Neu an der Uni: Anatolische Volkstänze

Zum ersten Mal gibt’s den Tanzkurs beim Dortmunder Hochschulsport. pflichtlektuere.com hat den Selbstversuch gewagt. Fazit: Nix für Menschen mit zwei linken Füßen – dafür super für die Integration. Hier tanzen Türken, Kurden und Araber gemeinsam den „Besoffenen-Tanz“.

Hier haben die Tänzer ihre Füße im Griff: synchron mit dem linken Bein nach vorne.

Hier haben die Tänzer ihre Füße im Griff: synchron mit dem linken Bein nach vorne. Fotos: Anne-Kathrin Gerstlauer

Diese sechs Zahlen sind einfach zu viel für mich. „Eins, zwei, drei, vier, fünf, sechs“ oder „yek, do, sê, car, penc, ses“. Es ist wie damals beim ersten und letzten Mal bei der „Step Aerobic“: So eine leichte Rechts-Links-Schwäche kann böse enden. Bei Step-Aerobic merkt das nur keiner, die blonde Frau mit dem Mikrofon würde selbst dann noch weiter powern, wenn sich auch die Eifrigen aus der ersten Reihe von der „Choreo“ verabschieden würden: „Nur noch eine Wiederholung.“

Cudi Birhimeoglu

Cudi Birhimeoglu leitet den Kurs "anatolische Volkstänze".

Nicht so heute Abend. Cudi Birhimeoglu macht es immer wieder vor. Mal zählt er auf Deutsch, mal auf Kurdisch. Eins, zwei, drei, rechte Ferse „steppt“ im Dreieck. Vier, linkes Bein wird schräg angewinkelt. Fünf, linke Ferse nach vorne aufsetzen. Sechs, zurück in die Ausgangsposition. Und das ist erst das Aufwärmen. Jetzt das ganze in Bewegung, untermalt mit orientalischer Musik. Im zügigen Schritt nach vorne, nach drei Wiederholung auf der Stelle weitertanzen. Dann wieder zurück. Diesmal werden in einer mir immer noch unbekannten Abfolge das linke und das rechte Bein abwechselnd nach vorne geworfen.

Alle in einer Reihe

Am Ende steht die Reihe in der Theorie wieder auf einer Linie. In der Theorie. In der Praxis natürlich nicht. Die Täter werden gesucht. Jetzt ist es ein bisschen wie beim Fußball. Es sind nur nicht 82 Millionen Bundestrainer, sondern ungefähr zwölf, die temperamentvoll diskutieren, ob die rechte Seite nun beim letzten Zwischenschritt zu weit nach vorne gestürmt ist. Oder eben nicht. Im Juni müssen alle Schritte perfekt sitzen, dann hat die Gruppe einen großen Auftritt: auf Cudis Hochzeit.

Die kleinen Finger werden mit denen des Nachbar-Tänzers verhakt.

Die kleinen Finger werden mit den Nachbar-Tänzern verhakt.

Der „Delilo“-Tanz wird in einer Reihe getanzt. Die Tänzer haben ihre kleinen Finger miteinander verhakt, alle Bewegungen müssen synchron ausgeführt werden, sonst kann die Choreographie nicht funktionieren. Die Reihenfolge ist festgelegt: Sortiert wird nach Größe, die Größten in der Mitte, die Kleineren außen. Männer und Frauen abwechselnd. „Die Tänze spiegeln die Gesellschaft wieder“, sagt Cudi. „In Anatolien gibt es nicht so eine starke Trennung zwischen Mann und Frau. Hier tanzen alle zusammen, und eng aneinander.“ Auch die folgenden Choreographien haben eine spezielle Bedeutung. Beim „Nârê“-Tanz wird sich im Kreis bewegt, das stehe für Geschlossenheit.

Der „Besoffenen-Tanz“

Beim „Keso“-Tanz bin ich dann raus. Aber ausnahmsweise nicht wegen meiner Koordinations-Rechts-Links-Tanzschwäche. Hier tanzen nur die Männer, es ist der „Besoffenen“-Tanz. In so einem Zustand befinde ich mich dann beim „Cêpîk“. Der „Kampf“. Einmal abklatschen mit seinem Gegenüber, einmal im Kreis drehen, und noch zweimal Abklatschen. Und das Ganze mehrmals hintereinander. Dabei „stürzt“ man sich aufeinander, so, erklärt Cudi, „als ob man sich an die Kehle springt“. Das Ganze wird natürlich nur symbolisch dargestellt. Und gewaltfrei sowieso. Während in der Weltpolitik Türken, Kurden, Araber und Asiaten eher nicht händchenhaltend durch den Raum wirbeln, steht bei den Tänzern der Spaß, und nicht Nationalität und Religion im Vordergrund.

Traditionelle Kleidung

Xem kommt zwar mit Fußball-Shirt zum Tanzen, kennt sich aber auch mit traditioneller Kleidung aus

Xem kommt zwar mit Fußball-Shirt zum Tanzen, kennt sich aber auch mit traditioneller Kleidung aus

Plötzlich ruft aber jemand: „Es ist alles so durcheinander.“ „Du kannst doch keine Ordnung in eine Schlägerei bringen“, antwortet Xem. Xem ist 20 und studiert Wirtschwaftswissenschaften an der TU. Er hat vorgeschlagen, die anatolischen Tänze in das Hochschulprogramm aufzunehmen. Vorher hatte Cudi eine private Gruppe geleitet, durch das Programm sind einige neue Mitglieder dazu gekommen. Mit acht Jahren hat Xem schon in einem Verein anatolische Volkstänze performt. Er kennt sich auch mit der traditionellen Kleidung zu diesen Tänzen aus. „Salvar“ ist die breite Hose, die nach unten eng wird. Dazu ein Hemd und eine Art Weste. „Und die Frauen tragen natürlich noch Accessoires. Kopfschmuck, Ketten und Ketten.“

Dann muss er auch schon wieder zurück. Noch nach dem Ende um acht Uhr tanzen die meisten weiter.  Nur für mich ist es genug, ich bin froh, überhaupt noch unfallfrei bis sechs zählen zu können. Wer auch mal selber anatolische Volkstänze ausprobieren möchte, ist herzlich Willkommen. Cudi: „Man muss nur Interesse an der Kultur und gute Laune mitbringen.“ Und seine Links-Rechts-Schwäche zu Hause lassen, aber das ist jetzt mein ganz persönlicher Tipp.

2 Comments

  • Hakan sagt:

    hey xem du siehst herb scheise auf dem bild aus mach mal eine anderes bild rein

  • Amed sagt:

    Rojbaş (Guten Tag),

    ich finde die Einführung des Tanzkurses „Anatolische Tänze“ im AHS-Progamm einfach nur mehr als genial. Denn hier tanzen KurdInnen und TürkInnen trotz des aktuellen Krieges in Kurdistan nur seitens der AKP und türk. Regierung zusammen. Damit symbolisieren die teilnehmenden TänzerInnen, dass sie für ein friedliches Zusammenleben sind. Come in and just enjoy the folkoric dance of the ancient kurdish culture! Dembaş (Euch einen schönen Zeit noch)

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