Die Tradition des Fastens ist so alt wie die Religionen selbst. Egal ob im Christentum, Islam, Buddhismus oder in alten indianischen Religionen: Fastenrituale gibt es überall. In unserer heutigen Kultur spielt Fasten kaum noch eine Rolle. Und wenn, dann in abgewandelter Form. Zwei unserer Autoren probieren aus, wie es ist, sieben Wochen auf eine Charaktereigenschaft zu verzichten. Lügen und Gemecker gehören zu unserem Alltag – doch was passiert, wenn wir versuchen, diese negativen Angewohnheiten einmal abzulegen? Wird die Fastenzeit uns nachhaltig verändern können? Nach einer Woche Pause läuft es bei unserer Autorin wieder besser.
Meine Semesterferien lassen sich grob in drei Zeitabschnitte einteilen:

Na geht doch! Bild: Lia Rodehorst
Zu Beginn die “Das-wird-schon-alles-irgendwie”-Phase, während der ich tatsächlich motiviert meine Klausuren vorbereitet habe. Darauf folgte die “Ich-hasse-mein-Studium-und-das-wird-doch-alles-nichts”-Phase, in der ich mich fragte, ob ich mich nicht doch lieber exmatrikulieren und irgendwo in die Sonne auswandern sollte. Vor meiner letzten Klausur wurde meine Stimmung so mies und der Stress so hoch, dass ich mir sogar eine Woche Auszeit vom Experiment nahm, weil einfach gar nichts mehr ging. Und seit ungefähr einer Woche endlich die “Klausuren-vorbei”-Phase. Jetzt faste ich wieder – und jetzt funktioniert es auch.
Meckern als Therapie
Während der Zeit der großen Krise, also in der “Ich-hasse-mein-Studium-und-das-wird-doch-alles-nichts”- Phase, mussten all der Frust und der Stress irgendwie raus. Und lächeln, die positiven Seiten sehen und mir einen Countdown bis zu den Ferien zu basteln, hat einfach nicht mehr gereicht. Also habe ich mir sieben Tage Fastenpause gegönnt – und Himmel, tat das gut.
Dozenten, die in ihren Vorlesungen Dinge wie “Fangen Sie ja nicht an zu lernen, bevor Sie die Zusammenfassung bekommen haben!” gesagt hatten, schickten weder die Zusammenfassung noch irgendeine Form der Unterlagen zu ihrer Vorlesung. Lernen ohne Unterlagen, ohne Skript, ohne Vorlesungsfolien und in Teilen ohne Mitschriften macht wirklich keinen Spaß. Ohne gelegentliches Dampfablassen wäre ich wohl irgendwann einfach geplatzt.
In der Klausur kamen Fragen zu Fachbegriffen vor, die ich noch nie gehört hatte – beim Meckern mit Kommilitonen habe ich bemerkt, dass auch sie noch nie von besagten Wörtern gehört hatten. Fächer, die ich belegen wollte, standen nicht auf dem Lehrplan und ich konnte mich beschweren. Ich hatte endlich Ferien und das Wetter war mies, zumindest direkt nach der Klausur – ich jammerte meiner Schwester am Telefon etwas vor und sie munterte mich auf.
Neustart

Es gibt schönere Orte, um nachts zu zweit eine Stunde zu verbringen… Bild: Flickruser Dirk unter Creative Commons Lizenz
Am Nachmittag nach der Klausur wurde es doch noch sonnig und warm, ich verbrachte den Nachmittag mit Eis auf meinem Balkon. So gestärkt startete ich am nächsten Tag wieder in mein Fastenexperiment. Und seit dem läuft es gut. Ferien sind einfach etwas Wundervolles.
Und da meine Schwester, die mich spontan besuchen gekommen ist, mich morgens sogar ausschlafen lässt, habe ich auch meistens keinen Grund zum Motzen. Die einzige Ausnahme war Sonntag, als wir eine Freundin in Düsseldorf besuchten und die Bahn auf der Rückfahrt nicht so wollte wie wir. Hungrig und müde waren wir insgesamt eine Stunde länger unterwegs als geplant, das ging ohne Meckern einfach nicht mehr. Insgesamt lief die vergangene Woche also wunderbar.
Einer Herausforderung muss ich mich zum Glück nicht mehr im Rahmen des Experiments stellen: Ostersonntag ist bei uns großes Familienfest und ich bin für das Essen verantwortlich. Ich bin jetzt schon froh, dass ich in der Küche im Zweifelsfall so viel fluchen kann, wie ich möchte.
Beitragsbild: Lia Rodehorst und Christian Burg, Collage mit Canva.com. Fotomontagen: Lia Rodehorst unter Verwendung von pixabay.com, lizenziert nach Creative Commons