallraff“ erfolge außerdem demokratisch. Der Vorschlag, über Burger King zu berichten, sei von einem Kollegen gekommen.

Die Gründe und Rechtfertigungen von Wallraff nehmen kein Ende. Möglicherweise sind sie auch berechtigt. Doch es stellt sich die Frage, ab welchem Punkt eine Grenze zu ziehen ist. Wie viel Kontakt darf ein Journalist zu seinen Protagonisten halten? Darf Geld überhaupt in irgendeiner Form im Spiel sein? Eindeutig wäre die Sachlage nur, hätte er die Gelder für sich persönlich behalten und verwendet.

Öffentliche Konsequenzen

Gerade Wallraff als Investigativ-Journalist hätte sich den öffentlichen Konsequenzen seiner Zusammenarbeit mit McDonald’s bewusst sein müssen. Denn eines ist ganz klar: Schlagzeilen, die von entlohnter Zusammenarbeit eines Journalisten mit einem kritisierten Unternehmen berichten, entziehen der Öffentlichkeit das Vertrauen in die Qualität der journalistischen Arbeit.

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2010 arbeitete McDonald’s mit Günter Wallraff zusammen. Foto: Marcel Klinger / pixelio.de

Selbst wenn Wallraff ohne finanziellen Hintergedanken gehandelt hat: McDonald’s Zugehen auf Kritiker im „Zuge einer Neuorientierung“ 2009 kam vermutlich nicht von ungefähr. Zumindest ein Versuch, den ehemaligen Großkritiker Wallraff auf die eigene Seite zu ziehen, ist denkbar. Auch darüber muss Wallraff sich im Klaren gewesen sein. Trotzdem ist er dem Unternehmen entgegengekommen. Warum? „Da ich grundsätzlich in meiner Arbeit dem direkten Kontakt zu Unternehmen nicht ablehnend gegenüberstehe, um gemeinsam nach Verbesserungen der von mir kritisierten Zustände zu suchen“, gibt Wallraff in der „Spiegel“-Stellungnahme an. Die Aussage Wallraffs klingt fast schon übermenschlich. Knallharter Kritiker und wohlwollender Verbesserer in einer Person. Es ist fraglich, ob Wallraff wirklich immer unterscheiden kann, in welcher Rolle er sich gerade befindet. Und wo die Grenzen jeder Rolle liegen.

Verantwortung und Glaubhaftigkeit

Im Laufe seiner Karriere schlich Wallraff sich schon des Öfteren unerkannt in Unternehmen ein. Vom Obdachlosen über den Waffenunterhändler bis zum Redakteur bei der BILD-Zeitung oder dunkelhäutigen Somalier – Wallraff kann alle Rollen. Mehrfach führten seine Recherchemethoden schon zu Kritik in der Presse und gerichtlichen Auseinandersetzungen. Die Pressefreiheit schützte ihn. Doch gerade der Investigativ-Journalismus ist ein steter Balanceakt. Missstände aufdecken, Veränderung herbeiführen – das funktioniert nur, wenn man glaubhaft ist.

In erster Linie hat Wallraff eine Verantwortung gegenüber der Öffentlichkeit. Der kommt er in seinen Reportagen durchaus nach. Durch seine oft radikal investigativen Berichte hat er schon zu mancher positiver Veränderung beigetragen. Wallraff polarisiert. Was er auch angeht, die Öffentlichkeit hört und sieht zu. Das bringt ihm Erfolg.

Den Aufruhr wegen seiner Zusammenarbeit mit McDonald’s hätte Wallraff möglicherweise vermeiden können, indem er seine Verbindung zu der Fastfood-Kette direkt klar gestellt und begründet hätte. Transparenz lautet das Stichwort. Eine Stellungnahme, die ohne Druck erfolgt, wirkt immer ehrlicher als eine, die erst auf Anfrage der Presse eingereicht wird. Denkbar wäre auch gewesen, McDonald’s direkt während der Reportage über Burger King als Vergleich heranzuziehen. Viele Zuschauer hätten sich ein solches Vorgehen ohnehin gewünscht. Jetzt verstärkt sich lediglich die Frage nach den Gründen, warum Wallraff keinen vergleichenden Bericht über Fastfood-Ketten aufgezogen hat.

Doch die Öffentlichkeit sollte nicht in reine schwarz-weiß Sicht verfallen. Wallraffs Kontakte zu McDonald’s sind möglicherweise zweifelhaft. Auch über seine Recherchemethoden lässt sich streiten. Nicht aber über seinen Erfolg. Die Ergebnisse der Reportage über die Zustände bei Burger King wurden hochgelobt. Und sie zeigten schließlich Wirkung: Burger King will entschieden durchgreifen und alle Kritikpunkte beseitigen.

 

Teaserfoto: flickr/ DONOSTIA KULTURA

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